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Oder meinen Sie mich?» fragt Lottchen, vorsichtig lachend. Der Kopf tut dabei noch weh.
20 «Ihr seids mir ein paar Intriganten», knurrt er, «ein paar ganz gefä hrliche! Sogar meinen Peperl habt ihr an der Nase herumgefü hrt! » Er streckt beide Hä nde aus und mit jeder seiner Pranken fä hrt er zä rtlich ü ber einen Mä dchenkopf. 21 Dann hustet er energisch, steht auf und sagt: «Komm, Peperl, reiß dich von den zwei trü gerischen Weibsbildern los! » 22 Peperl wedelt abschiednehmend mit dem Schwanz. Dann schmiegt er sich an die gewaltigen Hosenrö hren des Hofrats, der soeben dem Herrn Kapellmeister Palfy erklä rt: «Eine Mutter, das ist eine Medizin, die kann man nicht in der Apotheke holen! » Er wendet sich an die junge Frau. «Werden S’ solang bleiben kö nnen, bis das Luiserl – ein’ Schmarrn, – bis das Lottchen, mein ich, wieder vö llig beisamm’ ist? » 23 «Ich werd wohl kö nnen, Herr Hofrat, und ich mö cht schon! » 24 «Na also», meint der alte Herr. «Der Herr Exgemahl wird sich halt drein fü gen mü ssen.» 25 Palfy ö ffnet den Mund. 26 «Lassen S’ nur», sagt der Hofrat spö ttisch. «Das Kü nstlerherz wird Ihnen natü rlich bluten. So viel Leut’ in der Wohnung! Aber nur Geduld, – bald werden S’ wieder hü bsch allein sein.» 27 Er hat’s heute in sich, der Hofrat! Die Tü r drü ckt er so rasch auf, dass die Resi, die drauß en horcht, am Kopf eine Beule kriegt. Sie hä lt sich den brummenden Schä del. 28 «Mit einem sauberen Messer drü cken! » empfiehlt er, jeder Zoll ein Arzt. «Ist schon gut. Der wertvolle Ratschlag kostet nix! » 1 Der Abend hat sich auf die Erde herabgesenkt. In Wien wie anderswo auch (как и в других местах). Im Kinderzimmer ist es still. Luise schlä ft. Lotte schlä ft. Sie schlummert der Gesundung entgegen (дремлет на пути к выздоровлению: «навстречу выздоровлению»). 2 Frau Kö rner und der Kapellmeister haben bis vor wenigen Minuten im Nebenzimmer gesessen. Sie haben manches besprochen (кое о чем поговорили, кое-что обсудили), und sie haben noch mehr beschwiegen (еще о большем помолчали, обошли молчанием: beschweigen / образовано здесь по аналогии с besprechen/). 3 Dann ist er aufgestanden und hat gesagt: «So! Nun muss ich gehen (теперь мне нужно идти)! » Dabei ist er sich – ü brigens mit Recht (что, кстати, и справедливо; das Recht – право) – etwas komisch erschienen (показался сам себе несколько смешным: erscheinen). Wenn man bedenkt (если принять во внимание, учесть), dass im Nebenzimmer zwei neunjä hrige Mä dchen schlafen, die man von der hü bschen Frau hat, die vor einem steht, – und man selber muss wie ein abgeblitzter Tanzstundenherr (как отвергнутый учитель танцев; abblitzen – встретить отпор, получить отказ; /исконно/ вспыхнуть вхолостую /о порохе/) davonschleichen (тихонько удалиться; schleichen – красться)! Aus der eigenen Wohnung! Wenn es noch, wie in den guten alten Zeiten, unsichtbare Hausgeister gä be (если бы имелись невидимые домашние духи), – wie mü ssten die jetzt kichern! Sie bringt ihn bis zur Korridortü r. 4 Er zö gert. «Falls es wieder schlimmer werden sollte (если вдруг опять станет хуже), – ich bin drü ben im Atelier.» 5 «Mach dir keine Sorgen (не волнуйся)! » sagt sie zuversichtlich. «Vergiss lieber nicht, dass du viel Schlaf nachzuholen hast (что тебе нужно как следует выспаться: «наверстать много сна»: der Schlaf).» 6 Er nickt. «Gute Nacht.» 7 «Gute Nacht.» 8 Wä hrend er langsam die Treppe hinabsteigt, ruft sie leise: «Ludwig! » Er dreht sich fragend um. 9 «Kommst du morgen zum Frü hstü ck? » 10 «Ich komme! » 11 Als sie die Tü r verschlossen und die Kette vorgehä ngt hat (и навесила цепочку = закрыла на цепочку), bleibt sie noch eine Weile sinnend (погруженная в себя, в раздумья) stehen. Er ist wirklich ä lter geworden. Fast sieht er schon wie ein richtiger Mann aus (выглядит уже почти как настоящий мужчина), ihr ehemaliger Mann (ее бывший муж)! 12 Dann wirft sie den Kopf zurü ck (вскидывает голову) und geht, den Schlaf ihrer und seiner Kinder mü tterlich zu bewachen (по-матерински стеречь, охранять).
