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BILDENDE KUNST DER HOCHRENAISSANCE



 

Die Blü tezeit der frü hkapitalistischen Kunstentwicklung in Italien wird Hochrenaissance genannt. Sie wä hrte nicht lä nger als die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts (des Cinquecento). Als die Kunst der Renaissance ihren hö chsten Stand erreichte, hatte bereits der wirtschaftliche Verfall Italiens begonnen. Das politisch zersplitterte Italien wurde von den Heeren Frankreichs und Spaniens ü berfallen, die infolge ihrer staatlichen Zentralisiertheit Italien in seiner Entwicklung ü berholt hatten. Das italienische Volk verteidigte sich gegen die Feinde von auß en. In Florenz war es das aufstä ndische Volk, das drei Jahre lang dem Ansturm der Angreifer widerstand. Kein Wunder, dass diese Stadt zu der Wiege der Kunst der Hochrenaissance wurde.

Im Zuge der allgemeinen politischen Aktivierung in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts wurden die nationalen und demokratischen Ideale wiederbelebt. Sie trugen zur Entwicklung der Hochrenaissance bei, die in Italien zu einem einmaligen und unvergleichlichen kulturellen Ereignis wurde.

Die Renaissance hatte allseitig gebildete Menschen entwickelt, Menschen von enzyklopadischem Wissen und groß en politischen Fä higkeiten, „Riesen an Denkkraft, und Leidenschaft und Charakter" (F. Engels). Die Naturwissenschaften blü hten, ganz besonders aber entfaltete sich die bildende Kunst und in ihr ü bernahm die Malerei die absolute Fü hrung.

Der Begriff „Hochrenaissance" ist mit drei groß en Meistern untrennbar verbunden - mit Leonardo da Vinci, Raffael und Michelangelo.

In Deutschland und anderen nichtitalienischen Lä ndern begann in der Kunst der Stil, den man nach der italienischen Renaissance als Renaissancestil bezeichnet, erst Anfang des 16. Jahrhunderts. Der Hauptmeister der deutschen Renaissance ist groß er Maler und Graphiker Albrecht Dü rer.

Leonardo da Vinci

 

Leonardo da Vinci war eine universelle Natur, auf den das Wort von den Riesen der Renaissance zutrifft, das Friedrich Engels geprä gt hat. Er wurde im Jahre 1452 geboren. 1466 wurde er als Lehrling in die Werkstatt Verrocchios in Florenz aufgenommen. Von frü h an bestanden in diesem genialen Menschen kü nstlerische und wissenschaftliche Neigungen nebeneinander.

Im Jahre 1477 begann Leonardo selbstä ndig zu arbeiten. Sein erster groß er Auftrag wurde das Gemä lde mit einer Darstellung der „Anbetung der Heiligen Drei Kö nige", doch blieb dieses Bild unvollendet. Er bot sich dem Mailä nder Herzog Lodovico Sforza als Rü stungstechniker an und bewarb sich um die Ausfü hrung eines Reiterdenkmals. So kam es Ende des Jahres 1482 zur Obersiedlung nach Mailand. Nach einer Zeit der Vorbereitung begann der erste wichtige Schaffensabschnitt. 1483-1492 entstand die Mitteltafel eines Altars, darstellend die Madonna in der Felsgrotte. Doch immer drangen naturwissenschaftliche und technische Probleme in sein kü nstlerisches Schaffen. So stellte er wä hrend dieser Zeit Ü berlegungen zum Problem des Fliegens an, und es entstanden Entwü rfe fü r Flugmaschinen. Auß erdem schrieb er wichtige Abschnitte seines Traktats ü ber die Malerei nieder. Mit seiner 1490 vollendeten Arbeit ü ber Licht und Schatten wurde er zum Begrü nder der Lehre von der Luft- und Farbenperspektive. Dabei wurde er stä ndig von seinem Fü rsten durch nichtige Aufträ ge bedrä ngt und von einer freien schö pferischen Tä tigkeit abgehalten. Er muß te Kostü me entwerfen, Dekorationen fü r Feste schaffen und Wasseranlagen bauen.

Zur Krö nung seines kü nstlerischen Schaffens in dieser lombardischen Stadt wurde das Wandbild mit der Darstellung des heiligen Abendmahls im Kloster Santa - Maria delle Grazie zu Mailand, an dem er von 1495 bis 1498 arbeitete. Ein Guß des inzwischen fertiggestellten Modells seines Reiterstandbildes fü r Francesko Sforza konnte nicht ausgefü hrt werden, weil das Guß material dringlicher fü r Kanonen gebraucht wurde. Als Mailand durch franzö sische Truppen besetzt wurde, verließ Leonardo die Stadt und reiste nach Florenz zurü ck. Er erhielt dort vom florentinischen Rat den Auftrag fü r das Gemä lde mit der Darstellung der Anghiari-Schlacht.

In dieser Zeit entstand auch das berü hmte Bildnis der Mona Lisa.

Den Aufforderungen der Mailand besetzt hallenden Franzosen folgend, verließ er 1506 erneut Florenz, so dass die begonnene Darstellung der Anghiari-Schlacht nicht vollendet werden konnte. In Mailand entstand neben vielen wissenschaftlichen Arbeiten ein weiteres Meisterwerk, das Bildnis der Heiligen Anna Selbdritt. Als 1513 in Mailand die Pest wü tete, sah sich Leonardo zum Verlassen der Stadt gezwungen.

Ü ber Florenz ging er nach Rom. Dort arbeitete er unter anderem an Plä nen zur Trockenlegung der Pontinischen Sü mpfe, Schließ lich folgte er im Jahre 1516 einem Ruf des franzö sischen Kö nigs, der ihm ein jä hrliches Gehalt aussetzte und eine Wohnung nahe dem Schloß in Amboise anwies. Dort starb Leonardo 1519 im Alter von siebenundsechzig Jahren.

Das Wissen um das Leben Leonardos ist notwendig, um seine kü nstlerische Entwicklung zu verstehen. Es sind ja nur wenige Kunstwerke, die Leonardo vollendet hat. Aber welch ein Gewicht besitzt sein Schaffen! In seinen Figurendarstellungen sind alle aus der Arbeit von Generationen stammenden Ergebnisse des Studiums des menschlichen Kö rpers zusammengefaß t worden. In einer unvergleichlichen Weise verband Leonardo mit dem Wissen um die Anatomie eine weise Einsicht in die seelischen Vorgä nge des Menschen. So erlangte er eine Hö he der Charakterisierungskunst, wie sie sich um vollendetsten in der Abendmahlsdarstellung ausdrü ckt. Dieses Gemä lde bezaubert die Betrachter immer wieder durch die treffende Charakterisierung der verschiedenen Personen: des sanften Johannes, des harten Peters, des niederträ chtigen Judas.

Auch der Reiz der Mona Lisa ist darin begrü ndet, dass durch die ä uß ere Hü lle der schö nen Frau das Seelische hindurchscheint. Leonardos „Madonna Litta", die sich in der Leningrader Ermitage befindet (Ende der siebziger Jahre), ist eine kü nstlerische Verallgemeinerung der Schö nheit und Grö ß e der Mutterschaft. Hier kam die ä uß ere Vollkommenheit wie die innere Fü lle des Lebens zu ihrem Ausdruck.

Schließ lich hat Leonardo den Kü nstlern und den die Kunst betrachtenden Menschen den Blick fü r das Atmosphä rische geö ffnet. Er malte als erster das Schimmern des Lichtes auf der Haut. Er war es auch, der als erster in einer Zeichnung ü ber einer Landschaft niedergehenden Regen darstellte.

Mit Leonardos Abendmahlsdarstellung leitete sich zwischen 1495 und 1498 die Hochrenaissance ein. In ihr wurde jene klare Ordnung verwirklicht, durch welche die italienischen Maler den Ausgleich der Formen und der Bewegungstendenzen erreichten, wie es fü r das kü nstlerische Schaffen der Hochrennaisance charakteristisch ist. Das Prinzip der Klassik, in der Abendmahldarstellung begonnen, tritt vollkommen in Leonardos Gemä lde,.Die heilige Anna" in Erscheinung. Durch das Schema der Anordnung im Dreieck schuf er eine kompositionelle Einheit. Hier ist ein Zustand erreicht, in dem nicht das Kleinste geä ndert werden kann, ohne den Zusammenhalt und die Schö nheit des Ganzen zu zerstö ren.

Gegenü ber der Malerei des Quattrocento fä llt in Leonardos Werk der Verzicht auf alle ü berflü ssigen Details auf. Die Kunst der Hochrenaissance wä hlte aus der Wirklichkeit mit reifer Erfahrenheit das Wesentlichste aus.

In Leonardos Gemä lden ä uß ern sich die Ideale des Humanismus. Alle von ihm gemalten Gestalten zeichnen sich durch eine tiefe Vergeistigung und intellektuellen Reichtum aus.

