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Das Schicksal des Arbeiters



Dann schleicht die Frau in die Nachbarschaft und Umgebung, borgt sich ein weniges aus, macht kleine Schulden beim Krämer und sucht so die bösen letzten Tage der Woche durchzuhalten. Mittags sitzen sie alle beisammen vor mageren Schüsseln, manchmal auch vor nichts, und warten auf den kommenden Lohntag, reden von ihm, machen Pläne, und während sie hungern, träumen sie schon wieder vom kommenden Glück.

So werden die kleinen Kinder in ihrer frühesten Jugend mit diesem Jammer vertraut gemacht.

Übel aber endet es, wenn der Mann von Anfang an seine eigenen Wege geht und das Weib, gerade den Kindern zuliebe, dagegen auftritt. Dann gibt es Streit und Hader, und in dem Maße, in dem der Mann der Frau nun fremder wird, kommt er dem Alkohol näher. Jeden Samstag ist er nun betrunken, und im Selbsterhaltungstrieb für sich und ihre Kinder rauft sich das Weib und die wenigen Groschen, die sie ihm, noch dazu meistens auf dem Wege von der Fabrik zur Spelunke, abjagen muß. Kommt er endlich Sonntag oder Montag nachts selber nach Hause, betrunken und brutal, immer aber befreit vom letzten Heller und Pfennig, dann spielen sich oft Szenen ab, daß Gott erbarm.

In Hunderten von Beispielen habe ich dieses alles miterlebt, anfangs angewidert oder wohl auch empört, um später die ganze Tragik dieses Leides zu begreifen, die tieferen Ursachen zu verstehen. Unglückliche Opfer schlechter Verhältnisse.

Fast trüber noch waren damals die Wohnungsverhältnisse. das Wohnungselend des Wiener Hilfsarbeiters war ein entsetzliches. Mich schaudert noch heute, wenn ich an diese jammervollen Wohnhöhlen denke, an Herberge und Massenquartier, an dies düsteren Bilder von Unrat, widerlichem Schmutz und Ärgerem.

Wie mußte und wie muß dies einst werden, wenn aus diesen Elendshöhlen der Strom losgelassener Sklaven über die andere, so gedankenlose Mitwelt und Mitmenschen sich ergießt!

Denn gedankenlos ist diese andere Welt.

Der Weg zur Besserung

Gedankenlos läßt sie die Dinge eben treiben, ohne in ihrer Instinktlosigkeit auch nur zu ahnen, daß früher oder später das Schicksal zur Vergeltung schreiten muß, wenn nicht die Menschen zur Zeit noch das Schicksal versöhnen.

Wie bin ich heute dankbar jener Vorsehung, die mich in diese Schule gehen ließ. In ihr konnte ich nicht mehr sabotieren, was mir nicht gefiel. Sie hat mich schnell und gründlich erzogen.

Wollte ich nicht verzweifeln an den Menschen meiner Umgebung von damals, mußte ich unterscheiden lernen zwischen ihrem äußeren Wesen und Leben und den Gründen ihrer Entwicklung. Nur dann ließ sich dies alles ertragen, ohne verzagen zu müssen. Dann wuchsen aus all dem Unglück und Jammer, aus Unrat und äußerer Verkommenheit nicht mehr Menschen heraus, sondern traurige Ergebnisse trauriger Gesetze; wobei mich die Schwere des eigenen, doch nicht leichteren Lebenskampfes davor bewahrte, nun etwa in jämmerlicher Sentimentalität vor den verkommenen Schlußprodukten dieses Entwicklungsprozesses zu kapitulieren.

Nein, so soll dies nicht verstanden werden.

Schon damals ersah ich, daß hier nur ein doppelter Weg zum Ziele einer Besserung dieser Zustände führen könne:

Tiefstes soziales Verantwortungsgefühl zur Herstellung besserer Grundlagen unserer Entwicklung, gepaart mit brutaler Entschlossenheit in der Niederbrechung unverbesserlicher Auswüchse.

So wie die Natur ihre größte Aufmerksamkeit nicht auf die Erhaltung des Bestehenden, sondern auf die Züchtung des Nachwuchses, als des Trägers der Art, konzentriert, so kann es sich auch im menschlichen Leben weniger darum handeln, bestehendes Schlechtes künstlich zu veredeln, was bei der Veranlagung des Menschen zu neunundneunzig Prozent unmöglich ist, als darum, einer kommenden Entwicklung gesündere Bahnen von Anfang an zu sichern.

