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Seid ihr miteinander verwandt?»



Erstes Kapitel

 

Seebü hl am Bü hlsee – Kinderheime sind wie Bienenstö cke – Ein Autobus mit zwanzig Neuen – Locken und Zö pfe – Darf ein Kind dem anderen die Nase abbeiß en? – Der englische Kö nig und sein astrologischer Zwilling – Ü ber die Schwierigkeit, Lachfä ltchen zu kriegen

1      Kennt ihr eigentlich (собственно говоря) Seebü hl? Das Gebirgsdorf (горную деревню; das Gebirge – горы, горная местность) Seebü hl? Seebü hl am Bü hlsee (на озере Бюль, на Бюльзее; der See – озеро)? Nein? Nicht? Merkwü rdig (странно) – keiner, den man fragt, kennt Seebü hl! Womö glich gehö rt (возможно, относится) Seebü hl am Bü hlsee zu den Ortschaften (к тем населенным пунктам), die ausgerechnet (как раз) nur jene (те) Leute kennen, die man nicht fragt? Wundern wü rde mich’s nicht (это бы меня не удивило). So etwas gibt’s (такое бывает).

2     Nun, wenn ihr Seebü hl am Bü hlsee nicht kennt, kö nnt ihr natü rlich auch das Kinderheim (детский дом /отдыха/) in Seebü hl am Bü hlsee nicht kennen, das bekannte Ferienheim fü r kleine Mä dchen. Aber es macht nichts (но не беда). Kinderheime ä hneln einander (похожи друг на друга) wie Vierpfundbrote (как двухкилограммовые: «четырехфунтовые» буханки хлеба) oder Hundsveilchen (собачьи фиалки); wer eines kennt, kennt sie alle. Und wer an ihnen vorü berspaziert (мимо них прогуливается, проходит), kö nnte (мог бы) denken, es seien riesengroß e Bienenstö cke (что это громадные пчелиные ульи; die Biene – пчела). Es summt (жужжит) von Gelä chter, Geschrei (от смеха, крика), Getuschel (шушуканья; tuscheln – шушукаться, шептаться) und Gekicher (и хихиканья; kichern – хихикать). Solche Ferienheime sind Bienenstö cke des Kinderglü cks und Frohsinns (радости: der Frohsinn). Und so viele es geben mag (и сколько бы их не было: «могло быть»), wird es doch nie genug davon geben kö nnen (их никогда не будет достаточно).

3     Freilich (правда, однако) abends, da setzt sich zuweilen (подчас) der graue Zwerg (серый гном) Heimweh (тоски по дому: die Heimweh) an die Betten im Schlafsaal, zieht sein graues Rechenheft (счетную тетрадь) und den grauen Bleistift aus der Tasche und zä hlt ernsten Gesichts (с серьезным лицом: das Gesicht) die Kinderträ nen (детские слезы; die Tr ä ne) ringsum (вокруг) zusammen (zusammenz ä hlen – подсчитывать), die geweinten und die ungeweinten (выплаканные и невыплаканные; weinen – плакать).

4     Aber am Morgen ist er, hast du nicht gesehen, verschwunden (исчез: verschwinden)! Dann klappern (стучат) die Milchtassen, dann plappern die kleinen Mä uler (болтают маленькие мордочки: das Maul) wieder um die Wette (наперебой: «наперегонки»). Dann rennen wieder die Bademä tze (der Matz – малыш) rudelweise (стаями; das Rudel – стая, стадо) in den kü hlen, flaschengrü nen See hinein, planschen (плещутся, шлепают по воде), kreischen (визжат), jauchzen (вскрикивают), krä hen (кричат: «кукарекают»), schwimmen oder tun doch wenigstens (делают хотя бы, по меньшей мере вид), als schwö mmen sie (как будто плавают: schwimmen).

5     So ist’s auch in Seebü hl am Bü hlsee, wo die Geschichte anfä ngt, die ich euch erzä hlen will. Eine etwas verzwickte Geschichte (несколько запутанная история). Und ihr werdet manchmal hö llisch aufpassen mü ssen (вам придется подчас быть предельно: «адски» внимательными; die Hö lle – ад), damit ihr alles haargenau und grü ndlich (точнейше: «точно до волосинки» и основательно) versteht. Zu Beginn geht es allerdings noch ganz gemü tlich zu (в начале все еще будет происходить, однако, совершенно спокойно: «душевно, уютно»). Verwickelt (запутанным) wird’s erst in den spä teren Kapiteln. Verwickelt und ziemlich spannend (напряженно, увлекательно).

6     Vorlä ufig (пока, временно) baden sie alle im See, und am wildesten treibt es, wie immer, ein kleines neunjä hriges Mä dchen, das den Kopf voller Locken und Einfä lle hat (у которой голова вся в локонах и полна придумок, идей; einfallen – приходить на ум; der Einfall – идея) und Luise heiß t, Luise Palfy. Aus Wien.

7     Da ertö nt (звучит) vom Hause her ein Gongschlag (удар в гонг). Noch einer und ein dritter. Die Kinder und die Helferinnen, die noch baden, klettern ans Ufer (карабкаются, забираются на берег).

8     «Der Gong gilt fü r alle (обязателен: «действителен» для всех = это сигнал для всех, без исключений)! » ruft Frä ulein Ulrike. «Sogar fü r Luise! »

9     «Ich komme ja schon! » schreit Luise. «Ein alter Mann ist doch kein Schnellzug! » Und dann kommt sie tatsä chlich.

10   Frä ulein Ulrike treibt ihre schnatternde Herde (неугомонное: «гогочущее, болтающее» стадо) vollzä hlig (в полном составе; die Zahl – число) in den Stall (в хлев), ach nein, ins Haus. Zwö lf Uhr, auf den Punkt (ровно), wird zu Mittag gegessen. Und dann wird neugierig auf den Nachmittag gelauert (поджидают /с нетерпением/: lauern – поджидать, подкарауливать). Warum?

11   Am Nachmittag werden zwanzig «Neue» erwartet (ждут новичков). Zwanzig kleine Mä dchen aus Sü ddeutschland. Werden ein paar Zieraffen (несколько франтих, недотрог; zieren – украшать; sich zieren – жеманиться, церемониться; der Affe – обезьяна) dabei (среди них: «при них») sein? Ein paar Klatschbasen (сплетниц, болтушек; klatschen – хлопать, шлепать; сплетничать, судачить; die Base – кузина; кумушка)? Womö glich uralte (древние) Damen von dreizehn oder gar vierzehn Jahren? Werden sie interessante Spielsachen mitbringen? Hoffentlich (будем надеяться, хорошо бы) ist ein groß er Gummiball drunter (резиновый мяч среди них)! Trudes Ball hat keine Luft mehr. Und Brigitte rü ckt ihren nicht heraus (не дает: «не выкладывает»; rü cken – двигать). Sie hat ihn im Schrank eingeschlossen (заперла: einschließ en). Ganz fest. Damit ihm nichts passiert. Das gibt’s auch.

1      Kennt ihr eigentlich Seebü hl? Das Gebirgsdorf Seebü hl? Seebü hl am Bü hlsee? Nein? Nicht? Merkwü rdig – keiner, den man fragt, kennt Seebü hl! Womö glich gehö rt Seebü hl am Bü hlsee zu den Ortschaften, die ausgerechnet nur jene Leute kennen, die man nicht fragt? Wundern wü rde mich’s nicht. So etwas gibt’s.

2      Nun, wenn ihr Seebü hl am Bü hlsee nicht kennt, kö nnt ihr natü rlich auch das Kinderheim in Seebü hl am Bü hlsee nicht kennen, das bekannte Ferienheim fü r kleine Mä dchen. Aber es macht nichts. Kinderheime ä hneln einander wie Vierpfundbrote oder Hundsveilchen; wer eines kennt, kennt sie alle. Und wer an ihnen vorü berspaziert, kö nnte denken, es seien riesengroß e Bienenstö cke. Es summt von Gelä chter, Geschrei, Getuschel und Gekicher. Solche Ferienheime sind Bienenstö cke des Kinderglü cks und Frohsinns. Und so viele es geben mag, wird es doch nie genug davon geben kö nnen.

3      Freilich abends, da setzt sich zuweilen der graue Zwerg Heimweh an die Betten im Schlafsaal, zieht sein graues Rechenheft und den grauen Bleistift aus der Tasche und zä hlt ernsten Gesichts die Kinderträ nen ringsum zusammen, die geweinten und die ungeweinten.

4      Aber am Morgen ist er, hast du nicht gesehen, verschwunden! Dann klappern die Milchtassen, dann plappern die kleinen Mä uler wieder um die Wette. Dann rennen wieder die Bademä tze rudelweise in den kü hlen, flaschengrü nen See hinein, planschen, kreischen, jauchzen, krä hen, schwimmen oder tun doch wenigstens, als schwö mmen sie.

5      So ist’s auch in Seebü hl am Bü hlsee, wo die Geschichte anfä ngt, die ich euch erzä hlen will. Eine etwas verzwickte Geschichte. Und ihr werdet manchmal hö llisch aufpassen mü ssen, damit ihr alles haargenau und grü ndlich versteht. Zu Beginn geht es allerdings noch ganz gemü tlich zu. Verwickelt wird’s erst in den spä teren Kapiteln. Verwickelt und ziemlich spannend.

6      Vorlä ufig baden sie alle im See, und am wildesten treibt es, wie immer, ein kleines neunjä hriges Mä dchen, das den Kopf voller Locken und Einfä lle hat und Luise heiß t, Luise Palfy. Aus Wien.

7      Da ertö nt vom Hause her ein Gongschlag. Noch einer und ein dritter. Die Kinder und die Helferinnen, die noch baden, klettern ans Ufer.