Raffael

 

Im Schaffen Raffaels findet die Kunst der Hochrenaissance ihren Hö henpunkt. Es war die Zeit, da der Dominikanermö nch Savonarola durch die italienischen Stä dte zog und leidenschaftlich den Luxus der Reichen und die Sittenlosigkeit am pä pstlichen Hof anprangerte. Es war aber auch die Zeit, da der florentinische Staatsmann Machiavelli die Werke des rö mischen Historikers Livius kommentierte, da die schö nsten Kü nste ebenso aufblü hten wie Naturwissenschaften und Mathematik. Mehr und mehr entwickelte sich der Glaube an die Kraft des Guten und das Wissen, dass alles Gute und Schö ne von den Menschen geschaffen und entwickelt werden kann.

Zeitgenossen bezeichneten die Malerei Raffaels als die Verkö rperung der besten Bestrebungen und Hoffnungen ihrer Zeit. Sie belegten seine Geslalten mit der Bezeichnung „grazia". Darunter verstanden sie jedoch nicht nur die kö rperliche Grazie, sondern vor allem die geistige Schö nheit des Menschen.

Raffael wurde 1483 in Urbina als Sohn des Malers Giovanni Santi geboren. Der Siebzehnjä hrige begann in der Werkstatt Peruginos zu arbeiten. Von diesem Meister hat Raffael viel ü bernommen. So stammt von Perugino die seelenvolle Zartheit des Ausdrucks, die ein wesentliches Kennzeichen der Kunst Raffaels ist.

Als Raffael im Jahre 1504 nach Florenz ging, wurden seine Formen selbstä ndiger. Hier entwickelte er den fü r ihn charakteristischen Madonnentypus. In dem formvollendeten Oval seiner Madonnenkö pfe entstand ein ü ber alles Individuelle hinausgehendes Schö nheitsideal. In seinen besten Madonnendarstellungen - Madonna mit dem Stieglitz, Madonna della Sedia, Sixtinische Madonna - verkö rpert sich der Versuch, hö chste menschliche Vollkommenheit als Einheit von Kö rper und Geist sichtbar zu machen. Dem dient die harmonische Ausgewogenheit der Form. In den Madonnen Raffaels vollzieht sich eine Entwicklung von ä uß erer Lieblichkeit zur menschlichen Wü rde, wie sie sich in der Sixtinischen Madonna vorbildlich verkö rpert.

Durch Papst Julius II. im Herbst 1508 nach Rom berufen, malte Raffael in der Stanza della Segnatura des Vatikans bis zum Jahre 1511 eine Freskenfolge, die zu den grö ß ten, Leistungen der italienischen Kunst gehö rt. Zur gleichen Zeit, m der Michelangelo die Decke der Sixtinischen Kapelle schuf, entstanden hier lebensvolle Darstellungen jener Geistesmä chte, die Europa am Beginn der Neuzeit bewegten: der Theologie, der Wissenschaft, der Poesie und der Jurisprudenz. Mit der Doppelleistung von Michelangelo und Raffael in der Sixtinischen Kapelle und in den Stanzen des Vatikans war der Hö hepunkt der Renaissance erreicht.

Besonders groß artig und monumental waren die Fresken „Disputa", in der Raffael die Theologie verkö rperte, und „Schule in Athen", die den Triumph der Philosophie und Wissenschaft darstellte. In der „Schule von Athen" erwacht in monumentaler Grö ß e die ganze Welt der Antike: Platon und Aristoteles, Sokrates und Diogenes, Pythagoras und Euklid - viele Reprä sentanten verschiedener wissenschaftlicher und philosophischer Schulen. Erhaben und plastisch wurde hier der Gedanke an die schweren und glü ckbringenden Wege zur Erkenntnis ausgedrü ckt.

Raffael war auch ein sehr guter Porträ tmaler. Er zeigte die von ihm gemalten Menschen als ausgeglichene und selbstsichere Persö nlichkeiten. Sie haben einen Ausdruck ruhiger Besonnenheit, wie es dem humanistischen Ideal entsprach.

In den letzten Jahren seines Lebens begann Raffael die Ausmalung der Villa Farnesina. Seine Schü ler haben dieses Werk und die von Ornamenten umrahmten biblischen Szenen in den Loggien des Vatikans vollendet.

Nicht zu ü bersehen ist die Tä tigkeit Raffaels als Architekt. Er schuf Kapellen und Palä ste, darunter die Villa Farnesina. Nach dem Tode Bramantes im Mä rz 1514 wurde ihm die Bauleitung des Petersdomes ü bertragen, die er bis an seinen Tod wahrnahm. Rechnet man dazu seine Tä tigkeit als Konservator der antiken rö mischen Kunstdenkmä ler und als Aufseher aller in Rom und seiner Umgebung betriebenen Ausgrabungen, so erhä lt man eine Vorstellung davon, wieviel der Menschheit durch den frü hen Tod dieses Riesen der Renaissance auf ewig verloren gegangen ist. Erst 37 Jahre alt war Raffael, als er einem heftigen Fieber erlag, das er sich wahrscheinlich bei Ausgrabungen zugezogen hatte.

Raffaels „Sixtinische Madonna". Dieses Gemä lde ist die hö chste kü nstlerische Leistung Raffaels. Sieben Jahre vor seinem Tod malte Raffael im Jahre 1513 dieses Bild fü r den Hochaltar der Kirche San Sisto in Piacenta, einem kleinen Provinzkloster der sogenannten „schwarzen Mö nche". Es witd angenommen, dass der berü hmte, von den groß en Fü rsten der Hö fe und der Kirche anerkannte Kü nstler dieses Gemä lde nicht fü r die armen Mö nche, sondern fü r das Grabmal des Papstes Julius II. malen sollte.

Die Aufkä ufer des sä chsischen Kurfü rsten und Kö nigs von Polen bemü hten sich lange, dieses kostbare Gemä lde fü r die Dresdener Gemä ldegalerie zu kaufen. Wahrscheinlich wä re ihnen das nie gelungen, wenn der Abt und das Kloster nicht durch Krieg und Miß ernte tief in Schulden geraten wä re. Darum baten sie Papst Benedict XIV. um Erlaubnis zum Verkauf der „Sixtinischen Madonna". 1754 konnte das Gemä lde nach Dresden geschafft werden. Auß er der Kaufsumme von 20 000 Zechinen verlangte, der Abt noch die Lieferung einer Kopie des Bildes an das Kloster.

Besucher aus vielen Lä ndern kamen eigens in die Gemä ldegalerie nach Dresden, um die „Sixtinische Madonna" anzusehen. Der Ruf von der Schö nheit des Gemä ldes verbreitete sich rasch in der ganzen Welt. Wä hrend des furchtbaren zweiten Weltkriegs kamen viele Gemä lde der Dresdener Gemä ldegalerie zu Schaden. Als einziges Gemä lde in einer Kiste verpackt, wartete die Madonna im feuchten Schacht des stillgelegten Kalkwerks Groß -Cotta bei Pirna auf ihre Rettung. Stunde um Stunde drang die Feuchtigkeit durch den Kalkstein und drohte die Madonna zu verderben.

Im Mai 1945 kamen die sowjetischen Truppen nach Dresden. Das 164. Bataillon der 5. sowjetischen Armee hatte den Auftrag erhalten, die Kunstschä tze zu suchen und zu retten. Wo ist die Madonna? Das war die erste Frage, und zum Glü ck gehö rte das herrliche Gemä lde zu den ersten, die gerettet werden konnten.

In ihrem Tagebuch aus jenen schrecklichen Tagen schildert die Kunstwissenschaftlerin Natalie Sokolowa, wie die Kiste mit der „Sixtinischen Madonna" aus der Grube geschafft und spä ter im Schloß Pillnitz geö ffnet wurde. „Soldaten und Kü nstler standen wie eine Ehrenwache am Sarg einer bedeutenden Persö nlichkeit. Einer von uns rief: „Die Mü tzen ab! ", und alle leisteten dem Befehl Folge. Wir standen wie gebannt. Das Herz schlug. Jemand flü sterte aufatmend: , Sie! ' Wir schwiegen, denn niemand fand Worte..."

Einen langen Weg muß te die Madonna zurü cklegen, bis sie im Jahre 1958 an ihre alte Heimstä tte zurü ckkehren konnte. Mit den anderen von der Sowjetarmee geretteten Kunstwerken kam sie in die Sowjetunion, wo sie gehegt und gepflegt wurde - so lange, bis die Regierung der Sowjetunion beschloß, die geretteten Kunstwerke dem deutschen Volk zu ü bergeben. Heute leuchtet die „Sixtinische Madonna" wieder wie die Sonne den Besuchern der Dresdener Galerie entgegen.