1 Der Abend hat sich auf die Erde herabgesenkt. In Wien wie anderswo auch. Im Kinderzimmer ist es still. Luise schlä ft. Lotte schlä ft. Sie schlummert der Gesundung entgegen. 2 Frau Kö rner und der Kapellmeister haben bis vor wenigen Minuten im Nebenzimmer gesessen. Sie haben manches besprochen, und sie haben noch mehr beschwiegen. 3 Dann ist er aufgestanden und hat gesagt: «So! Nun muss ich gehen! » Dabei ist er sich – ü brigens mit Recht – etwas komisch erschienen. Wenn man bedenkt, dass im Nebenzimmer zwei neunjä hrige Mä dchen schlafen, die man von der hü bschen Frau hat, die vor einem steht, – und man selber muss wie ein abgeblitzter Tanzstundenherr davonschleichen! Aus der eigenen Wohnung! Wenn es noch, wie in den guten alten Zeiten, unsichtbare Hausgeister gä be, – wie mü ssten die jetzt kichern! Sie bringt ihn bis zur Korridortü r. 4 Er zö gert. «Falls es wieder schlimmer werden sollte, – ich bin drü ben im Atelier.» 5 «Mach dir keine Sorgen! » sagt sie zuversichtlich. «Vergiss lieber nicht, dass du viel Schlaf nachzuholen hast.» Er nickt. «Gute Nacht.» Gute Nacht.» 8 Wä hrend er langsam die Treppe hinabsteigt, ruft sie leise: «Ludwig! » Er dreht sich fragend um. 9 «Kommst du morgen zum Frü hstü ck? » 10 «Ich komme! » 11 Als sie die Tü r verschlossen und die Kette vorgehä ngt hat, bleibt sie noch eine Weile sinnend stehen. Er ist wirklich ä lter geworden. Fast sieht er schon wie ein richtiger Mann aus, ihr ehemaliger Mann! 12 Dann wirft sie den Kopf zurü ck und geht, den Schlaf ihrer und seiner Kinder mü tterlich zu bewachen. 1 Eine Stunde spä ter steigt, vor einem Haus am Kä rntner Ring, eine junge, elegante Dame aus einem Auto und verhandelt mit dem mü rrischen Portier (ведет переговоры с ворчливым портье). 2 «Der Herr Kapellmeister? » brummt er. «I woaß net (= ich weiß nicht), ob er droben ist (наверху ли = у себя ли он)! » 3 «Im Atelier ist Licht», sagt sie. «Also ist er da! Hier! » 4 Sie drü ckt ihm Geld in die Hand und eilt, an ihm vorbei (мимо него), zur Stiege (к лестнице /южно-нем./; steigen – подниматься; die Stiege – / узкая, крутая / лестница). 5 Er betrachtet den Geldschein (рассматривает купюру) und schlurft (плетется, шаркая) in seine Wohnung zurü ck. 6 «Du? » fragt Ludwig Palfy oben an der Tü r. 7 «Erraten (угадал)! » bemerkt Irene Gerlach bissig (ехидно; beiß en – кусать) und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zü ndet sich eine Zigarette an (зажигает: anzü nden) und mustert den Mann abwartend. 8 Er sagt nichts. 9 «Warum lä sst du dich am Telefon verleugnen (почему ты приказал говорить по телефону, что тебя нет дома; verleugnen – отрицать, отрекаться)? » fragt sie. «Findest du das sehr geschmackvoll (со вкусом = остроумно; der Geschmack – вкус)? » 10 «Ich hab mich nicht verleugnen lassen.» 11 «Sondern (а /что же ты сделал/)? » 12 «Ich war nicht fä hig (не в состоянии; f ä hig – способный /что-либо сделать/), mit dir zu sprechen. Mir war nicht danach zumute (не был к этому расположен, не до этого мне было). Das Kind war schwer krank.» 