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Bildung der Weltanschauung



teilte. Jedes Buch, das ich mir erwarb, erregte seine Teilnahme; ein Besuch der Oper ließ ihn mir dann wieder Gesellschaft leisten auf Tage hinaus; es war ein dauernder Kampf mit meinem mitleidslosen Freunde. Und doch habe ich in dieser Zeit gelernt, wie nie zuvor. Außer meiner Baukunst, dem seltenen, vom Munde abgesparten Besuch der Oper, hatte ich als einzige Freude nur mehr Bücher.

Ich las damals unendlich viel, und zwar gründlich. Was mir so an freier Zeit von meiner Arbeit übrig blieb, ging restlos für mein Studium auf. In wenigen Jahren schuf ich mir damit die Grundlagen meines Wissens, von denen ich auch heute noch zehre.

Aber mehr noch als dieses.

In dieser Zeit bildete sich mir ein Weltbild und eine Weltanschauung, die zum granitenen Fundament meines derzeitigen Handelns wurden. Ich habe zu dem, was ich mir so einst schuf, nur weniges hinzulernen müssen, zu ändern brauchte ich nichts.

Im Gegenteil.

Ich glaube heute fest daran, daß im allgemeinen sämtliche schöpferischen Gedanken schon in der Jugend grundsätzlich erscheinen, soferne solche überhaupt vorhanden sind. Ich unterscheide zwischen der Weisheit des Alters, die nur in einer größeren Gründlichkeit und Vorsicht als Ergebnis der Erfahrungen eines langen Lebens gelten kann, und der Genialität der Jugend, die in unerschöpflicher Fruchtbarkeit Gedanken und Ideen ausschüttet, ohne sie zunächst auch nur verarbeiten zu könne, infolge der Fülle ihrer Zahl. Sie liefert die Baustoffe und Zukunftspläne, aus denen das weisere Alter die Steine nimmt, behaut und den Bau aufführt, soweit nicht die sogenannte Weisheit des Alters die Genialität der Jugend erstickt hat. * Das Leben, das ich bis dorthin im väterlichen Hause geführt hatte, unterschied sich eben wenig oder in nichts von dem all der anderen. Sorgenlos konnte ich den neuen Tag erwarten, und ein soziales Problem gab es für mich nicht.

22 Ablegen kleinbürgerlicher Scheuklappen

Die Umgebung meiner Jugend setzte sich zusammen aus den Kreisen kleinen Bürgertums, also aus einer Welt, die zu dem reinen Handarbeiter nur sehr wenig Beziehungen besitzt. Denn so sonderbar es auch auf den ersten Blick scheinen mag, so ist doch die Kluft gerade zwischen diesen durchaus wirtschaftlich nicht glänzend gestellten Schichten und dem Arbeiter der Faust oft tiefer als man denkt. Der Grund dieser, sagen wir fast Feindschaft, liegt in der Furcht einer Gesellschaftsgruppe, die sich erst ganz kurze Zeit aus dem Niveau der Handarbeiter herausgehoben hat, wieder zurückzusinken in den alten, wenig geachteten Stand, oder wenigstens noch zu ihm gerechnet zu werden. Dazu kommt noch bei vielen die widerliche Erinnerung an das kulturelle Elend dieser unteren Klasse, die häufige Roheit des Umgangs unter einander, wobei die eigene, auch noch so geringe Stellung im gesellschaftlichen Leben jede Berührung mit dieser überwundenen Kultur- und Lebensstufe zu einer unerträglichen Belastung werden läßt.

So kommt es, daß häufig der Höherstehende unbefangener zu seinem letzten Mitmenschen herabsteigt, als es dem "Emporkömmling" auch nur möglich erscheint.

Denn Emporkömmling ist nun einmal jeder, der sich durch eigene Tatkraft aus einer bisherigen Lebensstellung in eine höhere emporringt.

Endlich aber läßt dieser häufig sehr herbe Kampf das Mitleid absterben. Das eigene schmerzliche Ringen um das Dasein tötet die Empfindung für das Elend der Zurückgebliebenen.

Mit mir besaß das Schicksal in dieser Hinsicht Erbarmen. Indem es mich zwang, wieder in diese Welt der Armut und der Unsicherheit zurückzukehren, die einst der Vater im Laufe seines Lebens schon verlassen hatte, zog es mir die Scheuklappen einer beschränkten kleinbürgerlichen Erziehung von den Augen. Nun erst lernte ich die Menschen kennen; lernte unterscheiden zwischen hohlem Scheine oder brutalem Äußeren und ihrem inneren Wesen.