Da steht sie vor uns, wie eine Bä uerin ihr Knä blein auf dem Arm tragend, eine junge Mutter aus dem Volke. Statt schwerer Brokatgewä nder trä gt sie einen einfachen blauen Ü berwurf ü ber dem roten Gewand, ein leichter Schleier umflattert das Antlitz. Links unterhalb der Madonna blickt Papst Sixtus II., ein prä chtig gekleideter Mann, dem lieblichen Wesen entgegen. Dieser mä chtige Mann hat das Haupt entblö ß t. Ihm gegenü ber ist die heilige Barbara in die Knie gesunken. Am unteren Rande des Bildes lehnen zwei Engel. Man kö nnte meinen, zwei reizende kleine Menschenkinder blickten nachdenklich in die Hö he.

Aus den groß en dunklen Augen der Madonna leuchten Zä rtlichkeit und Gü te, ein kleines, beinahe schü chternes Lä cheln umspielt ihre geschlossenen Lippen. Das glatt zurü ckgestrichene Haar unterstreicht die Schlichtheit des anmutsvollen Ovals ihres Gesichtes. Das Knä blein auf ihrem Arm scheint ernst und traurig zu sein.

Schwer, fast zu schwer, scheint der Kö rper des Kindes auf den Armen der Madonna zu lasten; schwer lastet die Verantwortung fü r das Leben des Kindes auf, der Seele der Mutter. Aber diese Mutter kommt nicht, um uns zur Ergebenheit aufzufordern, nein, das schö ne Gesicht zeigt Stolz, Kraft und menschliche Wü rde.

Der russische Schriftsteller W.Weressajew schrieb am Abend seines ersten Besuches der Dresdener Galerie in sein Tagebuch, wie er von der Madonna entzü ckt war. „Plö tzlich erfaß te mich eine helle Freude und Stolz auf die Menschheit, der es gelungen war, Mü tterlichkeit in dieser Vollendung und Erhabenheit darzustellen. Sie war da. Und so lange sie da war, war das Leben schö n und lebenswert!

Buonarotti Michelangelo

 

Michelangelo (geboren 1475, gestorben 1564 in Rom und beigesetzt in Florenz) ist eines der grö ß ten kü nstlerischen Genies, weiche die Menschheit hervorgebracht hatte. Der Glanz seines Ruhms ist ü ber die ganze Welt verbreitet. Kein Land, kein Volk, das nicht Michelangelo kennt und schä tzt.

Als Dreizehnjä hriger kam er zu dem Maler Ghirlandaio in Florenz in die Lehre und erwarb sich spä ter in der berü hmten Akademie des Lorenzo de Medici die Schulung seines Geistes. 1496 weilte er zum ersten Male in Rom, der Stadt seines Schicksals.

Ein Jahr darauf erhielt er den Auftrag fü r die Pieta, die heute noch im St.-Peters-Dom zu sehen ist. Dieses erste groß e Werk war bereits der Wurf eines Meisters. Mit ihm vollzog sich der Ü bergang der Renaissanceplastik zur klassischen Reife. In diesem Werk zeigte Michelangelo seinen eigenen Stil, seine „Handschrift". Das war ein neues Wort in der Kunst, sowohl dem Inhalt als auch der Form nach.

Der Kü nstler gestaltete die Gottesmutter auf einem Stern am Fuß e des Kreuzes, den entblö ß ten Christus auf ihren Knien. Michelangelo lö ste sich von der traditionellen Deutung des Sujets, in dem er kü hn mit den festen Regeln der Ikonographie brach. An Stelle der traditionellen, gewö hnlich hoffnungslosen Verzweiflung drü ckt das Gesicht der Madonna Trauer und betrü bte Gedankenversunkenheit aus. Die Kostbarkeit des sorgsam polierten Marmors trä gt wie die Form zu einer Idealitä t der Erscheinung bei, die das religiö se Thema fast gä nzlich verdrä ngt.

Im Jahre 1504 wä hrend eines vorü bergehenden Aufenthaltes in Florenz vollendete der Bildhauer sein berü hmtes fü nf Meter hohes Marmorstandbild des David. Dieses Werk sollte spä ter Gegenstand Hunderter Forschungsarbeiten, Bü cher und Artikel werden. Ü ber drei Jahrhunderte stand der marmorne David auf dem Palazzo della Signoria, Florentiner und Besucher der Stadt begeisternd und erschü tternd. Erst 1873 wurde er ins Museum der Akademie ü berfü hrt.

Mit dem „David" lieferte Michelangelo ein glä nzendes Beispiel der Verschmelzung von idealer Schö nheit und menschlichem Charakter zu einem untrennbaren Ganzen. Michelangelo-Forscher, darunter auch sowjetische Wissenschaftler, weisen zu Recht darauf hin, dass die titanischen Dimensionen der Skulptur nicht so sehr von den ä uß eren Ausmaß en des „David" selbst herrü hren, sondern vielmehr durch die innere Grö ß e der Gestalt bedingt sind. Auch hier werden wir wiederum Zeugen des Bruchs mit der traditionellen Darstellungsweise. Michelangelos „David" verkö rpert die Kraft des freien Menschen, den keinerlei Schranken, keinerlei Schwierigkeiten und Gefahren zurü ckhalten kö nnen.

Doch zu ganzer Grö ß e entfaltete sich Michelangelo erst wieder in Rom. Im Jahre 1505 erhielt er vom Papst Julius II. den Auftrag fü r dessen Grabmal, das nie vollendet wurde. Fast gegen seinen Willen wurde er wä hrend der Arbeit daran zur Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle gezwungen. Auf jede Hilfe verzichtend, leistete er dort zur Verwirklichung seiner gigantischen kü nstlerischen Vorstellungen die Arbeit eines Titanen. In gewaltigen Visionen stellte er die Schö pfungsgeschichte dar. Die-Arbeit an den Deckenfresken dauerte von 1508 bis 1512. Unter dem Pinsel Michelangelos erhielt auch die biblische Schö pfungsgeschichte weltliche Tö ne.

Zwanzig Jahre spä ter malte Michelangelo an der Altarwand der gleichen Kapelle das Jü ngste Gericht. Es war wiederum eine ungeheure Arbeit, die ihn vier Jahre beschä ftigte; allein 343 Menschenfiguren gewannen Gestalt. Die gemalten Figuren sind herkulisch, sie leiten bereits zu den Ü bersteigerungen des Barock ü ber.

Mit den Malaufträ gen ü berlastet, hatte Michelangelo wenig Zeit fü r die Plastik. Vom Juliusgrabmal wurden nur die Sklaven, und selbst diese unvollendet, ausgefü hrt. Nur „Moses", eine urtü mliche, wie vom Zorne Gottes beseelte Gestalt, ist von den geplanten Figuren zur Vollendung gelangt und lä ß t die Grö ß e der kü nstlerischen Absicht ahnen.

1520 erhielt Michelangelo einen neuen Auftrag. Als Gedä chtnisstä tte fü r die Familie Medici sollte der Kü nstler in Florenz eine Kapelle schaffen, einen neuen Rundbau in der Kirche San Lorenzo. Die Arbeiten zogen sich von 1520 bis 1534 hin. Es entstand eine Einheit von Architektur und plastischem Werk, in die, neben den Figuren von zwei Medici, die auf den Grä bern ruhenden Allegorien der Tageszeiten sich harmonisch einordnen. Die Hauptidee dieses komplizierten, wundervollen Gesamtbildes ist die tragische Machtlosigkeit des Menschen vor der allmä chtigen Zeit. Unruhe und Aufregung sind in den Gestalten „Aurora", „Abend", „Tag" und „Nacht" verkö rpert. Das Gesamtbild in San Lorenzo wurde zu einer der schö nsten und ergreifendsten Schö pfungen von Michelangelo.

Im Jahre 1534 verließ Michelangelo Florenz wieder. Von den nun in Rom entstandenen Werken ist die „Pietà Rondanini" hervorzuheben, bei der die Gestalt des Christus nicht quer auf dem Schoß der Gottesmutter gelagert ist; sondern parallel zu ihrem Kö rper zu Boden sinkt. Das ist eines der letzten plastischen Werke des Kü nstlers, das unvollendet blieb. Beide Figuren, wie des Christus, so auch der Gottesmutter, sind durch besondere Vergeistigung und Seelenverwandtschaft gekennzeichnet.

Michelangelo war wie Raffael auch Baumeister. Unter seiner Leitung entstand das Treppenhaus der Bibliotheca Laurenziana in Florenz. Mit der von ihm geplanten Umgestaltung des Platzes auf dem Kapitolshü gel in Rom wurde Michelangelo zum Schö pfer der ersten vollkommen geschlossenen Platzanlage Europas. Von 1547 bis 1564 war er Bauleiter an der Peterskirche zu Rom. Die Westteile und die Kuppel gehen auf seinen Entwurf zurü ck. Im Unterschied zu der Irrationalitä t der Barockbaukunst waren die Bauwerke Michelangelos stets auf den Menschen bezogen und drü ckten an die menschliche Wirklichkeit gebundene Ideale aus. Deshalb bezeichnen auch seine Leistungen als Baumeister den Hö hepunkt der Renaissance.

