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Achte, und achten, was ich mindestens kenne.



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Soweit mein Interesse für die soziale Frage erweckt war, begann ich sie auch mit aller Gründlichkeit zu studieren. Es war eine neue, bisher unbekannte Welt, die sich mir so erschloß.

In den Jahren 1909 auf 1910 hatte sich auch meine eigene Lage insofern etwas geändert, als ich nun selber nicht mehr als Hilfsarbeiter mir mein tägliches Brot zu verdienen brauchte. Ich arbeitete damals schon selbständig als kleiner Zeichner und Aquarellist. So bitter dies in bezug auf den Verdienst war - es langte wirklich kaum zum Leben - so gut war es aber für meinen erwählten Beruf. Nun war ich nicht mehr wie früher des Abends nach der Rückkehr von der Arbeitsstelle todmüde, unfähig, in ein Buch zu sehen, ohne in kurzer Zeit einzunicken. Meine jetzige Arbeit verlief ja parallel meinem künftigen Berufe. Auch konnte ich nun als Herr meiner eigenen Zeit mir diese wesentlich besser einteilen, als dies früher möglich war.

 

Ich malte zum Brotverdienen und lernte zur Freude.

So war es mir auch möglich, zu meinem Anschauungsunterricht über das soziale Problem die notwendige theoretische Ergänzung gewinnen zu können. Ich studierte so ziemlich alles, was ich über dieses ganze Gebiet an Büchern erhalten konnte, und vertiefte mich im übrigen in meine eigenen Gedanken.

Ich glaube, meine Umgebung von damals hielt mich wohl für einen Sonderling.

Daß ich dabei mit Feuereifer meiner Liebe zur Baukunst diente, war natürlich. Sie erschien mir neben der Musik als die Königin der Künste: meine Beschäftigung mit ihr war unter solchen Umständen auch keine "Arbeit", sondern höchstes Glück. Ich konnte bis in die späte Nacht hinein lesen oder zeichnen, müde wurde ich da nie. So verstärkte sich mein Glaube, daß mir mein schöner Zukunftstraum, wenn auch nach langen Jahren, doch Wirklichkeit werden

Die Kunst des Lesens

würde. Ich war fest überzeugt, als Baumeister mir dereinst einen Namen zu machen.

Daß ich nebenbei auch das größte Interesse für alles, was mit Politik zusammenhing, besaß, schien mir nicht viel zu bedeuten. Im Gegenteil: dies war in meinen Augen ja die selbstverständliche Pflicht jedes denkenden Menschen überhaupt. Wer dafür kein Verständnis besaß, verlor eben das Recht zu jeglicher Kritik und jeglicher Beschwerde.

Auch hier las und lernte ich also viel.

Freilich verstehe ich unter "lesen" vielleicht etwas anderes als der große Durchschnitt unserer sogenannten "Intelligenz".

Ich kenne Menschen, die unendlich viel "lesen", und zwar Buch für Buch, Buchstaben um Buchstaben, und die ich doch nicht als "belesen" bezeichnen möchte. Sie besitzen freilich eine Unmenge von "Wissen", allein ihr Gehirn versteht nicht, eine Einteilung und Registratur dieses in sich aufgenommenen Materials durchzuführen. Es fehlt ihnen die Kunst, im Buche das für sie Wertvolle vom Wertlosen zu sondern, das eine dann im Kopfe zu behalten für immer, das andere, wenn möglich, gar nicht zu sehen, auf jeden Fall aber nicht als zwecklosen Ballast mitzuschleppen. Auch das Lesen ist ja nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu einem solchen. Es soll in erster Linie mithelfen, den Rahmen zu füllen, den Veranlagung und Befähigung jedem ziehen; mithin soll es Werkzeug und Baustoffe liefern, die der einzelne zu seinem Lebensberufe nötig hat, ganz gleich, ob dieser nur dem primitiven Broterwerbe dient oder die Befriedigung einer höheren Bestimmung darstellt; in zweiter Linie aber soll es ein allgemeines Weltbild vermitteln. In beiden Fällen ist es aber nötig, daß der Inhalt des jeweiligen Gelesenen nicht in der Reihenfolge des Buches oder gar der Bücherfolge zur Aufbewahrung übergeben wird, sondern als Mosaiksteinchen in dem allgemeinen Weltbilde seinen Platz an der ihm zukommenden Stelle erhält und so eben mithilft, dieses Bild im Kopfe des Lesers zu formen. Im anderen Falle entsteht ein wirres Durcheinander von eingelerntem Zeug, das ebenso

Die Kunst des Lesens

wertlos ist, wie es andererseits den unglücklichen Besitzer eingebildet macht. Denn dieser glaubt nun wirklich allen Ernstes, "gebildet" zu sein, vom Leben etwas zu verstehen, Kenntnisse zu besitzen, während er mit jedem neuen Zuwachs dieser Art von "Bildung" in Wahrheit der Welt sich mehr und mehr entfremdet, bis er nicht selten entweder in einem Sanatorium oder als "Politiker" in einem Parlamente endet.

Niemals wird es so einem Kopfe gelingen, aus dem Durcheinander seines "Wissens" das für die Forderung einer Stunde Passende herauszuholen, da ja sein geistiger Ballast nicht in den Linien des Lebens geordnet liegt, sondern in der Reihenfolge der Bücher, wie er sie las und wie ihr Inhalt ihm nun im Kopfe sitzt, würde das Schicksal bei seinen Anforderungen des täglichen Lebens ihn immer an die richtige Anwendung des einst Gelesenen erinnern, so müßte es aber auch noch Buch und Seitenzahl erwähnen, da der arme Tropf sonst in aller Ewigkeit das Richtige nicht finden würde. Da es dies nun aber nicht tut, geraten diese neunmal Klugen bei jeder kritischen Stunde in die schrecklichste Verlegenheit, suchen krampfhaft nach analogen Fällen und erwischen mit tödlicher Sicherheit natürlich die falschen Rezepte.