13 «Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wä rst du doch in der Rotenturmstraß e.» 14 Er nickt. «Ja, es geht ihm besser. Auß erdem ist meine Frau drü ben.» 15 «Wer? » 16 «Meine Frau. Meine geschiedene Frau. Sie kam heute Morgen mit dem anderen Kind.» 17 «Mit dem anderen Kind? » echot (повторила, как эхо; das Echo) die junge, elegante Frau. 18 «Ja, es sind Zwillinge. Erst war das Luiserl bei mir. Seit Ferienschluss dann das andere. Doch das hab ich gar nicht gemerkt. Ich weiß es erst seit gestern.» 19 Die Dame lacht bö se. «Raffiniert eingefä delt von deiner Geschiedenen (утонченно проделанно твоей бывшей: «разведенной»; der Faden – нитка; einfä deln – вдевать нитку; затевать)! » «Sie weiß es auch erst seit gestern», meint er ungeduldig (нетерпеливо = раздраженно). 20 Irene Gerlach verzieht ironisch die schö n gemalten Lippen. «Die Situation ist nicht unpikant, gelt (не правда ли)? In der einen Wohnung sitzt eine Frau, mit der du nicht mehr, und in der anderen eine, mit der du noch nicht verheiratet bist! » 21 Ihn packt der Ä rger (охватывает гнев, раздражение: der Ä rger). «Es gibt noch viel mehr Wohnungen, wo Frauen sitzen, mit denen ich noch nicht verheiratet bin! » 22 «Oh! » Sie erhebt sich. «Witzig (остроумным) kannst du auch sein? » 23 «Entschuldige, Irene, ich bin nervö s! » 24 «Entschuldige, Ludwig, ich auch! » 25 Bums! Die Tü r ist zu (захлопнулась: «закрыта, захлопнута»), und Frä ulein Gerlach ist gegangen! 26 Nachdem Herr Palfy einige Zeit auf die Tü r gestarrt hat, wandert er zum Bö sendorfer Flü gel hinü ber, blä ttert in den Noten zu seiner Kinderoper und setzt sich, ein Notenblatt herausgreifend (выхватив), vor die Tasten. 27 Eine Zeitlang (некоторое время) spielt er vom Blatt. Einen strengen, schlichten (простой, скромный, незатейливый) Kanon, in einer der alten Kirchentonarten. Dann moduliert er. Von Dorisch nach c-Moll. Von c-Moll nach Es-Dur. Und langsam, ganz langsam schä lt sich aus der Paraphrase (рождается: «вышелушивается»; die Schale – скорлупа, кожура, шелуха) eine neue Melodie heraus. Eine Melodie, so einfach und herzgewinnend (покоряющая, проникающая в сердце; gewinnen – побеждать; привлекать), als ob zwei kleine Mä dchen mit ihren hellen, reinen Kinderstimmen sie sä ngen. Auf einer Sommerwiese. An einem kü hlen Gebirgssee, in dem sich der blaue Himmel spiegelt. Jener Himmel, der hö her ist als aller Verstand (чем всякий, любой разум), und dessen Sonne die Kreaturen (существа, твари: die Kreatú r) wä rmt und bescheint, ohne zwischen den Guten, den Bö sen und den Lauen einen Unterschied zu machen (не делая различия между добрыми, злыми и «чуть теплыми» = не особенно добрыми и не особенно злыми, безразличными).
1 Eine Stunde spä ter steigt, vor einem Haus am Kä rntner Ring, eine junge, elegante Dame aus einem Auto und verhandelt mit dem mü rrischen Portier. 2 «Der Herr Kapellmeister? » brummt er. «I woaß net, ob er droben ist! » 3 «Im Atelier ist Licht», sagt sie. «Also ist er da! Hier! » 4 Sie drü ckt ihm Geld in die Hand und eilt, an ihm vorbei, zur Stiege. 5 Er betrachtet den Geldschein und schlurft in seine Wohnung zurü ck. 6 «Du? » fragt Ludwig Palfy oben an der Tü r. 7 «Erraten! » bemerkt Irene Gerlach bissig und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zü ndet sich eine Zigarette an und mustert den Mann abwartend. Er sagt nichts. 9 «Warum lä sst du dich am Telefon verleugnen? » fragt sie. «Findest du das sehr geschmackvoll? » |
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