Das erregendste Werk Michelangelos ist das „Jü ngste Gericht" in der Sixtinischen Kapelle. Unnachahmlich ist die grandiose Bewegung, mit der Christus, zornig und unversö hnlich, ü ber die Menschheit richtet. Es ist, als ginge hier Michelangelo mit seiner Zeit selbst ins Gericht. Dieser Mensch, der sich zu Savonarola bekannte, war ein glü hender Republikaner. Mö glich, dass dieses Werk ein Aufschrei gegen das Papsttum war. Mit seiner dramatischen Bewegtheit ist es wie ein Symbol fü r die Zeit, in der Michelangelo lebte.

Der pathetische Heroismus seiner Gestalten steht in voller Parallele zu seinem politischen Wirken als Republikaner, der seiner Gesinnung wegen in seiner persö nlichen Freiheit bedroht wurde und deshalb Florenz verlassen muß te. Von diesem demokratischen Geisi ist sein „David" getragen. Michelangelo zü rnte mit seinem „Moses" den Feinden des Volkes, und seine Bü ste „Brutus" verkö rperte die groß e Idee des Kampfes gegen Tyrannen. (Die Entstehung dieser Bü ste war mit der Ermordung des Tyrannen Alexander Medici verbunden.)

Die „Nacht" in der Kapelle der Medici wurde unter seiner Hand zum Symbol fü r das Schicksal Italiens. Was er angesichts dieser Plastik empfand, hat der Bildhauer selbst in Worten ausgedrü ckt, als er schrieb:

Lieb ist der Schlaf mir, Stein zu sein noch lieber;

Nicht sehn, nicht hö ren muß fü r Glü ck ich halten,

Solang Unheil und Schmack im Lande walten,

Drum weck mich nicht; sprich leis' und geh vorü ber.

In den Museen der Sowjetunion, in der Leningrader Ermitage und im Moskauer Puschkin-Museum, befinden sich eine Originalskulptur dieses genialen Meisters der „Hockende Knabe" und Abgü sse seiner wundervollen Werke „David", „Pietà ", „Moses", „Brutus" u. a.


Albrecht Dü rer

 

Im Jahre 1484 setzte sich ein dreizehnjä hriger Nü rnberger Knabe vor einen Spiegel, griff nach Zeichenblatt und Stift und versuchte, sich selbst zu zeichnen. Diese Zeichnung ist bis auf den heutigen Tag erhalten. Sie zeigt ein stilles, ernstes Kindergesicht auf schmalen Schultern und eine kleine, aus einem faltigen Jackenä rmel hervorlugende Hand. In der rechten Ecke lesen wir: „Das habe ich aus einem Spiegel nach mir selbst abgebildet im Jahre 1484, als ich noch ein Kind war." Und darunter steht der Name: Albrecht Dü rer.

Albrecht Dü rer wurde am 21. Mai 1471 in einem alten Nü rnberger Hause geboren. Er war das dritte von achtzehn Kindern. Sein Vater, ein aus Ungarn eingewanderter Goldschmied, hatte eine eigene Goldschmiedewerkstatt gegrü ndet. Die Goldschmiedekunst blü hte zu jener Zeit in Nü rnberg. Der Vater Albrecht Dü rers brauchte sich also nicht um den Absatz seiner kostbaren Silber- und Goldwaren zu sorgen. Die Pokale, das Geschirr und die Dosen, die in der Werkstatt des tü chtigen Meisters gefertigt wurden, sicherten der Familie einen bescheidenen Lebensunterhalt.

Die vä terliche Goldschmiedewerkstatt muß eine gute Schule-fü r den jungen Albrecht gewesen sein. Oft stand er neben dem Vater oder einem Gesellen und schaute ihnen bei der Arbeit zu.

Der junge Dü rer begann bald, mit Hammer und Feile die Arbeit seines Vaters nachzuahmen. Aber bald stellte es sich heraus, dass Albrecht am Zeichnen und Malen mehr Vergnü gen fand als am Hä mmern und Feilen. Eines Tages trat er vor den Vater und bat ihn, Maler werden zu dü rfen.

Die Kunst des Malers war zu jener Zeit ein Handwerk wie jedes andere. Die Kü nstler nannten sich auch Meister, sie besaß en eine eigene Werkstatt, in der Lehrbuben und Gesellen ihnen bei der Arbeit helfen muß ten, Kunstschulen oder Akademien gab es noch nicht. In der Werkstatt des Malers Michael Wohlgemuth, zwischen Farben- und Leimtö pfen und unter oft groben Worten und Stö ß en der Gesellen, lernte der Lehrbub Albrecht Dü rer die Malerkunst. Das war nicht so einfach, wie man es sich heute vorstellt. Denn zur Zeit Dü rers wurden die Kü nstlerfarben noch nicht in Glä sern oder Tuben malfertig im Handel angeboten. Die Maler muß ten sich ihre Farben selbst zubereiten. Sie rieben verschiedenfarbige gebrannte Erden zu feinstem Pulver und mischten sie mit bestimmten Bindemitteln, meist Ö len oder Harzen, aber auch Eigelb oder Quarklö sungen.

Der junge Dü rer lernte also, wie man Farben und Leime rieb und zubereitete, wie man die Bildtafeln grundierte und vergoldete, dazu alle jene Regeln und Kunstgriffe, die man beherrschen muß te, wenn man bei der Ausfü hrung der groß en Altarwerke, an denen Meister, Gesellen und Lehrlinge gemeinsam arbeiteten, mithelfen wollte.

Wie viel der junge Dü rer in der Lehrwerkstatt des Meisters gelernt hat, beweist er in einem Gemä lde, das er gleich nach Beendigung seiner dreijä hrigen Lehrzeit ausfü hrte. Es ist das Bildnis seines Vaters. Leider ist das in derselben Zeit entstandene Bildnis der Mutter verschollen.

Albrecht Dü rer hatte in der Werkstatt Wohlgemuths nicht nur gelernt, mit Farbe Bilder auf Holztafeln oder Leinwand zu malen. Gegen Ende seiner Lehrzeit lernte er auch, wie man Zeichnungen mit einem Schnittmesser in eine Holzplatte schneiden konnte, um diese dann wie einen Stempel einzufä rben und abzudrucken.

Im Mittelalter war es ü blich, dass die Handwerker nach der Lehrzeit in andere Stä dte und Lä nder wanderten. In der Fremde erfuhr der Geselle manches Neue und Wissenswerte. Er lernte bei fremden Meistern weiter, studierte ihre Werke und Arbeitsweise und gab auch in ihren Werkstä tten eine Probe seines eigenen Kö nnens.

Auch Albrecht Dü rer wanderte viel uhd besuchte die Werkstä tten berü hmter Meister. Er empfand deutlich, dass seine Kunst nur dann immer besser werden kö nne, wenn er die eigenen Leistungen mit fremden vergleiche.

Dü rer besuchte zweimal Italien, er war in der Schweiz und in den Niederlanden. In Italien lebten die in jener Zeit berü hmtesten Kü nstler. Sie schufen Werke von Vollkommenheit. Ihre Bildkompositionen waren grü ndlich und bis in alle Einzelheiten durchdacht. Deshalb entschloß sich Dü rer, nach Italien, nach Venedig, zu reisen. Eine Anzahl von Landschaftsbildern - meist Wasserfarbenmalereien (Aquarelle) - bezeichnen genau die Orte, an denen Dü rer auf seiner Reise nach Italien vorü bergehend Rast machte.

Aber der Meister hat in seinen Landschaften nicht nur die Natur gezeichnet. Sein Interesse an der Natur war viel umfassender. Durch seine Studien sehen wir die groß en und kleinen Dinge der Natur ganz neu, wir bewundern heute seine Landschaften, die Tier- und Pflanzendarstellungen und schä tzen sie sehr hoch.

Im Jahre 1494 kehrte er von seiner Wanderschaft heim und heiratete die Tochter eines Nü rnberger Kupferschmiedes, Agnes. Dü rers junge Frau war wohlhabend, und so konnte er sich eine eigene Werkstatt einrichten und seine Arbeit beginnen. Mit 27 Jahren schaute er abermals in den Spiegel, um ein Bild „nach seiner Gestalt" zu malen. Da sehen wir ihn als einen selbstbewuß ten jungen Meister, in der Tracht eines vornehmen Bü rgers. Zwei kü hle und zugleich trä umerische Augen blicken den Betrachter unverwandt an.

