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Weltanschauung und Partei



Am 24. Februar 1920 fand die erste große öffentliche Massenkundgebung unserer jungen Bewegung statt. Im Festsaale des Münchener Hofbräuhauses wurden die fünfundzwanzig Thesen des Programms der neuen Partei einer fast zweitausendköpfigen Menschenmenge unterbreitet und jeder einzelne Punkt unter jubelnder Zustimmung angenommen.

Damit waren die ersten Leitsätze und Richtlinien für einen Kampf ausgegeben, der mit einem wahren Wust althergebrachter Vorstellungen und Ansichten und mit unklaren, ja schädlichen Zielen aufräumen sollte. In die faule und feige bürgerliche Welt sowohl wie in den Siegeszug der marxistischen Eroberungswelle sollte eine neue Machterscheinung treten, um den Wagen des Verhängnisses in letzter Stunde zum Stehen zu bringen.

Es war selbstverständlich, daß die neue Bewegung nur dann hoffen durfte, die nötige Bedeutung und die erforderliche Stärke für diesen Riesenkampf zu erhalten, wenn es ihr vom ersten Tage an gelang, in den Herzen ihrer Anhänger die heilige Überzeugung zu erwecken, daß mit ihr dem politischen Leben nicht eine neue Wahlparole oktroyiert, sondern eine neue Weltanschauung von prinzipieller Bedeutung vorangestellt werden sollte.

Man muß bedenken, aus welch jämmerlichen Gesichtspunkten heraus sogenannte "Parteiprogramme" normal zusammengeschustert und von Zeit zu Zeit aufgeputzt oder umgemodelt werden. Man muß die treibenden Motive besonders dieser bürgerlichen "Programmkommissionen" unter die Lupe nehmen, um das nötige Verständnis für die Bewertung

410 Die bürgerlichen "Programm-Kommissionen"

dieser programmatischen Ausgeburten zu gewinnen.

Es ist immer eine einzige Sorge, die entweder zur Aufstellung von Programmen oder zur Abänderung der vorhandenen antreibt: die Sorge um den nächsten Wahlausgang. Sowie in den Köpfen dieser parlamentarischen Staatskünstler die Ahnung aufzudämmern pflegt, daß das liebe Volk wieder einmal revoltiert und aus dem Geschirr des alten Parteiwagens entschlüpfen will, pflegen sie die Deichseln neu anzustreichen. Dann kommen die Sterngucker und Parteiastrologen, die sogenannten "erfahrenen" und "gewiegten", meistens alten Parlamentarier, die in ihrer "reichen politischen Lehrzeit" sich analoger Fälle zu erinnern vermögen, da auch der Masse endlich die Stränge ihrer Geduld gerissen, und die Ähnliches wieder bedrohlich nahe fühlen. So greifen sie zu den alten Rezepten, bilden eine "Kommission", horchen im lieben Volk herum, beschnüffeln die Presseerzeugnisse und riechen so langsam heraus, was das liebe breite Volk gerne haben möchte, was es verabscheut und was es sich erhofft. Jede Berufsgruppe, ja jede Angestelltenklasse wird genauestens studiert und in ihren geheimsten Wünschen erforscht. Auch die "üblen Schlagworte" der gefährlichen Opposition pflegen dann plötzlich reif für eine Überprüfung zu sein und tauchen nicht selten, zum größten Erstaunen ihrer ursprünglichen Erfinder und Verbreiter, ganz harmlos, wie selbstverständlich im Wissensschatz der alten Parteien auf.

So treten die Kommissionen zusammen und "revidieren" das alte Programm und verfassen ein neues (die Herrschaften wechseln dabei ihre Überzeugungen wie der Soldat im Felde das Hemd, nämlich immer dann, wenn das alte verlaust ist!), in dem jedem das Seine gegeben wird. Der Bauer erhält den Schutz seiner Landwirtschaft, der Industrielle den Schutz seiner Ware, der Konsument den Schutz seines Einkaufs, den Lehrern werden die Gehälter erhöht, den Beamten die Pensionen aufgebessert, Witwen und Waisen soll in reichlichstem Umfang der Staat versorgen, der Verkehr wird gefördert, die Tarife

411 Aus dem Leben der "Volksvertreter"

sollen erniedrigt und gar die Steuern, wenn auch nicht ganz, aber doch so ziemlich abgeschafft werden. Manchesmal passiert es, daß man doch noch einen Stand vergessen oder von einer im Volk umlaufenden Forderung nicht gehört hat. Dann wird in letzter Eile noch hineingeflickt, was Platz hat, so lange, bis man mit gutem Gewissen hoffen darf, das Heer der normalen Spießer samt ihren Weibern wieder beruhigt zu haben und hochbefriedigt zu sehen. So kann man innerlich also gerüstet im Vertrauen auf den lieben Gott und die unerschütterliche Dummheit der wahlberechtigten Bürger den Kampf um die "neue Gestaltung" des Reiches, wie man sagt, beginnen.

Wenn dann der Wahltag vorbei ist, die Parlamentarier für fünf Jahre ihre letzte Volksversammlung abgehalten haben, um sich von der Dressur der Plebs hinweg zur Erfüllung ihrer höheren und angenehmeren Aufgaben zu begeben, löst sich die Programmkommission wieder auf, und der Kampf um die Neugestaltung der Dinge erhält wieder die Formen des Ringens um das liebe tägliche Brot: Dieses heißt aber beim Parlamentarier Diäten.

Jeden Morgen begibt sich der Herr Volksvertreter in das Hohe Haus, und wenn schon nicht ganz hinein, so doch wenigstens bis in den Vorraum, in dem die Anwesenheitslisten aufliegen. Im angreifenden Dienste für das Volk trägt er dort seinen Namen ein und nimmt als wohlverdienten Lohn eine kleine Entschädigung für diese fortgesetzten zermürbenden Anstrengungen entgegen.

Nach vier Jahren oder in sonstigen kritischen Wochen, wenn die Auflösung der parlamentarischen Körperschaften wieder näher und näher zu rücken beginnt, beschleicht die Herren plötzlich ein unbezähmbarer Drang. So wie der Engerling nichts anderes kann, als sich zum Maikäfer zu verwandeln, so verlassen diese parlamentarischen Raupen das große gemeinsame Puppenhaus und flattern flügelbegabt hinaus zum lieben Volk. Sie reden wieder zu ihren Wählern, erzählen von der eigenen enormen Arbeit und der böswilligen Verstocktheit der anderen, bekommen aber von der unverständigen Masse statt dankbaren


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