8      «Der Gong gilt fü r alle! » ruft Frä ulein Ulrike. «Sogar fü r Luise! »

9      «Ich komme ja schon! » schreit Luise. «Ein alter Mann ist doch kein Schnellzug! » Und dann kommt sie tatsä chlich.

10    Frä ulein Ulrike treibt ihre schnatternde Herde vollzä hlig in den Stall, ach nein, ins Haus. Zwö lf Uhr, auf den Punkt, wird zu Mittag gegessen. Und dann wird neugierig auf den Nachmittag gelauert. Warum?

11    Am Nachmittag werden zwanzig «Neue» erwartet. Zwanzig kleine Mä dchen aus Sü ddeutschland. Werden ein paar Zieraffen dabei sein? Ein paar Klatschbasen? Womö glich uralte Damen von dreizehn oder gar vierzehn Jahren? Werden sie interessante Spielsachen mitbringen? Hoffentlich ist ein groß er Gummiball drunter! Trudes Ball hat keine Luft mehr. Und Brigitte rü ckt ihren nicht heraus. Sie hat ihn im Schrank eingeschlossen. Ganz fest. Damit ihm nichts passiert. Das gibt’s auch.

1      Nun, am Nachmittag stehen also Luise, Trude, Brigitte und die anderen Kinder an dem groß en, weitgeö ffneten eisernen Tor (у широко открытых железных ворот: das Tor) und warten gespannt (c интересом, нетерпением: «напряженно»; spannen – натягивать, напрягать) auf den Autobus, der die Neuen von der nä chsten Bahnstation abholen (забрать, привезти) soll. Wenn der Zug pü nktlich eingetroffen ist (прибыл вовремя), mü ssten sie eigentlich (они бы, собственно, /уже/ должны)...

2     Da hupt es (гудит /клаксон/)! «Sie kommen! » Der Omnibus rollt (катится) die Straß e entlang, biegt vorsichtig in die Einfahrt (сворачивает осторожно в ворота: «въезд») und hä lt. Der Chauffeur steigt aus und hebt (поднимает) fleiß ig ein kleines Mä dchen nach dem anderen aus dem Wagen. Doch nicht nur Mä dchen, sondern auch Koffer und Taschen und Puppen und Kö rbe (корзины; der Korb) und Tü ten (свертки, пакеты) und Stoffhunde (плюшевые собаки; der Stoff – ткань, матери я) und Roller (самокаты: der Roller) und Schirmchen und Thermosflaschen und Regenmä ntel und Rucksä cke und gerollte Wolldecken (скатанные шерстяные одеяла: die Wolle + die Decke) und Bilderbü cher und Botanisiertrommeln (жестяные коробочки для гербариев: botanisieren – собирать гербарий + die Trommel – барабан) und Schmetterlingsnetze (сачки для бабочек: der Schmetterling – бабочка + das Netz – сеть), eine kunterbunte Fracht (пестрый, разнообразный, беспорядочный груз).

3     Zum Schluss taucht, mit seinen Habseligkeiten (со своими вещами, пожитками), im Rahmen der Wagentü r das zwanzigste Mä dchen auf (появляется: auftauchen; tauchen – нырять). Ein ernst dreinschauendes Ding (серьезно смотрящее /на всех, на все/ существо). Der Chauffeur streckt bereitwillig (охотно, с готовностью) die Arme hoch (протягивает вверх: hochstrecken).

4     Die Kleine schü ttelt den Kopf (качает /отрицательно/ головой), dass beide Zö pfe schlenkern (косы болтаются: der Zopf). «Danke nein (спасибо, нет)! » sagt sie hö flich und bestimmt (категорично, уверенно; bestimmen – определять; решать) und klettert (карабкается, лезет), ruhig und sicher, das Trittbrett herab (с подножки вниз = слезает с подножки). Unten blickt sie verlegen lä chelnd (смущенно улыбаясь) in die Runde (/оглядывается/ вокруг). Plö tzlich macht sie groß e, erstaunte Augen. Sie starrt Luise an (уставилась, глазеет; starr – неподвижный; пристальный; окоченевший; жесткий)! Nun reiß t auch Luise die Augen auf (широко раскрывает: «распахивает» глаза; reiß en – рвать). Erschrocken blickt sie der Neuen ins Gesicht!

5     Die anderen Kinder und Frä ulein Ulrike schauen perplex (сбитые с толку; perplé x) von einer zur anderen. Der Chauffeur schiebt die Mü tze nach hinten (сдвигает шапку назад), kratzt sich am Kopf (чешет затылок) und kriegt den Mund nicht wieder zu (не может, не в состоянии снова закрыть рот). Weswegen denn (почему же)?

6     Luise und die Neue sehen einander zum Verwechseln ä hnlich (похожи до того, что можно спутать; verwechseln – спутать)! Zwar (правда), eine hat lange Locken (локоны: die Locke) und die andere streng geflochtene Zö pfe (аккуратно: «строго» заплетенные; flechten – плести) – aber das ist auch wirklich der einzige Unterschied (это единственное отличие)!

7     Da dreht sich Luise um und rennt, als werde sie von Lö wen und Tigern verfolgt (как будто ее предследуют), in den Garten.

8     «Luise! » ruft Frä ulein Ulrike. «Luise! » Dann zuckt sie die Achseln (пожимает плечами) und bringt erst einmal die zwanzig Neulinge ins Haus. Als Letzte, zö gernd (медля, нерешительно) und unendlich verwundert (бесконечно = крайне удивленная), spaziert das kleine Zopfmä dchen.

 

1      Nun, am Nachmittag stehen also Luise, Trude, Brigitte und die anderen Kinder an dem groß en, weitgeö ffneten eisernen Tor und warten gespannt auf den Autobus, der die Neuen von der nä chsten Bahnstation abholen soll. Wenn der Zug pü nktlich eingetroffen ist, mü ssten sie eigentlich...

2      Da hupt es! «Sie kommen! » Der Omnibus rollt die Straß e entlang, biegt vorsichtig in die Einfahrt und hä lt. Der Chauffeur steigt aus und hebt fleiß ig ein kleines Mä dchen nach dem anderen aus dem Wagen. Doch nicht nur Mä dchen, sondern auch Koffer und Taschen und Puppen und Kö rbe und Tü ten und Stoffhunde und Roller und Schirmchen und Thermosflaschen und Regenmä ntel und Rucksä cke und gerollte Wolldecken und Bilderbü cher und Botanisiertrommeln und Schmetterlingsnetze, eine kunterbunte Fracht.

3      Zum Schluss taucht, mit seinen Habseligkeiten, im Rahmen der Wagentü r das zwanzigste Mä dchen auf. Ein ernst dreinschauendes Ding. Der Chauffeur streckt bereitwillig die Arme hoch.

4      Die Kleine schü ttelt den Kopf, dass beide Zö pfe schlenkern. «Danke nein! » sagt sie hö flich und bestimmt und klettert, ruhig und sicher, das Trittbrett herab. Unten blickt sie verlegen lä chelnd in die Runde. Plö tzlich macht sie groß e, erstaunte Augen. Sie starrt Luise an! Nun reiß t auch Luise die Augen auf. Erschrocken blickt sie der Neuen ins Gesicht!

5      Die anderen Kinder und Frä ulein Ulrike schauen perplex von einer zur anderen. Der Chauffeur schiebt die Mü tze nach hinten, kratzt sich am Kopf und kriegt den Mund nicht wieder zu. Weswegen denn?

6      Luise und die Neue sehen einander zum Verwechseln ä hnlich! Zwar, eine hat lange Locken und die andere streng geflochtene Zö pfe – aber das ist auch wirklich der einzige Unterschied!

7      Da dreht sich Luise um und rennt, als werde sie von Lö wen und Tigern verfolgt, in den Garten.

8      «Luise! » ruft Frä ulein Ulrike. «Luise! » Dann zuckt sie die Achseln und bringt erst einmal die zwanzig Neulinge ins Haus. Als Letzte, zö gernd und unendlich verwundert, spaziert das kleine Zopfmä dchen.

1      Frau Muthesius, die Leiterin (руководительница; leiten – вести; руководить) des Kinderheims, sitzt im Bü ro und berä t (обсуждает, советуется: beraten) mit der alten, resoluten (решительной, самоуверенной) Kö chin den Speisezettel (меню: die Speise – пища + der Zettel – записка) fü r die nä chsten Tage.

2     Da klopft es. Frä ulein Ulrike tritt ein (входит: eintreten) und meldet (докладывает), dass die Neuen gesund, munter (бодрые; gesund und munter – в добром здравии) und vollzä hlig eingetroffen seien (прибыли: eintreffen).

3     «Freut mich (это меня радует). Danke schö n! »

4     «Dann wä re noch eins (еще кое-что /я хотела бы сообщить/)...»

5     «Ja? » Die vielbeschä ftigte Heimleiterin blickt kurz hoch (на короткое время поднимает глаза, голову).

6     «Es handelt sich um (речь идет о...; handeln – действовать) Luise Palfy», beginnt Frä ulein Ulrike nicht ohne Zö gern. «Sie wartet drauß en vor der Tü r...»

7     «Herein mit der Fratz (давайте-ка сюда эту баловницу)! » Frau Muthesius muss lä cheln. «Was hat sie denn wieder ausgefressen (что она натворила на сей раз)? »

8     «Diesmal nichts», sagt die Helferin. «Es ist bloß...»

Sie ö ffnet behutsam die Tü r und ruft: «Kommt herein, ihr beiden (входите обе)! Nur keine Angst (только не бойтесь)! »

9     Nun treten die zwei kleinen Mä dchen ins Zimmer. Weit voneinander entfernt bleiben sie stehen.

10   «Da brat mir einer einen Storch (пусть тут кто-нибудь зажарит мне аиста = ну и ну, ну и дела)! » murmelt (бормочет) die Kö chin.