30 Das Wesen sozialer Tätigkeit

Schon währen meines Wiener Existenzkampfes war mir klar geworden, daß

die soziale Tätigkeit nie und nimmer in ebenso lächerlichen wie zwecklosen Wohlfahrtsduseleien ihre Aufgabe zu erblicken hat, als vielmehr in der Beseitigung solcher grundsätzlicher Mängel in der Organisation unseres Wirtschafts- und Kulturlebens, die zu Entartungen einzelner führen müssen oder wenigstens verleiten können.

Die Schwierigkeit des Vorgehens mit letzten und brutalsten Mitteln gegen das staatsfeindliche Verbrechertum liegt ja nicht zu wenigsten gerade in der Unsicherheit des Urteils über die inneren Beweggründe oder Ursachen solcher Zeiterscheinungen.

Diese Unsicherheit ist nur zu begründet im Gefühl einer eigenen Schuld an solchen Tragödien der Verkommenheit; sie lähmt aber nun jeden ernsten und festen Entschluß und hilft so mit an der, weil schwankend, auch schwachen und halben Durchführung selbst der notwendigsten Maßnahmen der Selbsterhaltung.

Erst wenn einmal eine Zeit nicht mehr von den Schatten des eigenen Schuldbewußtseins umgeistert ist, erhält sie mit der inneren Ruhe auch die äußere Kraft, brutal und rücksichtslos die wilden Schößlinge herauszuschneiden, das Unkraut auszujäten.

Da der österreichische Staat eine soziale Rechtsprechung und Gesetzgebung überhaupt so gut als gar nicht kannte, war auch seine Schwäche in der Niederkämpfung selbst böser Auswüchse in die Augen springend groß.

*

Ich weiß nicht, was mich nun zu dieser Zeit am meisten entsetzte: das wirtschaftliche Elend meiner damaligen Mitgefährten, dies sittliche und moralische Rohheit oder der Tiefstand ihrer geistigen Kultur.

31 Der Mangel an "Nationalstolz"

Wie oft fährt nicht unser Bürgertum in aller moralischen Entrüstung empor, wenn es aus dem Munde irgendeines jämmerlichen Landstreichers die Äußerung vernimmt, daß es sich ihm gleich bleibe, Deutscher zu sein oder auch nicht, daß er sich überall gleich wohl fühle, sofern er nur sein nötiges Auskommen habe.

Dieser Mangel an "Nationalstolz" wird dann auf das tiefste beklagt und dem Abscheu vor einer solchen Gesinnung kräftig Ausdruck gegeben.

Wie viele haben sich aber schon die Frage vorgelegt, was denn nun eigentlich bei ihnen selber die Ursache ihrer besseren Gesinnung bildet?

Wie viele begreifen denn die Unzahl einzelner Erinnerungen an die Größe des Vaterlandes, der Nation, auf allen Gebieten des kulturellen und künstlerischen Lebens, die ihnen als Sammelergebnis eben den berechtigten Stolz vermitteln, Angehörige eines so begnadeten Volkes sein zu dürfen?

Wie viele ahnen denn, wie sehr der Stolz auf das Vaterland abhängig ist von der Kenntnis der Größe desselben auf allen diesen Gebieten?

Denken nun unsere bürgerlichen Kreise darüber nach, in welch lächerlichem Umfange diese Voraussetzung zum Stolz auf das Vaterland dem "Volke" vermittelt wird?

Man rede sich nicht darauf hinaus, daß in "anderen Ländern dies ja auch nicht anders" sei, der Arbeiter dort aber "dennoch" zu seinem Volkstum stände. Selbst wenn dies so wäre, würde es nicht zur Entschuldigung eigener Versäumnisse dienen können. Es ist aber nicht so. Denn was wir immer mit einer "chauvinistischen" Erziehung z.B. des französischen Volkes bezeichnen, ist doch nichts anderes, als das übermäßige Herausheben der Größe Frankreichs auf allen Gebieten der Kultur, oder wie der Franzose zu sagen pflegt, der "Zivilisation". Der junge Franzose wird eben nicht zur Objektivität erzogen, sondern zur subjektivsten Ansicht, die man sich nur denken kann, soferne es sich um die Bedeutung der politischen oder kulturellen Größe seines Vaterlandes handelt.


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