Dü rer hat uns mit diesem Gemä lde nicht nur eines seiner schö nsten Selbstbildnisse ü berliefert, die Bedeutung seines Bildes liegt tiefer. In den vorangegangenen Jahrhunderten hatten die Maler nicht daran gedacht, von sich selbst allein ein Bild zu malen. Sie begnü gten sich damit, irgendwelchen Personen, die auf ihren Bildern erschienen, ihre eigenen Gesichtszü ge zu geben Der Kü nstler „verbarg" also seine eigene Persö nlichkeit „hinter" irgendeiner im Bilde dargestellten Figur.

Dü rer zeigt sich der Welt als ein freier Mann. Er ist stolz auf das, was er kann und was er besitzt. Das ist neu und kü hn und zeugt von der vö llig verä nderten Stellung des Bü rgers in jener Zeit. Er unterwarf sich nicht bedingungslos der Macht der Kirche und der Fü rsten. Selbstbewuß t wü nschte er sein Bild der Nachwelt zu erhalten. Er betonte, „die Gestalt eines schon lä ngst Verstorbenen lebt durch die Malerei ein langes Leben".

In Dü rers Werken bewundern wir die Wirklichkeitsdarstellung; das war ein groß er Fortschritt in der Kunst. Das sehen wir in dem Holzschnitt „Ruhe auf der Flucht nach Ä gypten". Nicht in der Wü ste, wie es die Bibel erzä hlt, in einer deutschen Landschaft spielt die Szene. Besondere Freude hatte Dü rer an der Gestaltung des Hintergrundes, denn hier konnte er sein Kö nnen im Zeichnen der Perspektive zeigen. Nur wer die Perspektive beherrschte, konnte die Welt so zeichnen und malen, wie wir sie mit unseren Augen sehen und erleben. Dü rer hat die Holzschneidekunst nicht nur in seinen Lehr- und Wanderjahren, er hat sie sein ganzes Leben lang geü bt und darin eine Vollkommenheit erreicht, die bei keinem seiner Zeitgenossen zu finden ist. Dü rer war nicht nur ein Meister des Holzschnittes, sondern auch ein bedeutender Kupferstecher.

Zwei Jahre vor seinem Tode malte Dü rer das Bildnis des Patriziers Hieronymus Holzschuher. Das Bildnis des Nü rnberger Ratsherrn war eines der letzten groß en Kunstwerke, das er schuf.

In den nachfolgenden Jahren faß te er seine langjä hrigen Bemü hungen um die verschiedensten kü nstlerischen Probleme in Bü chern zusammen.

Dü rer hat sich nicht nur mit dem Problem der Perspektive, sondern auch mit den Proportionen des menschlichen Kö rpers beschä ftigt. Mit denselben Problemen befaß te sich in Italien der berü hmte Leonardo da Vinci.

Kunst und Wissenschaft waren fü r Dü rer zwei gleich wertvolle Mittel, die Welt zu erkennen und zu gestalten.

Das Leben Albrecht Dü rers war ausgefü llt mit unermü dlicher Arbeit, mit Zeichnen und Malen, mit dem Ausfü hren groß er Tafelbilder, mit dem Entwerfen unzä hliger Zeichnungen fü r Holzschnitt und Kupferstich.

 

Lesen Sie den Text ü ber das Leben von A.Dü rer mit der Zielsetzung, Renaissancezü ge in seinem Schaffen festzustellen. Merken Sie sich die grö ß ten Werke von Dü rer.

Albrecht Dü rer

(21.5.1471 in Nü rnberg - 6.4.1528 in Nü rnberg)

Albrecht Dü rer, der grö ß te deutsche Kü nstler, war der Sohn des angesehenen Goldschmieds Albrecht Dü rer, der aus Ungarn in die Niederlande «zu den groß en Kü nstlern» gezogen war, ehe er 1455 nach Nü rnberg kam. Dort heiratete er 1467 die 15jä hrige Tochter Barbara des Goldschmieds Hieronimus Holper, dessen Werkstatt er spä ter ü bernahm. Er rnuß ein sehr tü chtiger Mann gewesen sein, da ihn der Kaiser mit Aufträ gen bedachte. Seine Vorfahren stammten aus dem ungarischen Ort Ajtos; sie waren vermutlich deutscher Abstammung, wie das in jener Zeit bei den Handwerkerfamilien in Osten Europas die Regel war; auch der Groß vater Dü rers war schon Goldschmied gewesen. Da «ajto» auf deutsch «Tü r» bedeutet, sind offenbar davon Name und Wappen der Familie abgeleitet. Albrecht Dü rer kam als drittes von 18 Kindern zur Welt. Nachdem er bei seinem Vater das Goldschmiedehandwerk erlernt hatte, bedrä ngte er ihn so lange, bis er den 15jä hrigen am 30. November 1486 zu dem Nü rnberger Maler Michael Wolgemut in die Lehre gab. Dieser unterhielt eine riesige Werkstatt, in der groß e Flü gelaltä re mit Schnitzwerk und Tafelbildern hergestellt wurden. Aber wichtiger fü r Dü rers Entwicklung war der Umstand, daß in Wolgemuts Werkstatt - in der auch dessen Stiefsohn, der Maler Wilhelm Pleydenwurrf, arbeitet - unter anderem die zahllosen Holzschnittillustrationen zum «Schatzbehalter» von 1491 und zur «Weltchronik» des Hartmann Schedel von 1493 angefertigt wurden. Diese Bü cher erschienen bei dem berü hmten Buchdrucker Anton Koberger, der Albrecht Dü rers Taufpate war. Die Werkstatt Wolgemuts, in der Dü rer etwas ü ber drei Jahre lang seine Unterweisung als Maler empfing, stand ganz unter dem Einfluß der altniederlä ndischen Kunst. Als Dü rer 13 Jahre alt war, setzte er sich vor den Spiegel und zeichnete sein Gesicht. Daß die Kü nstler Porträ ts und gar noch Selbstbildnisse schufen, war in Deutschland am Ende des 15. Jahrhunderts etwas vö llig Ungewohntes. Noch immer war das ganze Leben beherrscht von Denken und Empfinden des Mittelalters.

1494 heiratete er die Tochter Agnes des angesehenen Hans Frey, mit der er in kinderloser Ehe lebte.

Wenige Wochen nach der Hochzeit war in Nü rnberg die Pest ausgebrochen, die zur Zeit ihres schlimmsten Wü tens tä glich ü ber 100 Tote forderte. Alle «Ehrbaren» flohen, und auch Dü rer brach im Herbst 1494 nach Venedig auf; es ist ü beraus bedeutsam, daß er nicht mehr, wie die Kü nstler der vorausgegangenen Generation, in die Niederlande gezogen war. Auf dieser Reise kam es zu seiner ersten bedeutsamen Begegnung mit der klassischen Kunst des Sü dens. Nun werden auch fü r Dü rer der nackte Mensch und die perspektivische Raumdarstellung zu entscheidenden Problemen seines Schaffens. Als er im spä ten Frü hjahr 1495 zurü ckkam, brachte er seine berü hmten Landschaftsaquarelle mit - hö chst geniale Zeugnisse eines ganz unmittelalterlichen Lebensgefü hls; sie leiten einen neuen Entwicklungsabschnitt in der europä ischen Kunst ein. Nach seiner Rü ckkehr erö ffnete er 1495 in Nü rnberg eine eigene Werkstatt. Schon 1498 erschien seine monumentale Holzschnittfolge der Apokalypse, die einen groß artigen Abschluß der mittelalterlichen deutschen Kunst bedeutet. Ü ber Nacht wurde Dü rer weltberü hmt. Er stand nur in enger Verbindung mit den Nü rnberger Humanisten, besonders mit Willibald Pirckheimer, der ihm vor allem die geistige Welt der Antike erschloß und lebenslang Freundschaft bewahrte.

Im April 1500 tauchte in Nü rnberg der venezianische Maler copo de' Barbari auf. Dieser zeigte Dü rer italienische Proportionsstudien. Dü rer beschä ftigte sich seitdem sein ganzes Leben lang mit diesem Problem und fü hrte unzä hlige Messungen an nackten Kö rpern aus; er war ü berzeugt, daß man das Schö ne an sich im Sinne Platos finden und geradezu in einer mathematischen Formel erfassen kö nne.