11   Wä hrend Frau Muthesius erstaunt auf die Kinder schaut, sagt Frä ulein Ulrike: «Die Neue heiß t Lotte Kö rner und kommt aus Mü nchen.»

12   «Seid ihr miteinander verwandt (вы родственники: «родственны друг с другом»)? »

13   Die zwei Mä dchen schü tteln unmerklich (незаметно; merken – замечать), aber ü berzeugt (убежденно) die Kö pfe.

14   «Sie haben einander bis zum heutigen Tage noch nie gesehen! » meint Frä ulein Ulrike. «Seltsam (странно), nicht? »

15   «Wieso seltsam? » fragt die Kö chin. «Wie kö nnen’s einander denn g’sehn ham (= Wie kö nnen sie einander denn gesehn haben)? Wo doch die eine aus Mü nchen stammt (родом из: «происходит из» Мюнхена) und die andere aus Wien? »

16   Frau Muthesius sagt freundlich: «Zwei Mä dchen, die einander so ä hnlich schauen, werden sicher gute Freundinnen werden. Steht nicht so fremd beieinand’ (= beieinander), Kinder! Kommt, gebt euch die Hand! »

17   «Nein! » ruft Luise und verschrä nkt die Arme hinter dem Rü cken (складывает руки за спиной: der Rü cken).

18   Frau Muthesius zuckt die Achseln, denkt nach und sagt abschließ end (в заключение; abschließ en – завершать): «Ihr kö nnt gehen.»

19   Luise rennt zur Tü r, reiß t sie auf und stü rmt hinaus (выскакивает наружу). Lotte macht einen Knicks (книксен /поклон с приседанием/) und will langsam das Zimmer verlassen.

20   «Noch einen Augenblick (еще минуточку: «мгновение»), Lottchen», meint die Leiterin. Sie schlä gt ein groß es Buch auf (раскрывает: aufschlagen). «Ich kann gleich deinen Namen eintragen (внести, вписать). Und wann und wo du geboren bist. Und wie deine Eltern heiß en.»

21   «Ich hab nur noch eine Mutti», flü stert Lotte.

22   Frau Muthesius taucht den Federhalter ins Tintenfass (макает ручку в чернильницу: die Tinte – чернила + das Fass – бочка).

23   «Zuerst also den Geburtstag! »

 

1      Frau Muthesius, die Leiterin des Kinderheims, sitzt im Bü ro und berä t mit der alten, resoluten Kö chin den Speisezettel fü r die nä chsten Tage.

Da klopft es. Frä ulein Ulrike tritt ein und meldet, dass die Neuen gesund, munter und vollzä hlig eingetroffen seien.

2      «Freut mich. Danke schö n! »

3      «Dann wä re noch eins...»

4      «Ja? » Die vielbeschä ftigte Heimleiterin blickt kurz hoch.

5      «Es handelt sich um Luise Palfy», beginnt Frä ulein Ulrike nicht ohne Zö gern. «Sie wartet drauß en vor der Tü r...»

6      «Herein mit der Fratz! » Frau Muthesius muss lä cheln. «Was hat sie denn wieder ausgefressen? »

7      «Diesmal nichts», sagt die Helferin. «Es ist bloß...»

8      Sie ö ffnet behutsam die Tü r und ruft: «Kommt herein, ihr beiden! Nur keine Angst! »

9      Nun treten die zwei kleinen Mä dchen ins Zimmer. Weit voneinander entfernt bleiben sie stehen.

10    «Da brat mir einer einen Storch! » murmelt die Kö chin.

11    Wä hrend Frau Muthesius erstaunt auf die Kinder schaut, sagt Frä ulein Ulrike: «Die Neue heiß t Lotte Kö rner und kommt aus Mü nchen.»

Keine Widerrede, ja? »

Zweites Kapitel

 

Vom Unterschied zwischen Waffenstillstand und Frieden – Der Waschsaal als Frisiersalon – Das doppelte Lottchen – Trude kriegt eine Ohrfeige – Der Fotograf Eipeldauer und die Fö rstersfrau – Meine Mutti, unsere Mutti – Sogar Frä ulein Ulrike hat etwas geahnt

1      Besaß (имело ли: besitzen – владеть, обладать) der Waffenstillstand (перемирие; die Waffe – оружие) zwischen den zweien Wert (ценность, значение: der Wert) und Dauer (продолжительность: die Dauer) = (соблюдалось ли на самом деле)? Obwohl er ohne Verhandlungen (хотя оно без переговоров) und Worte (и речей) geschlossen worden war (было заключено: schließ en)? Ich mö cht’s schon glauben (думаю, да: «хотел бы это уж полагать»). Aber vom Waffenstillstand zum Frieden (до /полного/ мира: der Frieden) ist ein weiter Weg. Auch bei Kindern. Oder (или как /вы думаете/)?

2     Sie wagten einander nicht anzusehen, als sie am nä chsten Morgen aufwachten (проснулись), als sie dann in ihren weiß en langen Nachthemden in den Waschsaal liefen, als sie sich, Schrank an Schrank (шкаф возле шкафа = у соседних шкафчиков), anzogen (одевались: sich anziehen), als sie Stuhl an Stuhl, beim Milchfrü hstü ck saß en, und auch nicht, als sie nebeneinander, Lieder singend, am See entlangliefen und spä ter mit den Helferinnen Reigen tanzten (водили хоровод: der Reigen) und Blumenkrä nze flochten. Ein einziges Mal kreuzten sich ihre raschen, huschenden Blicke (скрестились = встретились их быстрые, скользящие /украдкой/ взгляды; huschen – промелькнуть, проскользнуть), doch dann waren sie auch schon wieder erschrocken (испуганно) voneinander weggeglitten (соскользнули: weggleiten; gleiten – скользить).

 

1      Besaß der Waffenstillstand zwischen den zweien Wert und Dauer? Obwohl er ohne Verhandlungen und Worte geschlossen worden war? Ich mö cht’s schon glauben. Aber vom Waffenstillstand zum Frieden ist ein weiter Weg. Auch bei Kindern. Oder?

2      Sie wagten einander nicht anzusehen, als sie am nä chsten Morgen aufwachten, als sie dann in ihren weiß en langen Nachthemden in den Waschsaal liefen, als sie sich, Schrank an Schrank, anzogen, als sie Stuhl an Stuhl, beim Milchfrü hstü ck saß en, und auch nicht, als sie nebeneinander, Lieder singend, am See entlangliefen und spä ter mit den Helferinnen Reigen tanzten und Blumenkrä nze flochten. Ein einziges Mal kreuzten sich ihre raschen, huschenden Blicke, doch dann waren sie auch schon wieder erschrocken voneinander weggeglitten.

1      Jetzt sitzt Frä ulein Ulrike in der Wiese (на лугу) und liest einen wunderbaren Roman, in dem auf jeder Seite von Liebe die Rede ist. Manchmal lä sst sie das Buch sinken und denkt versonnen (мечтательно; sinnen – размышлять, быть погруженным в мысли о чем-то; мечтать, стремиться к чему-либо) an Herrn Rademacher, den Diplomingenieur, der bei ihrer Tante zur Untermiete wohnt (снимает жилье; die Miete – аренда; die Untermiete – субаренда): Rudolf heiß t er. Ach Rudolf!

2     Luise spielt indessen (тем временем) mit ihren Freundinnen Vö lkerball (в вышибалы). Aber sie ist nicht recht bei der Sache (но она не может как следует сосредоточиться, она рассеянна: «не при деле»). Oft schaut sie sich um (осматривается, оглядывается), als suche sie jemanden (как будто ищет кого-то) und kö nne ihn nicht finden.

3     Trude fragt: «Wann beiß t du denn nun endlich der Neuen die Nase ab, hm? »

4     «Sei nicht so blö d (не будь так глупа)! » sagt Luise.

5     Christine blickt sie ü berrascht an (смотрит на нее удивленно, пораженно; ü berraschen – поражать /о чем-то неожиданном/). «Nanu (ну и ну)! Ich denk, du hast eine Wut auf sie (я думаю, ты злишься на нее: die Wut – гнев, ярость)? »

6     «Ich kann doch nicht jedem, auf den ich eine Wut habe, die Nase abbeiß en», erklä rt Luise kü hl (спокойно, холодно: «прохладно»). Und sie setzt hinzu (добавляет: hinzusetzen): «Auß erdem hab ich gar keine Wut auf sie.»

7     «Aber gestern hattest du doch welche (но вчера у тебя же была /ярость/)! » beharrt Steffie.

8     «Und was fü r eine Wut! » ergä nzt Monika. «Beim Abendbrot hast du sie unterm Tisch so gegens Schienbein getreten, dass sie beinahe gebrü llt hä tte (что она чуть не заревела)! »

9     «Na also (ну и вот, ну так /что же/)», stellt Trude mit sichtlicher Genugtuung fest (констатирует с видимым удовлетворением).

10   Luises Gefieder strä ubt sich (оперение вздымается, топорщится; das Gefieder; die Feder – перо). «Wenn ihr nicht gleich aufhö rt», ruft sie zornig (гневно; der Zorn – гнев), «kriegt ihr eins vors Schienen (тогда вы /сами/ получите по голени)! » Damit wendet sie sich um (при этом она поворачивается) und rauscht davon (уносится, убегает /демонстративно, с шумом/; rauschen – шелестеть).

11   «Die weiß nicht, was sie will», meint Christine und zuckt die Achseln.

 

1      Jetzt sitzt Frä ulein Ulrike in der Wiese und liest einen wunderbaren Roman, in dem auf jeder Seite von Liebe die Rede ist. Manchmal lä sst sie das Buch sinken und denkt versonnen an Herrn Rademacher, den Diplomingenieur, der bei ihrer Tante zur Untermiete wohnt: Rudolf heiß t er. Ach Rudolf!