Wäre es nicht so, könnte man die politischen Leistungen unserer gelehrten Regierungsheroen in höchsten Stellen nicht begreifen, außer man entschlösse sich, anstatt pathologischer Veranlagung schurkenhaft Niedertracht anzunehmen.

Wer aber die Kunst des richtigen Lesens inne hat, den wird das Gefühl beim Studieren jedes Buches, jeder Zeitschrift oder Broschüre augenblicklich auf all das aufmerksam machen, was seiner Meinung nach für ihn zur dauernden Festhaltung geeignet ist, weil entweder zweckmäßig oder allgemein wissenswert. Sowie das auf solche Weise Gewonnene seine sinngemäße Eingliederung in das immer schon irgendwie vorhandene Bild, das sich die Vorstellung von dieser oder jener Sache geschaffen hat, findet, wird es entweder korrigierend oder ergänzend wirken, also

Die Kunst des Lesens

entweder die Richtigkeit oder Deutlichkeit desselben erhöhen. Legt nun das Leben plötzlich irgendeine Frage zur Prüfung oder Beantwortung vor, so wird bei einer solchen Art des Lesens das Gedächtnis augenblicklich zum Maßstabe des schon vorhandenen Anschauungsbildes greifen und aus ihm alle die in Jahrzehnten gesammelten einzelnen diese Fragen betreffenden Beiträge herausholen, dem Verstande unterbreiten zur Prüfung und neuen Einsichtnahme, bis die Frage geklärt oder beantwortet ist.

Nur so hat das Lesen dann Sinn und Zweck.

Ein Redner zum Beispiel, der nicht auf solche Weise seinem Verstande die nötigen Unterlagen liefert, wird nie in der Lage sein, bei Widerspruch zwingend seine Ansicht zu vertreten, mag sie auch tausendmal der Wahrheit oder Wirklichkeit entsprechen. Bei jeder Diskussion wird ihn das Gedächtnis schnöde im Stiche lassen; er wird weder Gründe zur Erhärtung des von ihm Behaupteten, noch solche zur Widerlegung des Gegners finden. Solange es sich dabei, wie bei einem Redner, in erster Linie nur um die Blamage der eigenen Person handelt, mag dies noch eingehen, böse aber wird es, wenn das Schicksal einen solchen Vielwisser aber Nichtskönner zum Leiter eines Staates bestellt.

Ich habe mich seit früher Jugend bemüht, auf richtige Art zu lesen und wurde dabei in glücklichster Weise von Gedächtnis und Verstand unterstützt. Und in solchem Sinne betrachtet, war für mich besonders die Wiener Zeit fruchtbar und wertvoll. Die Erfahrungen des täglichen Lebens bildeten die Anregung zu immer neuem Studium der verschiedensten Probleme. Indem ich endlich so in der Lage war, die Wirklichkeit theoretisch zu begründen, die Theorie an der Wirklichkeit zu prüfen, wurde ich davor bewahrt, weder in der Theorie zu ersticken, noch in der Wirklichkeit zu verflachen.

So wurde in dieser Zeit in zwei wichtigsten Fragen, außer der sozialen, die Erfahrung des täglichen Lebens bestimmend und anregend für gründlichstes theoretisches Studium.

Die Sozialdemokratie

Wer weiß, wann ich mich in die Lehren und das Wesen des Marxismus einmal vertieft hätte, wenn mich nicht die damalige Zeit förmlich mit dem Kopfe auf dieses Problem gestoßen hätte!

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Was ich in meiner Jugend von der Sozialdemokratie wußte, war herzlich wenig und reichlich unrichtig. Daß sie den Kampf um das allgemeine und geheime Wahlrecht führte, freute mich innerlich. Sagte mir doch mein Verstand schon damals, daß dies zu einer Schwächung des mir so sehr verhaßten Habsburgerregiments führen müßte. In der Überzeugung, daß der Donaustaat, außer unter Opferung des Deutschtums, doch nie zu halten sein werde, daß aber selbst der Preis einer langsamen Slawisierung des deutschen Elements noch keineswegs die Garantie eines dann auch wirklich lebensfähigen Reiches bedeutet hätte, da die staatserhaltende Kraft des Slawentums höchst zweifelhaft eingeschätzt werden muß, begrüßte ich jede Entwicklung, die meiner Überzeugung nach zum Zusammenbruch dieses unmöglichen, das Deutschtum in zehn Millionen Menschen zum Tode verurteilenden Staates führen mußte. Je mehr das Sprachentohuwabohu auch das Parlament zerfraß und zerfetzte, mußte die Stunde des Zerfalles dieses babylonischen Reiches näherrücken und damit aber auch die Stunde der Freiheit meines deutschösterreichischen Volkes. Nur so konnte dann dereinst der Anschluß an das alte Mutterland wieder kommen.

So war mir also diese Tätigkeit der Sozialdemokratie nicht unsympathisch. Daß sie endlich, wie mein damaliges harmloses Gemüt noch dumm genug war zu glauben, die Lebensbedingungen des Arbeiters zu heben trachtete, schien mir ebenfalls eher für sie, als gegen sie zu sprechen. Was mich am meisten abstieß, war ihre feindselige Stellung gegenüber dem Kampf um die Erhaltung des Deutschtums, das jämmerliche Buhlen um die Gunst der slawischen "Genossen", die diese Liebeswerbung, soferne sie mit praktischen Zugeständnissen verbunden war, wohl entgegennahmen,


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