Dü rer hatte in seiner Spä tzeit eine umfassende Kenntnis der italienischen Kunst- und Proportionslehren. In vieler Hinsicht ist er geradezu der Vollender aller Versuche und Ansä tze der groß en italienischen Kunsttheoretiker, wie etwa Vitruv, Alberti und Leonardo da Vinci. Das erste Ergebnis dieser Studien war der berü hmte Stich Adam und Eva von 1504; wenige Jahre spä ter entstanden die zwei groß en Tafelbilder des ersten Elternpaares: Adam (Madrid) und Eva (Madrid) von 1507. Seine gesamten Erkenntnisse legte er in seiner «Proportionslehre» nieder, die erstmals in seinem Todesjahr 1528 gedruckt wurde. Als im Spä tsommer 1505 wieder die Pest in Nü rnberg wü tete, reiste Dü rer erneut nach Venedig. Ü ber seinen Aufenthalt geben besonders die zehn erhaltenen ausfü hrlichen Briefe an Pirckheimer Aufschluß. Im Auftrag der deutschen Kaufleute malte er 1506 das Rosenkranzfest, eines seiner Hauptwerke, in dem er alle gotische Enge ü berwand. Mit diesem Bild wollte er den Venezianern beweisen, daß er nicht nur ein bedeutender Graphiker, sondern auch ein groß er Maler sei. Man war in Venedig von seinem Werk tatsä chlich so beeindruckt, daß ihm diese an groß en Malern so reiche Stadt ein Jahresgeld anbot, falls er dort bleiben wolle. Er selbst bewunderte am meisten die Kunst Giovanni Bellinis. Zum erstenmal ü berkam ihn das Gefü hl der bedrü ckenden Enge seiner Vaterstadt entflohen zu sein: «Hier bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer», steht im letzten Brief an Pirckheimer. Auf dieser Reise machte er einen Abstecher nach Bologna und vielleicht auch nach Mailand.

Nach dieser zweiten Begegnung mit der Kunst des Sü dens zeigt seine Kunst ein deutliches Streben nach groß er, klarer Form und bewegtem Ausdruck. Dü rer fü hlte sich nun als Maler, er ü bernahm grö ß ere Altaraufträ ge: Er schuf den Heller-Altar 1508-1509, das Allerheiligenbild 1511. Da er mit der Malerei aber nicht auf seine Kosten kam, wandte er sich ab 1510 entschiedener der Graphik zu. 1511 gab er die Holzschnittfolgen der Groß en Passion, des 1504 begonnenen Marienlebens und der Kleinen Passion sowie erneut die Apokalypse heraus. Diese etwa 90, teilweise sehr groß en Blä tter mü ssen in ihrer Gesamheit einen ü berwä ltigenden Eindruck auf die Zeitgenossen gemacht haben.

Die Jahre 1512 bis 1519 wurden weitgehend durch die Arbeiten fü r Kaiser Maximilian in Anspruch genommen. Dazwischen entstanden 1513-1514 seine Meisterstiche Ritter, Tod und Teufel, Der heilige Hieronymus im Gehä us und Melancholie, die einen absoluten Hö hepunkt aller graphischen Kunst bedeuten. Gleichzeitig machte er Radierversuche mit der kalten Nadel und geä tzten Eisenplatten.

In den letzten Lebensjahren befaß te sich Dü rer auch noch ausfü hrlich mit der Fertigstellung und Redaktion seiner theoretischen Schriften. Er wollte ein umfassendes Werk ü ber die Malerei herausgeben. 1525 verö ffentlichte er eine «Unterweisung der Messung», ein Lehrbuch der angewandten Geometrie und Perspektive. 1527 erschien sein Werk ü ber die «Befestigungen». In seinem Todesjahr 1528 wurde sein Hauptwerk ü ber die «Proportionen des Menschen» gedruckt, ein Thema, mit dem er sich seit 1500 unausgesetzt beschä ftigt hatte.

Schon im Tagebuch der niederlä ndischen Reise spricht Dü rer von einem Fieber, das ihn in Zeeland ü berfallen hatte. Wahrscheinlich holte er sich damals bereits den Todeskeim. Der Meister starb am 6. April 1528 und wurde in der Gruft seiner Schwiegereltern auf dem Johannesfriedhof in Nü rnberg begrafen.

Die auß ergewö hnliche Wirkung seiner Kunst grü ndet sich vor allem auf die Einzigartigkeit seiner Graphik. Seine etwa 350 Holzschnitte sowie 100 Kupferstiche und Radierungen sind in ihrer kü nstlerischen und technischen Vollkommenheit niemals ü bertoffen worden. Durch ihre weite Verbreitung schon zu Lebzeiten des Meisters ging von ihnen eine so nachhaltige stilbildende Kraft aus, daß man das ganze Zeitalter einfach als «Dü rerzeit» bezeichnen kann. Nicht weniger wichtig sind seine mehr als 1000 erhaltenen Zeichnungen, die zum kostbarsten Besitz der ganzen abendlä ndischen Kunst gehö ren. Die etwa 125 bekannten Gemä lde treten dagegen scheinbar in den Hintergrund. Er gebrauchte die Farbe, je nach der Technik, sehr verschieden; aber nie wich er ganz von der Eigenfarbe der Dinge ab. Viele seiner Hauptwerke gehö ren so zu den entscheidenden Malwerken der Zeit. Gewiß ist er nicht in erster Linie Kolorist wie Grü newald, bei dem die Farbe nicht selten die Herrschaft an sich reiß t, aber schon seine frü hen Landschaftsaquarelle wie etwa das Tal von Kalchreuth, sind reine Schö pfungen aus Licht und Farbe. Ü ber viele seiner Bilder, vor allem ü ber das Rosenkranzfest von 1506 breitet sich ein malerischer Gesamtton, der die sprö de Dinglichkeit des Einzelnen in der Pracht einer alles umschliß enden Farbigkeit aufgehen lä ß t. So sind auch die zwei groß en, viel zuwenig bekannten Bildtafeln Adam und Eva (Madrid) von 1507 weitgehend aus der Farbe entwickelt. Die vom Licht ü berspielten Kö rper sind mit allerfeinsten Valeurs in kü hleren und wä rmeren Tö nen modeliert. Auch die Vier Apostel von 1526 sind vor allen Dingen ein Stü ck allerkostbarster Malerei. Ihre ü berwä ltigende Wirkung geht vor allem von der Farbe aus, die ü ber die sinnliche Erscheinung hinaus durch ihren geradezu symbolhaftsittlichen Charakter wirkt.

Nicht weniger genial als mit der Apokalypse in der Graphik kü ndigt sich Dü rer in der Malerei durch jene Handvoll Aquarelle an, die er von seiner ersten italienischen Reise 1495 nach Hause brachte, und andere, die im Anschluß daran in Nü rnberg entstanden sind. Es handelt sich nicht nur um genaue topographische Aufnahmen; vielmehr wurden die Einzelheiten der Natur, Berg und Wald und Fluß, nun zum erstenmal zu einer neuen Einheit, einer «Landschaft», zusammengesehen. Dü rer eilte damit der gesamten Entwicklung voraus; er wurde zum Schö pfer einer neuen Bildgattung. Dabei setzte er sich 1494-1495 in Arbeiten wie der verschollenen Ansicht von Trient, die sich ehemals in Bremen befand, mit Problemen der Freilichtmalerei auseinander, wie sie in dieser Weise erst wieder im 19. Jahrhundert aufgegriffen wurden.

Das machtvolle Bildnis Friedrich der Weise (Berlin), in dem ebenfalls deutlich venezianische Vorstellungen nachwirken, entstand wohl wä hrend eines kurzen Aufenthaltes des Kurfü rsten von Sachsen im April 1496 in Nü rnberg. Gleichzeitig wird damals der Kurfü rst den Auftrag zu dem Dresdner Altar mit der anbetenden Maria auf dem Mittelteil und den Heiligen Antonius und Sebastian auf den Flü geln gegeben haben. Dü rer malte auf dü nne Leinwand mit Temperafarben, die gegen die aufwendigere Ö lmalerei kü hl und mager wirken. Der Altar ist nach schweren Beschä digungen im Zweiten Weltkrieg wieder vorzü glich hergestellt worden. Deutlich sind, besonders im Mittelbild, italienische Anregungen, nä mlich von Mantegna und Donatello, verarbeitet. Die Seitenteile erinnern, besonders durch die Engel zu Hä upten der Heiligen, an die Flü gel gotisher Schnitzaltä re. Um so seltsamer erscheint der kü hle, leere Raum, der auf dem Mittelbild den «flachen Schrein» mit der anbetenden Maria «gewaltsam» durchbricht. Der kü hn gemeinte Wurf mit den neuerworbenen perspektivischen Kü nsten zerstö rt die Einheit des Bildes, denn Figur und Raum stehen unverbunden, wenn nicht gar abweisend nebeneinander. 1498 enstand sein Selbstbildnis.

Der Kü nstler steht in elegantester Modetracht nun selbstbewuß t der Welt gegenü ber. Die makellos erhaltene, ü beraus geistvoll «aufgebaute» Bildtafel, zeigt Dü rer als den selbstsicheren Schö pfer der machtvollen Holzschnitte der Apokalypse, die ihn zum fü hrenden Meister des Nordens machten. Dü rer tritt hier als glä nzender Vertreter eines neuen, unmittelalterlichen Lebensgefü hles auf, bei dem der Mensch nun selbstverantwortlich und kritisch der Welt gegenü bersteht. Es scheint, daß ihm dieses glanzvolle Madrider Selbstbildnis eine ganze Reihe von Aufträ gen einbrachte. Von grö ß ter Bedeutung fü r das Schaffen des Meisters ist das in jeder Beziehung so grundsä tzlich andere, berü hmte Mü nchner Selbstbildnis von 1500. Die ganz unberü hrt erhaltene Bildtafel zeigt den Meister in strenger symmetrischer Vorderansicht und in einer Idealisierung, die eine Erinnerung an frü he Christusdarstellungen wachruft.