2      Luise spielt indessen mit ihren Freundinnen Vö lkerball. Aber sie ist nicht recht bei der Sache. Oft schaut sie sich um, als suche sie jemanden und kö nne ihn nicht finden.

3      Trude fragt: «Wann beiß t du denn nun endlich der Neuen die Nase ab, hm? »

4      «Sei nicht so blö d! » sagt Luise.

5      Christine blickt sie ü berrascht an. «Nanu! Ich denk, du hast eine Wut auf sie? »

6      «Ich kann doch nicht jedem, auf den ich eine Wut habe, die Nase abbeiß en», erklä rt Luise kü hl. Und sie setzt hinzu: «Auß erdem hab ich gar keine Wut auf sie.»

7      «Aber gestern hattest du doch welche! » beharrt Steffie.

8      «Und was fü r eine Wut! » ergä nzt Monika. «Beim Abendbrot hast du sie unterm Tisch so gegens Schienbein getreten, dass sie beinahe gebrü llt hä tte! »

Nichts.»

       «Nichts? »

12    «Nichts! » Falls Sie den Mund nicht halten sollten, schneide ich Ihnen die Ohren ab, meine Liebe.»

13    «Aber...»

14    «Kein Aber! Die Kinder ahnen nichts. Sie haben sich vorhin fotografieren lassen und werden die Bildchen heimschicken. Wenn sich die Fä den hierdurch entwirren, gut! Doch Sie und ich, wir wollen uns hü ten, Schicksal zu spielen. Ich danke Ihnen fü r Ihre Einsicht, meine Liebe. Und jetzt schicken Sie mir, bitte, die Kö chin.»

15    Frä ulein Ulrike macht kein sonderlich geistreiches Gesicht, als sie das Bü ro verlä sst. Ü brigens wä re das bei ihr auch etwas vö llig Neues.

Drittes Kapitel

 

Neue Kontinente werden entdeckt – Rä tsel ü ber Rä tsel – Der entzweigeteilte Vorname – Eine ernste Fotografie und ein lustiger Brief – Steffies Eltern lassen sich scheiden – Darf man Kinder halbieren?

1     Die Zeit vergeht (проходит). Sie weiß es nicht besser (ничего лучше не может придумать, по-другому не умеет).

2     Haben die zwei kleinen Mä dchen ihre Fotos beim Herrn Eipeldauer im Dorf abgeholt (забрали)? Lä ngst (давно /уже/)! Hat sich Frä ulein Ulrike neugierig erkundigt (с любопытством осведомилась), ob sie die Fotos nach Haus geschickt hä tten? Lä ngst! Haben Luise und Lotte mit den Kö pfchen genickt und ja gesagt? Lä ngst!

3     Und ebenso lange (столь же давно) liegen dieselben Fotos, in lauter kleine Fetzen zerpflü ckt (разорванные на мелкие клочья: «в совершенно, в сплошные маленькие клочья»: der Fetzen – лоскут, клочок), auf dem Grunde (на дне: der Grund) des flaschengrü nen Bü hlsees bei Seebü hl. Die Kinder haben Frä ulein Ulrike angelogen (солгали: lü gen)! Sie wollen ihr Geheimnis fü r sich behalten! Wollen es zu zweit (вдвоем = для себя двоих) verbergen (спрятать, утаить) und, vielleicht, zu zweit enthü llen (разоблачить, открыть; die Hü lle – оболочка)! Und wer ihren Heimlichkeiten zu nahe kommt (кто слишком близко подойдет, приблизится к их секретам, к вещам, которые они утаивают; heimlich – тайно), wird rü cksichtslos beschwindelt (тот будет бесцеремонно, беспощадно обманут; die Rü cksicht – внимани е, уважение, « оглядка » на кого - либо; auf jemanden Rü cksicht nehmen – считаться с кем - либо; der Schwindel – обман, надувательство). Es geht nicht anders (иначе невозможно). Nicht einmal Lottchen hat Gewissensbisse (даже у Лоттхен нет угрызений совести: das Gewissen – совесть + der Biss – укус; beiß en – кусать). Das will viel heiß en (а это о многом говорит: «это хочет много значить»).

4     Die beiden hä ngen neuerdings wie die Kletten zusammen (теперь неразлучны: die Klette – репейник). Trude, Steffie, Monika, Christine und die anderen sind manchmal bö se auf Luise, eifersü chtig auf Lotte (ревнуют; die Eifersucht – ревность). Was hilft’s (ну и какой от этого прок)? Gar nichts hilft es (вовсе никакого)! Wo mö gen sie jetzt wieder stecken (куда они теперь снова запропастились: «где могут торчать»)?

5     Sie stecken im Schrankzimmer. Lotte holt zwei gleiche Schü rzen aus ihrem Schrank, gibt der Schwester eine davon und sagt, wä hrend sie sich die andere umbindet (повязывает): «Die Schü rzen hat Mutti beim Oberpollinger gekauft.»

6     «Aha», meint Luise, «das ist das Kaufhaus auf der Neuhauser Straß e, beim... wie heiß t das Tor (ворота)? »

7     «Karlstor.»

8     «Richtig, beim Karlstor! »

9     Sie wissen wechselweise schon recht gut Bescheid (уже довольно подробно, хорошо обменялись информацией; wechseln – менять; wechselweise – « способом обмена », взаимно, обоюдно; Bescheid wissen – знать толк, быть в курсе дела; der Bescheid – информация, справка) ü ber die Lebensgewohnheiten (о жизненных привычках: die Gewohnheit; sich an etwas gewö hnen – привыкать к чему - либо), ü ber die Schulkameradinnen (о товарищах по школе, о школьных подружках), die Nachbarn (соседях: der Nachbar), die Lehrerinnen und Wohnungen der anderen! Fü r Luise ist ja alles, was mit der Mutter zusammenhä ngt (cвязано), so ungeheuer wichtig (так ужасно важно)! Und Lotte verzehrt sich (поглощена: «изнуряет себя, стремится изо всех сил»; verzehren – съедать, поглощать), alles, aber auch alles (ну совершенно всё) ü ber den Vater zu erfahren, was die Schwester weiß! Tag fü r Tag (день за днем) sprechen sie von nichts anderem. Und noch abends flü stern sie stundenlang in ihren Betten. Jede entdeckt (открывает) einen anderen, einen neuen Kontinent. Das, was bis jetzt von ihrem Kinderhimmel umspannt wurde (было окаймлено, ограничено; spannen – натягивать), war ja, wie sich plö tzlich herausgestellt hat (неожиданно выяснилось), nur die eine Hä lfte (половина) ihrer Welt!

10   Und wenn sie wirklich einmal nicht damit beschä ftigt sind (заняты), voller Eifer («с полным рвением») diese beiden Hä lften aneinanderzufü gen (присоединять, приставлять друг к другу), um das Ganze zu ü berschauen (чтобы осмотреть все в целом: «осмотреть целое», охватить взглядом), erregt sie (возбуждает = волнует) ein anderes Thema, plagt sie (мучит) ein anderes Geheimnis: Warum sind die Eltern nicht mehr zusammen?

11   «Erst haben sie natü rlich geheiratet», erklä rt Luise zum hundertsten Male. «Dann haben sie zwei kleine Mä dchen gekriegt. Und weil Mutti Luiselotte heiß t, haben sie das eine Kind Luise und das andere Lotte getauft (окрестили). Das ist doch sehr hü bsch (красиво, здесь: мило)! Da mü ssen sie sich doch noch gemocht haben (тогда они, должно быть, еще любили друг друга: mö gen), nicht? »

12   «Bestimmt (конечно, наверняка)! » sagt Lotte. «Aber dann haben sie sich sicher gezankt (поссорились). Und sind voneinander fort (и расстались: «друг от друга прочь»). Und haben uns selber genau so entzweigeteilt (поделили нас пополам) wie vorher (как до этого) Muttis Vornamen! »

13   «Eigentlich hä tten s’ uns erst fragen mü ssen (должны были бы сначала нас спросить), ob sie uns halbieren dü rfen (могут ли они нас делить пополам)! »

14   «Damals konnten wir ja auch noch gar nicht reden! »

15   Die beiden Schwestern lä cheln hilflos (беспомощно, растерянно). Dann haken sie sich unter (взялись под руки; der Haken – крючок) und gehen in den Garten.

 

1      Die Zeit vergeht. Sie weiß es nicht besser.

2      Haben die zwei kleinen Mä dchen ihre Fotos beim Herrn Eipeldauer im Dorf abgeholt? Lä ngst! Hat sich Frä ulein Ulrike neugierig erkundigt, ob sie die Fotos nach Haus geschickt hä tten? Lä ngst! Haben Luise und Lotte mit den Kö pfchen genickt und ja gesagt? Lä ngst!

3      Und ebenso lange liegen dieselben Fotos, in lauter kleine Fetzen zerpflü ckt, auf dem Grunde des flaschengrü nen Bü hlsees bei Seebü hl. Die Kinder haben Frä ulein Ulrike angelogen! Sie wollen ihr Geheimnis fü r sich behalten! Wollen es zu zweit verbergen und, vielleicht, zu zweit enthü llen! Und wer ihren Heimlichkeiten zu nahe kommt, wird rü cksichtslos beschwindelt. Es geht nicht anders. Nicht einmal Lottchen hat Gewissensbisse. Das will viel heiß en.

4      Die beiden hä ngen neuerdings wie die Kletten zusammen. Trude, Steffie, Monika, Christine und die anderen sind manchmal bö se auf Luise, eifersü chtig auf Lotte. Was hilft’s? Gar nichts hilft es! Wo mö gen sie jetzt wieder stecken?

5      Sie stecken im Schrankzimmer. Lotte holt zwei gleiche Schü rzen aus ihrem Schrank, gibt der Schwester eine davon und sagt, wä hrend sie sich die andere umbindet: «Die Schü rzen hat Mutti beim Oberpollinger gekauft.»

