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Zusammenspiel der Linksparteien



Allein, was endlich übrigblieb, war nur noch die Absicht und ein zur Ausführung derselben nicht mehr passender Körper. Mit einer Zehnmillionenpartei kann man keine Revolution mehr machen. In einer solchen Bewegung hat man nicht länger ein Extrem der Aktivität vor sich, sondern die breite Masse der Mitte, also die Trägheit.

In dieser Erkenntnis fand noch während des Krieges die berühmte Spaltung der Sozialdemokratie durch den Juden statt, d.h.: Während sich die sozialdemokratische Partei, entsprechend der Trägheit ihrer Masse, wie ein Bleigewicht an die nationale Verteidigung hing, zog man aus ihr die radikal-aktivistischen Elemente heraus und formierte sie zu besonders schlagkräftigen neuen Angriffskolonnen. Unabhängige Partei und Spartakusbund waren die Sturmbataillone des revolutionären Marxismus. Sie hatten die vollendete Tatsache zu schaffen, auf deren Boden dann die jahrzehntelang darauf vorbereitete Masse der sozialdemokratischen Partei treten konnte. Das feige Bürgertum wurde dabei vom Marxismus richtig eingeschätzt und einfach "en canaille" behandelt. Man nahm von ihm überhaupt keine Notiz, wissend, daß die hündische Unterwürfigkeit der politischen Gebilde einer alten ausgedienten Generation zu ernstlichem Widerstand niemals fähig sein würde.

Sowie die Revolution gelungen war und die Hauptstützen des alten Staates als gebrochen gelten konnten, die zurückmarschierende Frontarmee aber als unheimliche Sphinx aufzutauchen begann, mußte in der natürlichen Entwicklung der Revolution gebremst werden; das Gros der sozialdemokratischen Armee besetzte die eroberte Stellung und die unabhängigen und spartakistischen Sturmbataillone wurden beiseite geschoben.

Dies ging jedoch nicht ohne Kampf.

Nicht nur, daß sich die aktivistischen Angriffsformationen der Revolution, weil nicht befriedigt, nun betrogen fühlten und von sich aus weiterschlagen wollten, war ihr unbändiges Randalieren den Drahtziehern der Revolution

591 Das Einfangen der Bürgerlichen

selber nur erwünscht. Denn kaum, daß der Umsturz vorbei war, gab es in ihm selber bereits scheinbar zwei Lager, nämlich: Die Partei der Ruhe und Ordnung und die Gruppe des blutigen Terrors. Was aber war nun natürlicher, als daß unser Bürgertum sofort mit fliegenden Fahnen in das Lager der Ruhe und Ordnung einrückte? Jetzt war auf einmal für diese erbärmlichsten politischen Organisationen die Möglichkeit einer Betätigung gegeben, bei der sie, ohne es sagen zu müssen, dennoch im stillen bereits wieder einen Boden unter den Füßen gefunden hatten und in eine gewisse Solidarität mit der Macht kamen, die sie haßten, aber noch inständiger fürchteten. Das politische deutsche Bürgertum hatte die hohe Ehre erhalten, sich mit den dreimal verfluchten Marxistenführern zur Bekämpfung der Bolschewisten an einen Tisch setzen zu dürfen.

So bildete sich bereits im Dezember 1918 und Januar 1919 folgender Zustand heraus:

Von einer Minderheit schlechtester Elemente ist eine Revolution gemacht worden, hinter die sofort die gesamten marxistischen Parteien traten. Die Revolution selbst hat ein scheinbar gemäßigtes Gepräge, was ihr die Feindschaft der fanatischen Extremisten zuzieht. Diese beginnen mit Handgranaten und Maschinengewehren herumzuknallen, Staatsbauten zu besetzen, kurz die gemäßigte Revolution zu bedrohen. Um den Schrecken einer solchen weiteren Entwicklung zu bannen, wird ein Waffenstillstand geschlossen zwischen den Trägern des neuen Zustandes und den Anhängern des alten, um nun gemeinsam gegen die Extremisten den Kampf führen zu können. Das Ergebnis ist, daß die Feinde der Republik damit ihren Kampf gegen die Republik als solche eingestellt haben und mithelfen, diejenigen niederzuzwingen, die selbst, wenn auch aus ganz anderen Gesichtspunkten heraus, ebenfalls Feinde dieser Republik sind. Das weitere Ergebnis aber ist, daß dadurch endgültig die Gefahr eines Kampfes der Anhänger des alten Staates gegen die des neuen abgebogen erscheint.

Man kann sich diese Tatsache gar nicht oft und scharf genug vor Augen halten. Nur wer sie begreift, versteht, wie

592 Kapitulation der Bürgerlichen

es möglich war, daß einem Volk, das zu neun Zehnteln eine Revolution nicht gemacht hat, zu sieben Zehnteln sie ablehnt, zu sechs Zehnteln sie haßt, endlich von einem Zehntel dennoch diese Revolution aufgezwungen werden kann.

Allmählich verbluteten die spartakistischen Barrikadenkämpfer auf der einen Seite und die nationalistischen Fanatiker und Idealisten auf der anderen, und in eben dem Maß, in dem diese beiden Extreme sich gegenseitig aufrieben, siegte, wie immer, die Masse der Mitte. Bürgertum und Marxismus fanden sich auf dem Boden der gegebenen Tatsachen, und die Republik begann sich zu "konsolidieren". Was allerdings die bürgerlichen Parteien zunächst nicht hinderte, besonders vor den Wahlen, noch eine Zeitlang den monarchischen Gedanken zu zitieren, um mit den Geistern der vergangenen Welt die kleineren Geister ihrer Anhänger zu beschwören und erneut einfangen zu können.

Ehrlich war dies nicht. Sie hatten innerlich alle schon längst mit der Monarchie gebrochen, und die Unsauberkeit des neuen Zustandes begann ihre verführerischen Wirkungen auch im bürgerlichen Parteilager geltend zu machen. Der gewöhnliche bürgerliche Politiker fühlt sich heute wohler im Korruptionsschlamm der Republik als in der reinlichen Härte, die ihm vom vergangenen Staat her noch in Erinnerung ist.

*

Wie schon gesagt, war die Revolution nach der Zertrümmerung des alten Heeres gezwungen, sich zur Stärkung ihrer Staatsautorität einen neuen Machtfaktor zu schaffen. Wie die Dinge lagen, konnte sie diesen nur aus Anhängen einer ihr eigentlich entgegengesetzten Weltanschauung gewinnen. Aus ihnen allein konnte dann auch langsam ein neuer Heereskörper entstehen, der, äußerlich begrenzt durch die Friedensverträge, in seiner Gesinnung im Laufe der Zeit zu einem Instrument der neuen Staatsauffassung umgeformt werden mußte.

Legt man sich die Frage vor, wieso - abgesehen von allen wirklichen Fehlern des alten Staates, welche zur Ursache


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