In den Jahren um 1500 malte Dü rer seine reichste und reifste Beweinung Christi (Mü nchen) fü r den Nü rnberger Goldschmied Glimm.

Die dichte Figurengruppe mit dem ü berlang proportionierten Leichnam Christi erinnert in ihrem pathetischen, ein wenig starren Ausdruck noch deutlich an die Holzschnitte der 1498 erschienen Apokalypse. Dahinter baut sich eine reiche, seltsam ferne Landschaft auf.

Der Paumgartner-Alter, dessen Datierung zwischen 1498 und 1504 schwankt, entstand vielleicht als Gedä chtnisstiftung fü r den 1503 verstorbenen Nü rnberger Patrizier Martin Paumgartner: Seine Sö hne Stephan und Lukas sind nach glaubwü rdiger Ü berlieferung in den zwei ritterlichen Heiligen Georg und Eustachius auf den Flü geln dargestellt. Wä hrend diese zwei Gestalten einfach und groß erfasst sind, behaupten sich die Figuren des farbenfroh gemalten Mittelstü ckes nur schwer gegen das ü bermä chtige Geschiebe der Ruinenarchitektur, die in aufdringlicher Zentralperspektive mit ü bertriebener Tiefenflucht gegeben ist.

Wä hrend des Aufenthaltes in Venedig entstand 1506 als Hauptwerk im Auftrag der deutschen Handelsherren fü r deren Kirche S.Bartolomeo die Altartafel mit dem Rosenkranzfest. An der reichen Tafel arbeitete er nur fü nf Monate. Das ü beraus festliche, leider aber beschä digte Bild, das einst der leidenschaftliche Dü rer - Vereher Kaiser Rudolf II auf Mä nnerschultern ü ber die Alpen tragen ließ, lä ß t in den erhaltenen Teilen auch heute noch erkennen, daß es den Hö hepunkt der Malerei Dü rers darstellt.

Die Farben sind einer auß erordentlichen, sonoren Schö nheit, dabei von einer unitalienischen Kraft und emailartigen Durchsichtigkeit. Friedrich Winkler sagt mit Recht von dem malerischen Vortrag des Bildes, er sei «nicht von Geheimnissen umwittert, er ist einfachjubilierend, ja triumphal, jauchzend vor Entdeckerfreude». Der Kult der Rosenkranzverehrung war schon im 15. Jahrhundert besonders von den Dominikanern sehr gefö rdert worden.

Auf Dü rers Tafel sitzt in einer mä rchenhaften Frü hlingslandschaft Maria vor einem Baldachin, assistiert von dem stehenden heiligen Dominikus. Anbetend kniet vor ihr die gesamte Christenheit, vertreten durch die einzelnen Stä nde - Ritter, Kaufleute, Bü rger und Handwerker; ihre Spitze bildet Kaiser Maximilian I, dem Maria eigenhä ndig den Rosenkranz aufsetzt, zur Linken Papst Julius II., dem sich das Jesuskind zuwendet. Dü rer selbst erscheint rechts vor dem Baum stehend neben dem berü hmten Humanisten Peutinger, der ihm vielleicht den Auftrag vermittelt hatte. Das streng im Sinne der Hochrenaissance gebaute Bild ist von einem unerhö rten Reichtum kostbarster Einzelheiten, besonders an herrlich bewegten Hä nden und Charakterkö pfen. Alle Teile hatte Dü rer in hö chst sorgfä ltigen Pinselzeichnungen vorbereitet, von denen noch 22 erhalten sind. Sie gehö ren zu den grö ß ten Meisterwerken seiner Kunst.

Das Allerheiligenbild von 1511 war die Stiftung des reichen Nü rnberger Patriziers Matthias Landauer fü r das Zwö lfbrü derhaus, ein Spital alter Mitbü rger; der Bildtafel geht ein einfacherer Entwurf von 1508 voraus, der auch schon den reichgeschnitzten Rahmen einbezieht, dessen Original sich in Nü rnberg befindet. Ü ber einer anscheinend unü bersehbaren, frei ü ber einer weiten Landschaft schwebenden Menge, welche die ganze Menschheit nach Stä nden darstellt, erscheint die Heiligste Dreifaltigkeit; sie wird von allen Heiligen und Vertretern des Alten Bundes umgeben, die rechts von Johannes, Moses und David, auf der anderen Seite von Maria angefü hrt werden. Neben dem Papst wendet sich unten der Kardinal dem greisen Stifter zu; an der unteren rechten Ecke steht der Maler selbst neben einer Schrifttafel. Die vorderen Rü ckenfiguren und die Lü cke zwichen ihnen ziehen machtvoll den frommen Betrachter in den Kreis der Anbetenden so ein, daß dieser die Versammlung erst, gleichsam nach vorne zu abschließ t.

Die Farben sind von strahlender Pracht, die durch das Gold prunkvoll gesteigert werden. Es ist allerfeinste, miniaturartige Malerei, die aber trotz aller Einlä ß lichkeit dem Vorwurf nichts von seiner Grö ß e nimmt.

1518 entstand in leuchtender Farbigkeit und Pracht die Betende Мaria (Вегlin) und vor allem die viel zu wenig beachtete Lucretia, die sich durch eine erlesene Farbigkeit auszeichnet und Dü rers gewandelte Vorstellung des weiblichen Aktes belegt; auf diesem Bild ist der obere, dunklere Teil des Schamtuches von einer spä teren Hand hinzugefü gt, was dem kö stlichen Werk viel von seiner Formenspannug nimmt.

Auf der niederlä ndischen Reise entstand 1521 der Heilige Hieronymus (Lissabon), zu dem es zwei unbeschreiblich schö ne Vorstudien in Berlin und Wien gibt. Daneben haben sich drei gemalte Bildnisse erhalten, darunter das eines jungen Mannes, der lange Zeit als Bernhart van Orley galt, in dem man neuerdings aber Bernhart van Resten zu erkennen glaubt. Die weiche, malerische Behandlung des Gesichtes und die herrliche Feinmalerei des Pelzes beweisen, daß die Berü hrung mit den groß en Meisterwerken der altniederlä ndischen Malerei nicht ohne Einfluß blieb und den Maler zu Hö chstleistungen anspornte.

Auch in Dü rers letzten Jahren entstand eine Fü lle auß erordentlich bedeutender Porträ tbilder, ernste " altdeutsche" Kö pfe, darunter 1524 Willibald Pirckheimer (Madrid), sowie Hieronymus Holzschuher (Berlin), Jacob Muffel (Berlin) und Johann Kleberger (Wien). Alle werden von dem ungebrochenen Selbstbewuß tsein getragen, mit dem der europä ische Mensch in die Neuzeit eintritt. Das Hauptwerk am Ende seines Lebens, als geistiges Vermä chtnis ebenso einzigartig wie als Kunstwerk, sind seine Vier Apostel von 1526. In den Auseinandersetzungen der Reformation stellte sich Dü rer, im Gegensatz zu seinem Freund Pirckheimer, mit dem Rat der Stadt auf die Seite Luthers. In diesen unruhigen Tagen tauchten in Nü rnberg radikale religiö se Schwä rmer auf. Seine eigenen Schü ler Barthel und Sebald Beham sowie sein «Malknecht» Jö rg Pencz offenbarten vor Gericht eine so extrem atheistische und rein anarchisch-kommunistische Gesinnung; daß sie 1524 aus der Stadt verwiesen werden muß ten; dort weilte zur selben Zeit Thomas Mü nzer, der Aufwiegler der Bauern. Die chaotische Unruhe dieser Tage und vor allem dieser Prozeß gegen die «gottlosen Maler» muß Dü rer tief erschü ttert haben. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse malte er die vier lebensgroß en Gestalten seiner Glaubenshelden, die allgemein als die Vier Apostel bezeichnet werden, obwohl Markus kein Apostel gewesen war. Dü rer ü bergab die zwei Tafeln als feierliches Vermä chtnis dem Rat seiner Vaterstadt. In der von Neudö rfer aufgemalten Unterschrift warnt er vor den «falschen Lehrern und Propheten unter dem Volk»; er ermahnt die Mitbü rger, «nicht einem jeglichen Geist» zu glauben, «sondern die Geister zu prü fen, ob sie von Gott sind».