6      «Aha», meint Luise, «das ist das Kaufhaus auf der Neuhauser Straß e, beim... wie heiß t das Tor? »

Karlstor.»

8      «Richtig, beim Karlstor! »

9      Sie wissen wechselweise schon recht gut Bescheid ü ber die Lebensgewohnheiten, ü ber die Schulkameradinnen, die Nachbarn, die Lehrerinnen und Wohnungen der anderen! Fü r Luise ist ja alles, was mit der Mutter zusammenhä ngt, so ungeheuer wichtig! Und Lotte verzehrt sich, alles, aber auch alles ü ber den Vater zu erfahren, was die Schwester weiß! Tag fü r Tag sprechen sie von nichts anderem. Und noch abends flü stern sie stundenlang in ihren Betten. Jede entdeckt einen anderen, einen neuen Kontinent. Das, was bis jetzt von ihrem Kinderhimmel umspannt wurde, war ja, wie sich plö tzlich herausgestellt hat, nur die eine Hä lfte ihrer Welt!

10    Und wenn sie wirklich einmal nicht damit beschä ftigt sind, voller Eifer diese beiden Hä lften aneinanderzufü gen, um das Ganze zu ü berschauen, erregt sie ein anderes Thema, plagt sie ein anderes Geheimnis: Warum sind die Eltern nicht mehr zusammen?

11    «Erst haben sie natü rlich geheiratet», erklä rt Luise zum hundertsten Male. «Dann haben sie zwei kleine Mä dchen gekriegt. Und weil Mutti Luiselotte heiß t, haben sie das eine Kind Luise und das andere Lotte getauft. Das ist doch sehr hü bsch! Da mü ssen sie sich doch noch gemocht haben, nicht? »

12    «Bestimmt! » sagt Lotte. «Aber dann haben sie sich sicher gezankt. Und sind voneinander fort. Und haben uns selber genau so entzweigeteilt wie vorher Muttis Vornamen! »

13    «Eigentlich hä tten s’ uns erst fragen mü ssen, ob sie uns halbieren dü rfen! »

14    «Damals konnten wir ja auch noch gar nicht reden! »

15    Die beiden Schwestern lä cheln hilflos. Dann haken sie sich unter und gehen in den Garten.

1      Es ist Post gekommen. Ü berall, im Gras und auf der Mauer und auf den Gartenbä nken, hocken kleine Mä dchen und studieren Briefe.

2     Lotte hä lt die Fotografie eines Mannes von etwa fü nfunddreiß ig Jahren in den Hä nden und blickt mit zä rtlichen Augen (с нежностью; zä rtlich – нежн ый) auf ihren Vater. So sieht er also aus! Und so wird es einem ums Herz (и так вот становится на сердце: «вокруг сердца»), wenn man einen wirklichen, lebendigen Vater hat (настоящего, живого; wirklich – действительный)!

3     Luise liest vor (читает вслух), was er ihr schreibt: «Mein liebes, einziges Kind (единственное дитя)! » – «So ein Schwindler (обманщик, мошенник)! » – sagt sie hochblickend. «Wo er doch genau weiß, dass er Zwillinge hat! » Dann liest sie weiter: «Hast du denn ganz vergessen, wie dein Haushaltungsvorstand aussieht (как выглядит твой глава семьи; der Haushalt + der Vorstand – правление; председатель), dass Du unbedingt (обязательно), noch dazu zum Ferienschluss (да к тому же к концу каникул; der Schluss; schließ en – закрывать, запирать, оканчивать), eine Fotografie von ihm haben willst? Erst wollte ich Dir ja ein Kinderbild von mir schicken. Eines, wo ich als nackiges Baby (голенький малыш) auf einem Eisbä renfell (на шкуре белого медведя; das Fell – мех, шкура) liege! Aber du schreibst, dass es unbedingt ein funkelnagelneues (новешенькая; nagelneu – как с иголочки; die Nagel; funkeln – искриться; der Funken – искра) Bild sein muss! Na, da bin ich gleich zum Fotografen gerannt, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit hatte, und hab ihm genau erklä rt, weswegen ich das Bild so eilig (срочно) brauche. Sonst (иначе), habe ich ihm gesagt, erkennt mich meine Luise nicht wieder (не узнает), wenn ich sie von der Bahn abhole (заберу, встречу)! Das hat er zum Glü ck eingesehen (понял, вошел в положение). Und so kriegst Du das Bild noch rechtzeitig (вовремя). Hoffentlich tanzt Du den Frä uleins im Heim nicht so auf der Nase herum (надеюсь, что ты не танцуешь так на носу у барышень /воспитательниц/ = что ты ведешь себя примерно) wie Deinem Vater, der Dich tausendmal grü ß t und groß e Sehnsucht nach Dir hat (очень скучает; die Sehnsucht – тоска / по кому - либо /)! »

4     «Schö n! » sagt Lotte. «Und lustig! Dabei sieht er auf dem Bild so ernst aus! »

5     «Wahrscheinlich hat er sich vor dem Fotografen geniert zu lachen (постеснялся, [Geni: rt], [женирт])», vermutet Luise. «Vor anderen Leuten macht er immer ein strenges Gesicht. Aber wenn wir allein sind, kann er sehr komisch sein.»

6     Lotte hä lt das Bild ganz fest. «Und ich darf es wirklich behalten? » «Natü rlich», sagt Luise, «deswegen hab ich’s mir doch schicken lassen (поэтому, для того ведь я и попросила ее /фотографию/ прислать)! »

 

1      Es ist Post gekommen. Ü berall, im Gras und auf der Mauer und auf den Gartenbä nken, hocken kleine Mä dchen und studieren Briefe.

2      Lotte hä lt die Fotografie eines Mannes von etwa fü nfunddreiß ig Jahren in den Hä nden und blickt mit zä rtlichen Augen auf ihren Vater. So sieht er also aus! Und so wird es einem ums Herz, wenn man einen wirklichen, lebendigen Vater hat!

3      Luise liest vor, was er ihr schreibt: «Mein liebes, einziges Kind! » – «So ein Schwindler! » – sagt sie hochblickend. «Wo er doch genau weiß, dass er Zwillinge hat! » Dann liest sie weiter: «Hast Du denn ganz vergessen, wie Dein Haushaltungsvorstand aussieht, dass Du unbedingt, noch dazu zum Ferienschluss, eine Fotografie von ihm haben willst? Erst wollte ich Dir ja ein Kinderbild von mir schicken. Eines, wo ich als nackiges Baby auf einem Eisbä renfell liege! Aber du schreibst, dass es unbedingt ein funkelnagelneues Bild sein muss! Na, da bin ich gleich zum Fotografen gerannt, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit hatte, und hab ihm genau erklä rt, weswegen ich das Bild so eilig brauche. Sonst, habe ich ihm gesagt, erkennt mich meine Luise nicht wieder, wenn ich sie von der Bahn abhole! Das hat er zum Glü ck eingesehen. Und so kriegst Du das Bild noch rechtzeitig. Hoffentlich tanzt Du den Frä uleins im Heim nicht so auf der Nase herum wie Deinem Vater, der Dich tausendmal grü ß t und groß e Sehnsucht nach Dir hat! »

4      «Schö n! » sagt Lotte. «Und lustig! Dabei sieht er auf dem Bild so ernst aus! »

Der Bahnsteig ist leer.

4      Nein! Ganz, ganz hinten sitzt ein Kind auf einem Koffer! Die junge Frau rast wie die Feuerwehr den Bahnsteig entlang!

5      Einem kleinen Mä dchen, das auf einem Koffer hockt, zittern die Knie. Ein ungeahntes Gefü hl ergreift das Kinderherz. Diese junge, glü ckstrahlende, diese wirkliche, wirbelnde, lebendige Frau ist ja die Mutter!

«Mutti! »

6      Luise stü rzt der Frau entgegen und springt ihr, die Arme hochwerfend, an den Hals.

7      «Mein Hausmü tterchen», flü stert die junge Frau unter Trä nen. «Endlich, endlich hab ich dich wieder! »

8      Der kleine Kindermund kü sst leidenschaftlich ihr weiches Gesicht, ihre zä rtlichen Augen, ihre Lippen, ihr Haar, ihr schickes Hü tchen. Ja, das Hü tchen auch!

1      Sowohl im Restaurant als auch (как... так и...) in der Kü che des Hotels «Imperial» in Wien herrscht wohlwollende Aufregung (царит: «господствует» доброжелательное волнение, оживление). Der Liebling der Stammgä ste (любимица завсегдатаев; der Stamm – ствол; племя) und der Angestellten (служащих, работников), die Tochter des Opernkapellmeisters Palfy, ist wieder da!

2     Lotte, pardon, Luise sitzt, wie es alle gewohnt sind (как все к этому привыкли), auf dem angestammten Stuhl (на «унаследованном» ею стуле = на привычном месте) mit den zwei hohen Kissen (подушками: das Kissen) und isst mit Todesverachtung (презирая смерть: «с презрением смерти» = отважно; der Tod – смерть; verachten – презирать; achten – уважать, принимать во внимание) gefü llte Eierkuchen.

3     Die Stammgä ste kommen, einer nach dem anderen, zum Tisch, streichen dem kleinen Mä dchen ü ber die Locken, klopfen ihm zä rtlich die Schultern (похлопывают по плечам), fragen, wie es ihm im Ferienheim gefallen hat, meinen (высказывают мнение), in Wien beim Papa sei’s aber doch wohl am schö nsten, legen allerlei Geschenke (всяческие подарки: das Geschenk) auf den Tisch: Zuckerln (леденцы: das Zuckerl), Schokolade, Pralinen (шоколадные конфеты: die Pralí ne), Buntstifte (цветные карандаши, фламастеры), ja, einer holt sogar ein kleines altmodisches Nä hzeug (швейные принадлежности; nä hen – шить) aus der Tasche und sagt verlegen (смущенно), es sei noch von seiner Groß mutter selig (от его покойной бабушки /остались/; selig – блаженный), – dann nicken sie dem Kapellmeister zu und wandern (бредут) an ihre Tische zurü ck. Heute wird ihnen das Essen endlich wieder richtig schmecken, den einsamen Onkels (этим одиноким дядюшкам)!