Wien gehörte nach der Jahrhundertwende schon zu den sozial ungünstigen Städten.

23 Soziale Gegensätze Wiens

Strahlender Reichtum und abstoßende Armut lösten einander in schroffem Wechsel ab. Im Zentrum und in den inneren Bezirken fühlte man so recht den Pulsschlag des 52-Millionen-Reiches, mit all dem bedenklichen Zauber des Nationalitätenstaates. Der Hof in seiner blendenden Pracht wirkte ähnlich einem Magneten auf Reichtum und Intelligenz des übrigen Staates. Dazu kam noch die starke Zentralisierung der Habsburgermonarchie an und für sich.

In ihr bot sich die einzige Möglichkeit, diesen Völkerbrei in fester Form zusammenzuhalten. Die Folge davon aber war eine außerordentliche Konzentration von hohen und höchsten Behörden in der Haupt- und Residenzstadt.

Doch Wien war nicht nur politisch und geistig die Zentrale der alten Donaumonarchie, sondern auch wirtschaftlich. Dem Heer von hohen Offizieren, Staatsbeamten, Künstlern und Gelehrten stand eine noch größere Armee von Arbeitern gegenüber, dem Reichtum der Aristokratie und des Handels eine blutige Armut. Vor den Palästen der Ringstraße lungerten Tausende von Arbeitslosen, und unter dieser via triumphalis des alten Österreich hausten im Zwielicht und Schlamm der Kanäle die Obdachlosen.

Kaum in einer deutschen Stadt war die soziale Frage besser zu studieren als in Wien. Aber man täusche sich nicht. Dieses "Studieren" kann nicht von oben herunter geschehen. Wer nicht selber in den Klammern dieser würgenden Natter sich befindet, lernt ihre Giftzähne niemals kennen. Im anderen Falle kommt nichts heraus als oberflächliches Geschwätz oder verlogene Sentimentalität. Beides ist von Schaden. Das eine, weil nie bis zum Kerne des Problems zu dringen vermag, das andere, weil es an ihm vorübergeht. Ich weiß nicht, was verheerender ist: die Nichtbeachtung der sozialen Not, wie dies die Mehrzahl der vom Glück Begünstigten oder auch durch eigenes Verdienst Gehobenen tagtäglich sehen läßt, oder jene ebenso hochnäsige wie manchmal wieder zudringlich taktlose, aber immer gnädige Herablassung gewisser mit dem "Volk empfindender" Modeweiber in Röcken und Hosen. Diese Menschen sündigen jedenfalls mehr, als sie in ihrem instinktlosen Verstande

Der Hilfsarbeiter

überhaupt nur zu begreifen vermögen. Daher ist dann zu ihrem eigenen Erstaunen das Ergebnis einer durch sie betätigten sozialen "Gesinnung" immer null, häufig aber sogar empörte Ablehnung; was dann freilich als Beweis der Undankbarkeit des Volkes gilt.

Daß eine soziale Tätigkeit damit gar nichts zu tun hat, vor allem auf Dank überhaupt keinen Anspruch erheben darf, da sie ja nicht Gnaden verteilen, sondern Rechte herstellen soll, leuchtet einer solchen Art von Köpfen nur ungern ein.

Ich wurde bewahrt davor, die soziale Frage in solcher Weise zu lernen. Indem sie mich in den Bannkreis ihres Leidens zog, schien sie mich nicht zum "Lernen" einzuladen, als vielmehr sich an mir selber erproben zu wollen. Es war nicht ihr Verdienst, daß das Kaninchen dennoch heil und gesund die Operationen überstand.

*

Wenn ich nun versuchen will, die Reihe meiner damaligen Empfindungen heute wiederzugeben, so kann dies niemals auch nur annähernd vollständig sein; nur die wesentlichsten und für mich oft erschütterndsten Eindrücke sollen hier dargestellt werden mit den wenigen Lehren, wie ich sie in dieser Zeit schon zog.

*

Es wurde mir damals meist nicht sehr schwer, Arbeit an sich zu finden, da ich ja nicht gelernter Handwerker war, sondern nur als sogenannter Hilfsarbeiter und manches Mal als Gelegenheitsarbeiter versuchen mußte, mir das tägliche Brot zu schaffen.

Ich stellte mich dabei auf den Standpunkt aller jener, die den Staub Europas von den Füßen schütteln, mit dem unerbittlichen Vorsatz, sich in der Neuen Welt auch eine neue Existenz zu gründen, eine neue Heimat zu erobern. Losgelöst von allen bisherigen lähmenden Vorstellungen des


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