Zahlreiche vorbereitende Arbeiten lassen erkennen, daß Dü rer die bedeutungsvolle Bildidee lange ausgetragen hat. Geistigkeit und Form dieser Gestalten sind so verdichtet, daß sie die Rahmen zu sprengen drohen. Alles ist auf stä rkste Gegensä tze abgestellt, nicht nur in Form und Farbe, sondern vor allem auch in den Charakteren, die man deswegen als die «Vier Temperamente» zu deuten versucht hat. Wenn diese Erklä rung, die auf Neudö rfer zurü ckgeht, zutrifft, dann wä re Johannes, dessen Kopf nicht zufä llig an den Melanchthons erinnert, der Sanguiniker - der ruhig lesende Petrus der Phlegmatiker - Paulus der Melancholiker - und Markus, mit rollenden Augen, gä be den cholerischen Typus ab. Dü rer ging es aber gewiß nicht um eine menschliche Klassifizierung, sondern hö chstens um eine markante Unterscheidung der Gottesmä nner. Das brennende Rot und glü hende Gold des verhä ltnismä ß ig flach gemalten Mantels des Johannes stellt er dem unfarbigen Gewand des Paulus gegenü ber. Dü rer erreichte hier eine letztmö gliche Steigerung seiner Form, nicht zuletzt auch wegen der fast mittelalterlichen Symbolkraft, die sich die Farbe bewahrt hat. Um die ganze Grö ß e und die tiefe Geistigkeit dieser Glaubenheroen sichtbar zu machen, bediente sich Dü rer der mä chtigen Ausdruckskraft der Gewandfigur, die eigentlich ein Erbe des Nordens ist und hier nochmals zu bedeutendster, fast sakraler Wirkung kommt. Zugleich gibt er das Bild des vor Gott und der Welt selbstverantwortlichen Menschen vö llig im Sinne der Renaissance. Dü rers ganzes Streben war darauf gerichtet, in seiner Kunst die tiefen Gehalte seines nordischen Erbteils mit einer groß en antikisch-sü dlichen Form in einer schö pferischen Synthese zu verbinden. Nicht selten spü rt man dabei das Gegeneinander der wirkenden Krä fte. Seine besten Werke aber wie die «Vier Apostel», erheben sich beispielhaft aus nationaler Beschrä nkheit fü r alle Zeiten zu abendlä ndischem Rang.

Aus Kindlers Malerei - Lexikon dtv Mü nchen 1976

 

3.2. In welchen Gattungen der Kunst war Dü rer besonders produktiv? Fü hren Sie dazu als Beispiel die Bilder an.

3.3 Sehr bekannt ist das Bild von A.Dü rer «Rosenkranzfest» (1506). Hier ist die Bildbeschreibung:

«Rosenkranzfest» 1506

Es wurde nach der Bestellung der deutschen Kaufleute in Venedig gemalt.

Dü rer legte auf dieses Gemä lde besonderen Wert, er wollte hier in Venedig, dem Zentrum einer hervorragenden Malerschule, beweisen, daß er nicht nur ein ausgezeichneter Graphiker, sondern auch ein guterMaler war, und zwar ein deutscher Maler. Das gelang ihm auf glä nzende Weise.

Dü rers Tafel stellt eine Rosenkranz - Laienbruderschaft dar. Es handelt sich um ein religiö ses Thema, das in einem Bild die irdische Welt mit der ü berirdischen verbindet.

Alle Teilnehmer an der Feier sind damals lebende Persö nlichkeiten. Unter ihnen sind Papst Julius II., Kaiser Maximilian I. und Dü rer selbst. Neben dem Thron der Madonna knien sowohl deutsche Kaufleute als auch Italiener. Sie gruppieren sich um die beiden Hä upter der christlichen Welt, um Papst Julius II., der links neben der Madonna, und um Kaiser Maximilian I., der rechts kniet.

Die einzelnen Figuren gehö ren zu seinen besten Porträ ts, sie sind groß zü gig aufgefaß t, erfü llt von tiefer Menschlichkeit, das Ganze ist ein imposantes Gruppenporträ t, eine der groß en kü nstlerischen Leistungen nicht nur der deutschen Kunst. Die Szene spielt in einer Landschaft, die mit italienischen Landschaften nichts gemein hat. Es ist ein breites Alpental, von einem Fluß durchströ mt, mit einer Stadt am Fuß e hoher Berge. Die Erinnerung an Dü rers Reise ü ber die Alpen ist offenkundig. Die Madonna dagegen ist typisch dü rerisch. In dem Farbenakkord von Violett, Rot und Blau spü rt man den Einfluß der venezianischen Malerei. Diesen Einfluß sieht man auch in der Komposition des Bildes. Fü r die zentrale Gruppe der Madonna, des Papstes und des Kaisers verwendete er das beliebte Renaissanceschema eines Dreiecks. Es handelt sich jedoch auf keinen Fall um eine Nachahmung italienischer Gemä lde. Dü rers Tafel ist ein deutsches Bild.

In dem Gemä lde herrscht Ordnung und heitere Stimmung, der Mensch befindet sich in vollkommener Harmonie mit der herrlichen Frü hlingslandschaft, also mit dieser irdischen Welt und der Welt Gottes, reprä sentiert durch die Madonna, das Jesuskind und die Engelchen. So stellt sich uns Dü rersreifer Humanismus dar, die wirkliche deutsche Renaissance. Dü rer legte alles in dieses Bild, was damals den Stolz der deutschen Kunst ausmachte. Und das Gemä lde ist tatsä chlich der Hö hepunkt der damaligen deutschen Malerei. Es besitzt ein herrliches, leuchtendes und blendendes Kolorit, eine wunderbare prä zise Zeichnung, vollendete Wiedergabe der verschiedenen Stoffe, glä nzende Charakteristik der porträ tierten Figuren, eine tiefe geistige Wahrhaftigkeit. Auß erdem legte er in das Bild sein Entzü cken ü ber die Reise und die Natur in den Alpen, ü ber Venedig und seine gesamte schö pferische Kraft und sein Selbstbewuß tsein.

3.5. Versuchen Sie das Bild «Rosenkranzfest» zu beschreiben. Halten Sie sich dabei an die Schwerpunkte aus Aufgabe 2.1.

3.6. «Hieronymus im Gehä us» 1514

Dieser Kupferstich ist einer von den drei berü hmten Meisterstichen Dü rers, die 1513-1514 entstanden.

Dargestellt ist ein Kirchenheiliger, der die Bibel aus dem griechischen Urtext ins Lateinische ü bersetzt und ganz allgemein die menschliche Gelehrsamkeit versinnbildlicht. Dü rer setzt ihn in ein Zimmer, wie es in den bü rgerlichen Wohnhä usern des 16. Jahrhunderts allgemein anzutreffen war. Der Lö we, der neben einem kleinen schlafenden Hund im Vordergrund am Boden liegt, soll darauf hindeuten, daß der Heilige in der Einsamkeit der Wü ste gelebt hat. Es sind auch viele Dinge zu sehen, die wir zum Teil kaum noch kennen; links die Fensterbank, darunter eine Truhe, darauf Bü cher und Kissen, auf dem Fensterbrett ein Totenkopf, auf dem Tisch ein kleines Schreibpult, an der Wand im Hintergrund ein groß er Hut, wie er zur Kleidung kirchlicher Wü rdenträ ger gehö rt, links daneben eine Sanduhr. Unter der Decke hä ngt ein Kü rbis. Die Schuhe links unter der Bank tragen dazu bei, hä usliche Geborgenheit zu zeigen. Ganz wundervoll ist das Licht dagestellt, das durch die Butzenscheiben der Fenster in den Raum fä llt.

Das Besondere an dem Bild ist, wie in ihm das Dunkle nicht einfach dunkel ist und das Helle nicht nur hell wirkt. Licht, Schatten und das Farbige der Wirklichkeit sind in feinste Grauabstufungen umgesetzt worden.

3.7. Lesen Sie den Text: «Venezianische Versuchung»:

Dü rer legte den Pinsel aus der Hand und trat von der Staffelei zurü ck. Er betrachtete sein Werk nachdenklich. Dann lä chelte er ein wenig, nickte der jungen Frau zu, die in der Nä he des geö ffneten Atelierfensters stand und bat sie, vor dem Gemä lde Platz zu nehmen. Dü rer blieb hinter ihrem Stuhl stehen und sah ihr Gesicht nur auf der Leinwand.

«Habe ich recht? » fragte er nach einer Minute des Schweigens. «Seid Ihr das, Donna Borsiere? »

Sie blieb stumm.

«Freut Ihr Euch? »

«Ich bin sehr glü cklich.»

Ein Ahnungsloser hä tte in den beiden wohl gestalteten Menschen mit Vergnü gen die ungleichen Hä lften eines Ganzen gesehen - am letzten aber in ihm einen landfremden Maler und in ihr eine Vertreterin seiner reichen, venezianischen Kundschaft.


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