4     Am besten schmeckt’s freilich (правда) dem Herrn Kapellmeister selber. Ihm, der sich immer aufs Einsamseinmü ssen aller «wahren Kunstnaturen» so viel zugute getan (который всегда полагал /и придерживался этого, и гордился этим/, что все «подлинные художественные натуры» должны быть одиноки; sich auf eine Sache zugute tun/halten – гордиться чем - либо, воображать себе что - либо / о себе, о своем /) und der seine verflossene Ehe (свой прошлый: «утекший» брак; fließ en – течь) stets (постоянно, всегда) fü r einen Fehltritt ins Bü rgerliche gehalten hat (считал ошибочным «шагом в мещанство»: «в гражданское, обывательское»), ihm ist heute hö chst (крайне, в высшей степени) «unkü nstlerisch» warm und familiä r ums Herz. Und als die Tochter schü chtern (смущенно) lä chelnd seine Hand ergreift, als habe sie Angst (словно боится), der Vater kö nne ihr sonst womö glich davonlaufen (что отец иначе может, пожалуй, убежать от нее), da hat er wahrhaftig (действительно, по-настоящему), obgleich er Beinfleisch (хотя он вареную ногу /говядину/) und keineswegs Knö del verspeist (а вовсе не фрикадельки, клецки: der Knö del / южно - нем./), einen Kloß im Hals (ком в горле; der Kloß – клецка, фрикаделька; ком / в горле /)!

5     Ach, und da kommt der Kellner (официант) Franz schon wieder mit einem neuen Eierkuchen angewedelt (услужливо подходит; wedeln – вилять хвостом)!

6     Lotte schü ttelt die Locken. «Ich kann nimmer (я больше не могу; nimmer – никогда), Herr Franz! »

7     «Aber Luiserl (Луизочка)! » meint der Kellner vorwurfsvoll (с упреком; der Vorwurf – упрек; jemandem etwas vorwerfen – упрекать кого - либо в чем - либо). «Es ist doch erst der Fü nfte! »

8     Nachdem der Herr Franz leicht bekü mmert (озабоченно; der Kummer – горе; огорчение, заботы) mitsamt (вместе с) dem fü nften Eierkuchen in die Kü che zurü ckgesegelt ist (уплыл, прошествовал; das Segel – парус; segeln – идти под парусом), nimmt sich Lotte ein Herz (набирается смелости) und sagt: «Weiß t du was, Vati, – ab morgen (с завтрашнего дня) ess ich immer das, was du isst! »

9     «Nanu! » ruft der Herr Kapellmeister. «Und wenn ich nun Geselchtes (копченое /южно-нем./ = Gerä uchertes) ess? » Das kannst du doch nicht ausstehen (ты же этого терпеть: «выносить» не можешь)! Da wird dir doch ü bel («тут» = тогда, в таком случае тебе ведь станет дурно)!

10   «Wenn du Geselchtes isst», meint sie zerknirscht (подавленно, сокрушенно), «kann ich ja wieder Eierkuchen essen.» (Es ist halt (значит, вот так вот /ничего не поделаешь/) doch nicht ganz so einfach, seine eigene Schwester zu sein (быть своей собственной сестрой)! ) Und nun (а что ж теперь)?

11   Und nun erscheint (появляется) der Hofrat Strobl mit Peperl. Peperl ist ein Hund. «Schau, Peperl», sagt der Herr Hofrat (придворный советник /почетный титул, дававшийся государственным служащим за заслуги/) lä chelnd, «wer wieder da ist! Geh hin und sag dem Luiserl Grü ß Gott (здравствуй: «да приветствует Бог» /южно-нем./)! »

12   Peperl wedelt mit dem Schwanz und trabt (бежит рысцой) eifrig (усердно = поспешно) an Palfys Tisch, um dem Luiserl, seiner alten Freundin, Grü ß Gott zu sagen.

13   Ja, Kuchen, nein, Hundekuchen (собачье печенье /корм/)! Als Peperl am Tisch angekommen ist, beschnuppert er (обнюхивает) das kleine Mä dchen und zieht sich, ohne Grü ß Gott, eiligst zum Herrn Hofrat zurü ck (убегает обратно). «So ein blö des Viech (вот глупая скотина)! » bemerkt dieser ungnä dig («немилостиво» = недовольно; die Gnade – милость). «Erkennt seine beste Freundin nicht wieder (не узнает)! Bloß weil sie ein paar Wochen am Land war (за городом)! Und da reden die Leut immer, ganz g’schwolln (= geschwollen – напыщенно; schwellen – отекать, пухнуть, вздуваться), vom unrü glichen Instinkt der Tiere (о «безупречном» инстинкте животных; rü gen – порицать, отчитывать; der Instinkt)! » Lottchen aber denkt bei sich (про себя): ‘Ein Glü ck, dass die Hofrä te nicht so gescheit (умны) wie der Peperl sind! ’

 

1      Sowohl im Restaurant als auch in der Kü che des Hotels «Imperial» in Wien herrscht wohlwollende Aufregung. Der Liebling der Stammgä ste und der Angestellten, die Tochter des Opernkapellmeisters Palfy, ist wieder da!

2      Lotte, pardon, Luise sitzt, wie es alle gewohnt sind, auf dem angestammten Stuhl mit den zwei hohen Kissen und isst mit Todesverachtung gefü llte Eierkuchen.

3      Die Stammgä ste kommen, einer nach dem anderen, zum Tisch, streichen dem kleinen Mä dchen ü ber die Locken, klopfen ihm zä rtlich die Schultern, fragen, wie es ihm im Ferienheim gefallen hat, meinen, in Wien beim Papa sei’s aber doch wohl am schö nsten, legen allerlei Geschenke auf den Tisch: Zuckerln, Schokolade, Pralinen, Buntstifte, ja, einer holt sogar ein kleines altmodisches Nä hzeug aus der Tasche und sagt verlegen, es sei noch von seiner Groß mutter selig, – dann nicken sie dem Kapellmeister zu und wandern an ihre Tische zurü ck. Heute wird ihnen das Essen endlich wieder richtig schmecken, den einsamen Onkels!

4      Am besten schmeckt’s freilich dem Herrn Kapellmeister selber. Ihm, der sich immer aufs Einsamseinmü ssen aller «wahren Kunstnaturen» soviel zugute getan und der seine verflossene Ehe stets fü r einen Fehltritt ins Bü rgerliche gehalten hat, ihm ist heute hö chst «unkü nstlerisch» warm und familiä r ums Herz. Und als die Tochter schü chtern lä chelnd seine Hand ergreift, als habe sie Angst, der Vater kö nne ihr sonst womö glich davonlaufen, da hat er wahrhaftig, obgleich er Beinfleisch und keineswegs Knö del verspeist, einen Kloß im Hals!

5      Ach, und da kommt der Kellner Franz schon wieder mit einem neuen Eierkuchen angewedelt!

6      Lotte schü ttelt die Locken. «Ich kann nimmer, Herr Franz! »

7      «Aber Luiserl! » meint der Kellner vorwurfsvoll. «Es ist doch erst der Fü nfte! »

8      Nachdem der Herr Franz leicht bekü mmert mitsamt dem fü nften Eierkuchen in die Kü che zurü ckgesegelt ist, nimmt sich Lotte ein Herz und sagt: «Weiß t du was, Vati, – ab morgen ess ich immer das, was du isst! »

9      «Nanu! » ruft der Herr Kapellmeister. «Und wenn ich nun Geselchtes ess? » Das kannst du doch nicht ausstehen! Da wird dir doch ü bel!

10    «Wenn du Geselchtes isst», meint sie zerknirscht, «kann ich ja wieder Eierkuchen essen.» (Es ist halt doch nicht ganz so einfach, seine eigene Schwester zu sein! ) Und nun?

11    Und nun erscheint der Hofrat Strobl mit Peperl. Peperl ist ein Hund. «Schau, Peperl», sagt der Herr Hofrat lä chelnd, «wer wieder da ist! Geh hin und sag dem Luiserl Grü ß Gott! »

12    Peperl wedelt mit dem Schwanz und trabt eifrig an Palfys Tisch, um dem Luiserl, seiner alten Freundin, Grü ß Gott zu sagen.

13    Ja, Kuchen, nein, Hundekuchen! Als Peperl am Tisch angekommen ist, beschnuppert er das kleine Mä dchen und zieht sich, ohne Grü ß Gott, eiligst zum Herrn Hofrat zurü ck. «So ein blö des Viech! » bemerkt dieser ungnä dig. «Erkennt seine beste Freundin nicht wieder! Bloß weil sie ein paar Wochen am Land war! Und da reden die Leut immer, ganz g’schwolln, vom unrü glichen Instinkt der Tiere! » Lottchen aber denkt bei sich: ‘Ein Glü ck, dass die Hofrä te nicht so gescheit wie der Peperl sind! ’

1      Der Herr Kapellmeister und seine Tochter sind, mit den Geschenken der Stammgä ste, dem Koffer, der Puppe und der Badetasche beladen (нагруженные), zu Haus in der Rotenturmstraß e eingetroffen (прибыли). Und Resi, Palfys Haushä lterin (экономка, домработница), hat sich vor Wiedersehensfreude gar nicht zu lassen gewusst (все не могла успокоиться от радости встречи, свидания).

2     Aber Lotte weiß von Luise, dass Resi eine falsche Blunzen (die Blunze(n) / южно - нем./ – кровяная колбаса /=die Blutwurst/; толстая, неловкая женщина = не и скренняя тетка) und ihr Getue (ее /неестественное, показное/ поведение, действия) Theater ist. Vater merkt natü rlich nichts. Mä nner merken nie etwas!

3     Er fischt ein Billett aus der Brieftasche (выуживает билет из бумажника), gibt es der Tochter und sagt: «Heute Abend dirigier ich Humperdincks ‘Hä nsel und Gretel’! Resi bringt dich ins Theater und holt dich nach Schluss wieder ab.»

4     «Oh! » Lotte strahlt. «Kann ich dich von meinem Platz aus sehen? »

5     «Freilich (конечно).»

6     «Und guckst du manchmal zu mir hin (поглядишь иногда в мою сторону)? »

7     «Na selbstverstä ndlich (само собой разумеется)! »

8     «Und darf ich ein bisschen winken, wenn du guckst? »

9     «Ich werd sogar zurü ckwinken, Luiserl! »

10   Dann klingelt das Telefon. Am anderen Ende redet eine weibliche Stimme (женский голос). Der Vater antwortet ziemlich einsilbig (довольно односложно; die Silbe – слог). Aber wie er den Hö rer aufgelegt hat (когда положил трубку), hat er es dann doch ziemlich eilig (почему-то вдруг заспешил). Er muss noch ein paar Stunden allein sein, ja, und komponieren (сочинять музыку). Denn schließ lich (в конце концов) ist er nicht nur Kapellmeister, sondern auch Komponist. Und komponieren kann er nun einmal (ведь) nicht zu Hause. Nein, dafü r hat er sein Atelier in der Ringstraß e. Also...

11   «Morgen Mittag auf Wiedersehen im Imperial! »

12   «Und ich darf dir in der Oper zuwinken, Vati? »

13   «Natü rlich, Kind. Warum denn nicht (почему бы нет)? »

14   Kuss auf die ernste Kinderstirn (детский лоб)! Hut auf den kantigen Kü nstlerkopf (на своевольную, упрямую: «угловатую» голову художника, артиста; die Kante – край, угол)! Die Tü r schlä gt zu (захлопывается).

15   Das kleine Mä dchen geht langsam zum Fenster und denkt bekü mmert ü ber das Leben nach (размышляет: ü ber etwas nachdenken). Die Mutter darf nicht zu Hause arbeiten. Der Vater kann nicht zu Hause arbeiten.

16   Man hat’s schwer mit den Eltern (трудно приходится с /этими/ родителями)!

17   Aber da sie, nicht zuletzt (не в последнюю очередь) dank der mü tterlichen Erziehung (благодаря материнскому воспитанию; erziehen – воспитывать), ein resolutes und praktisches Persö nchen ist (решительная и практичная маленькая личность), steckt sie sehr bald das Nachdenken auf (отбрасывает размышления, перестает заниматься раздумьями), bewaffnet sich (вооружается; die Waffe – оружие) mit ihrem Oktavheft und beginnt an Hand (при помощи) von Luises Angaben (показаний, данных; die Angabe; angeben – указывать / сведения /) systematisch, Zimmer fü r Zimmer (комнату за комнатой), die schö ne Altwiener Wohnung fü r sich zu entdecken (открывать).

18   Nachdem sie die Forschungsreise hinter sich hat (после того, как она завершила: «имеет за собой, позади себя» «исследовательское путешествие»), setzt sie sich aus alter Gewohnheit (по старой привычке) an den Kü chentisch und rechnet in dem herumliegenden Haushaltsbuch der Reihe nach die Ausgabenspalten durch (просчитывает в валяющейся рядом книге домашних расходов по порядку колонки расходов: die Ausgabe + die Spalte – столбец, колонка; ausgeben – тратить; spalten – расщеплять).

19   Dabei fä llt ihr zweierlei auf (при этом ей бросаются в глаза две вещи: auffallen). Erstens hat sich Resi, die Haushä lterin, auf fast jeder Seite verrechnet (просчиталась, ошиблась). Und zweitens hat sie das jedesmal zu ihren Gunsten getan (в свою пользу; die Gunst – благосклонность, одолжение; покровительство)!

20   «Ja, was soll das heiß en (так, что это значит)? » Resi steht in der Kü chentü r. «Ich hab in deinem Buch nachgerechnet (пересчитала: «посчитала вслед» = проверила расчеты)», sagt Lotte leise, aber bestimmt (тихо, но уверенно = уверенным голосом).

21   «Was sind denn das fü r neue Moden (что за новая мода = это еще что такое)? » fragt Resi bö se. «Rechne du in der Schule, wo’s hingehö rt (где это требуется: «куда это относится»)! »

22   «Ich werd jetzt immer bei dir nachrechnen», erklä rt das Kind sanft (мягко, тихо) und hupft (спрыгивает) vom Kü chenstuhl. «Wir lernen in der Schule, aber nicht fü r die Schule, hat die Lehrerin gesagt.» Damit stolziert sie (гордо выходит, шествует) aus der Tü r.

23   Resi starrt (смотрит, неподвижно уставившись) verblü fft (сбитая с толку) hinterdrein (вслед за ней).

 

1      Der Herr Kapellmeister und seine Tochter sind, mit den Geschenken der Stammgä ste, dem Koffer, der Puppe und der Badetasche beladen, zu Haus in der Rotenturmstraß e eingetroffen. Und Resi, Palfys Haushä lterin, hat sich vor Wiedersehensfreude gar nicht zu lassen gewusst.

2      Aber Lotte weiß von Luise, dass Resi eine falsche Blunzen und ihr Getue Theater ist. Vater merkt natü rlich nichts. Mä nner merken nie etwas!

3      Er fischt ein Billett aus der Brieftasche, gibt es der Tochter und sagt: «Heute Abend dirigier ich Humperdincks ‘Hä nsel und Gretel’! Resi bringt dich ins Theater und holt dich nach Schluss wieder ab.»

4      «Oh! » Lotte strahlt. «Kann ich dich von meinem Platz aus sehen? »

Freilich.»

Sechstes Kapitel

 

Wo ist das Geschä ft der Frau Wagenthaler? – Aber! Kochen verlernt man doch nicht! – Lotte winkt in der Oper – Es regnet Pralinen – Die erste Nacht in Mü nchen und die erste Nacht in Wien – Der merkwü rdige Traum, worin Frä ulein Gerlach als Hexe auftritt – Eltern dü rfen alles – Vergissmeinnicht Mü nchen 18!

1      Frau Luiselotte Kö rner hat ihre Tochter gerade noch in die winzige Wohnung (в крошечную квартиру) in der Max-Emanuel-Straß e bringen kö nnen. Dann musste sie, sehr ungern und sehr schnell, wieder in den Verlag fahren. Arbeit wartete auf sie. Und Arbeit darf nicht warten.

2     Luise, ach nein! Lotte hat sich studienhalber (для информации, в познавательных целях: «учебы ради») kurz in der Wohnung umgesehen (быстренько осмотрелась). Dann hat sie die Schlü ssel (ключи: der Schlü ssel), das Portemonnaie (кошелек, портмонэ) und ein Netz (сетку = хозяйственную сумку) genommen. Und nun macht sie Einkä ufe. Beim Metzgermeister Huber an der Ecke Prinz-Eugen-Straß e ersteht (приобретает, покупает) sie ein halbes Pfund Rindfleisch, Querrippe, schö n durchwachsen, mit etwas Niere (die Niere – почка) und ein paar Knochen (der Knochen – кость). Und jetzt sucht sie krampfhaft (судорожно; der Krampf – судорога) das Viktualiengeschä ft ( / устар./ = Lebensmittelgeschä ft – продуктовый магазин) der Frau Wagenthaler, um Suppengrü n, Nudeln und Salz zu besorgen (достать, купить).

3     Und Anni Habersetzer wundert sich nicht wenig, dass ihre Mitschü lerin Lotte Kö rner mitten auf der Straß e steht und angestrengt (напряженно, усиленно) in einem Oktavheft blä ttert.

4     «Machst du auf der Straß e Schularbeiten? » fragt sie neugierig. «Heut sind doch noch Ferien! »

5     Luise starrt das andere Mä dchen verdutzt (растерянно, сбитая с толку) an. Es ist ja auch zu blö d, wenn einen jemand anspricht (когда к тебе кто-то обращается), den man, obwohl man ihn noch nie im Leben sah, genau zu kennen hat (должен точно = обязательно знать)! Schließ lich reiß t sie sich zusammen (берет себя в руки) und sagt vergnü gt (весело): «Grü ß Gott! Kommst du mit (ты идешь со мной)? Ich muss zur Frau Wagenthaler, Suppengrü n kaufen.» Dann hä ngt sie sich bei der anderen ein (берет под руку) – wenn sie wenigstens wü sste (если бы она хотя бы знала), wie das sommersprossige Ding (как это веснушчатое существо; die Sommersprossen – веснушки) mit dem Vornamen heiß t (зовется по имени)! – und lä sst sich von ihr, ohne dass sie es merkt (и «дает себя ею», да так что та и не замечает), zum Laden (к лавке: der Laden) der Frau Wagenthaler lotsen (отвести: «провести, как лоцман»).

6     Die Frau Wagenthaler freut sich natü rlich, dass Lottchen aus den Ferien zurü ck ist und so rote Backen gekriegt hat! Als der Einkauf erledigt ist (когда с покупкой покончено: erledigen – закончить, довести до конца), erhalten (получают) die Mä dchen je einen Bonbon (каждая по конфетке, по леденцу) und auß erdem den Auftrag (и, кроме того, поручение), der Frau Kö rner und der Frau Habersetzer einen schö nen Gruß auszurichten.

7     Da fä llt der Luise ein Stein vom Herzen. Endlich weiß sie, dass die andere die Anni Habersetzer sein muss! (Im Oktavheft steht: Anni Habersetzer, ich war dreimal mit ihr bö se (ссорилась; bö se – злой), sie haut (бьет) kleinere Kinder, besonders die Ilse Merck, die kleinste in der Klasse.) Nun, damit kann man schon etwas anfangen (ну, с этим уже можно что-то начать = ну это уже другое дело, теперь ситуация ясна, теперь можно что-то сделать)!

8     Beim Abschied vor der Haustü r sagt also Luise: «Ehe ich es vergesse (пока не забыла: «прежде чем забуду») – Anni –, dreimal war ich mit dir bö se, wegen der Ilse Merck und so, du weiß t schon (ты уж знаешь). Das nä chste Mal bin ich dir nicht bloß (не только, не просто) bö se, sondern (но /и/)...» Dabei macht sie eine eindeutige Handbewegung (однозначное движение рукой; deuten – толковать) und rauscht davon (уносится прочь).

9     ‘Das werden wir ja sehen (это мы еще посмотрим)’, denkt Anni wü tend (взбешенная, в ярости; die Wut – ярость, бешенство). ‘Gleich morgen (прямо: «сразу» завтра) werden wir das sehen! Die ist wohl in den Ferien ü bergeschnappt (с ума сошла, что ли)? ’

 

1      Frau Luiselotte Kö rner hat ihre Tochter gerade noch in die winzige Wohnung in der Max-Emanuel-Straß e bringen kö nnen. Dann musste sie, sehr ungern und sehr schnell, wieder in den Verlag fahren. Arbeit wartete auf sie. Und Arbeit darf nicht warten.

2      Luise, ach nein! Lotte hat sich studienhalber kurz in der Wohnung umgesehen. Dann hat sie die Schlü ssel, das Portemonnaie und ein Netz genommen. Und nun macht sie Einkä ufe. Beim Metzgermeister Huber an der Ecke Prinz-Eugen-Straß e ersteht sie ein halbes Pfund Rindfleisch, Querrippe, schö n durchwachsen, mit etwas Niere und ein paar Knochen. Und jetzt sucht sie krampfhaft das Viktualiengeschä ft der Frau Wagenthaler, um Suppengrü n, Nudeln und Salz zu besorgen.

3      Und Anni Habersetzer wundert sich nicht wenig, dass ihre Mitschü lerin Lotte Kö rner mitten auf der Straß e steht und angestrengt in einem Oktavheft blä ttert.

4      «Machst du auf der Straß e Schularbeiten? » fragt sie neugierig. «Heut sind doch noch Ferien! »

5      Luise starrt das andere Mä dchen verdutzt an. Es ist ja auch zu blö d, wenn einen jemand anspricht, den man, obwohl man ihn noch nie im Leben sah, genau zu kennen hat! Schließ lich reiß t sie sich zusammen und sagt vergnü gt: «Grü ß Gott! Kommst du mit? Ich muss zur Frau Wagenthaler, Suppengrü n kaufen.» Dann hä ngt sie sich bei der anderen ein – wenn sie wenigstens wü sste, wie das sommersprossige Ding mit dem Vornamen heiß t! – und lä sst sich von ihr, ohne dass sie es merkt, zum Laden der Frau Wagenthaler lotsen.

6      Die Frau Wagenthaler freut sich natü rlich, dass Lottchen aus den Ferien zurü ck ist und so rote Backen gekriegt hat! Als der Einkauf erledigt ist, erhalten die Mä dchen je einen Bonbon und auß erdem den Auftrag, der Frau Kö rner und der Frau Habersetzer einen schö nen Gruß auszurichten.

7      Da fä llt der Luise ein Stein vom Herzen. Endlich weiß sie, dass die andere die Anni Habersetzer sein muss! (Im Oktavheft steht: Anni Habersetzer, ich war dreimal mit ihr bö se, sie haut kleinere Kinder, besonders die Ilse Merck, die kleinste in der Klasse.) Nun, damit kann man schon etwas anfangen!

8      Beim Abschied vor der Haustü r sagt also Luise: «Ehe ich es vergesse – Anni –, dreimal war ich mit dir bö se, wegen der Ilse Merck und so, du weiß t schon. Das nä chste Mal bin ich dir nicht bloß bö se, sondern...» Dabei macht sie eine eindeutige Handbewegung und rauscht davon.

9      ‘Das werden wir ja sehen’, denkt Anni wü tend. ‘Gleich morgen werden wir das sehen! Die ist wohl in den Ferien ü bergeschnappt? ’

1      Luise kocht. Sie hat eine Schü rze von Mutti umgebunden (фартук повязала: umbinden) und rennt zwischen dem Gasherd (между плитой; der Herd), wo Tö pfe (кастрюли: der Topf – горшок; кастрюля) ü ber den Flammen stehen (die Flamme – огонь), und dem Tisch, auf dem das Kochbuch aufgeschlagen liegt, wie ein Kreisel (волчок, юла: der Kreisel) hin und her. Dauernd (постоянно, все время; dauern – длиться) hebt sie die Topfdeckel hoch (поднимает крышки: der Deckel; decken – накрывать, покрывать). Wenn kochendes Wasser (когда кипящая вода) zischend (шипя) ü berlä uft (убегает, переливается), zuckt sie zusammen (вздрагивает). Wie viel Salz sollte ins Nudelwasser (в воду с лапшой)? «Ein halber Esslö ffel (половину столовой ложки)! » Wie viel Selleriesalz (соль, приправленная натертым сельдереем; der Sellerie – сельдерей)? «Eine Prise (щепотку)! » Wie viel, um alles in der Welt (Боже ты мой), ist eine Prise?

2     Und dann: «Muskatnuss reiben (натереть мускатный орех; die Nuss)! » Wo steckt die Muskatnuss (куда подевался, где находится)? Wo das Reibeisen (терка; das Eisen – железо)?

3     Das kleine Mä dchen wü hlt in Schubfä chern (лихорадочно копается в выдвижных ящиках), klettert auf Stü hle, schaut in alle Behä ltnisse (das Behä ltnis – ларец, шкатулка; behalten – сохранять), starrt auf die Uhr an der Wand, springt vom Stuhl herunter, ergreift eine Gabel (хватает вилку), hebt einen Deckel auf, verbrennt sich die Finger (обжигает себе пальцы: der Finger; brennen – гореть; жечь), quiekt (визжит), sticht mit der Gabel in dem Rindfleisch herum (пробует, тыкает вилкой говядину; stechen – колоть) – nein, es ist noch nicht weich (мягкая)!

4     Mit der Gabel in der Hand bleibt sie wie angewurzelt (как прикованная; die Wurzel – корень) stehen. Was wollte sie eben noch suchen (что она только что, как раз хотела искать)? Ach richtig! Die Muskatnuss und das Reibeisen! Nanu, was liegt denn da friedlich («мирно» = спокойно, как ни в чем не бывало) neben dem Kochbuch? Das Suppengrü n! Herrje (о Боже), das muss doch geputzt und in die Bouillon getan werden (она /зелень/ должна же быть почищена и положена в бульон)! Also, Gabel weg (вилку прочь), Messer her (нож сюда = взять)! Ob das Fleisch jetzt gar ist (готово ли сейчас мясо)? Und wo sind die Reibnuss und das Muskateisen? Quatsch (чушь, ерунда), das Reibeisen und die Muskatnuss? Suppengrü n muss man erst unter der Wasserleitung (под краном; die Wasserleitung – водопровод; leiten – вести) waschen. Und die Mö hre muss geschabt werden (и морковь должна быть почищена; schaben – скоблить, скрести). Au (ой), man darf sich dabei natü rlich nicht in den Finger schneiden (резать; sich in den Finger schneiden – порезать палец)! Und wenn das Fleisch weich ist, muss man es aus dem Topf herausnehmen. Und um spä ter die Knochen abzuschö pfen (чтобы снять навар /с костей – с бульона/; schö pfen – черпать), braucht man ein Sieb (сито)! Und in einer halben Stunde kommt Mutti! Und zwanzig Minuten vorher (за двадцать минут до этого) muss man die Nudeln in kochendes Wasser werfen! Und wie es in der Kü che aussieht! Und die Muskatnuss! Und das Sieb! Und das Reibeisen! Und... Und... Und...

5     Luise sinkt auf dem Kü chenstuhl zusammen (опускается). Ach Lottchen! Es ist nicht leicht, deine Schwester zu sein! Hotel Imperial... Hofrat Strobl... Peperl... Herr Franz... Und Vati... Vati... Vati...

6     Und die Uhr tickt.

7     In neunundzwanzig Minuten kommt Mutti! – In achtundzwanzig und einer halben Minute! – In achtundzwanzig! Luise ballt vor Entschlossenheit die Fä uste (сжимает «от решительности» кулаки: die Faust) und erhebt sich zu neuen Taten (принимается за новые свершения: sich erheben – подниматься; die Tat – деяние, поступок). Dabei knurrt (ворчит: «рычит») sie: «Das wä r doch gelacht (плевое дело: «это б только посмеяться»)! »

8     Doch mit dem Kochen ist das eine eigene Sache (дело особое: «собственное» = непростое, хитрое). Entschlossenheit genü gt vielleicht (решительности возможно достаточно), um von einem hohen Turm (с высокой башни: der Turm) zu springen. Aber um Nudeln mit Rindfleisch zu kochen, dazu braucht’s mehr als Willenskraft (для этого нужно больше, чем сила воли: der Wille – воля + die Kraft – сила).

9     Und als Frau Kö rner, mü de von des Tages Unrast (уставшая от суеты дня; die Rast – передышка, отдых в пути, привал), heimkehrt, findet sie kein lä chelndes Hausmü tterchen vor, bewahre (вовсе нет: «/Боже/ сохрани»; bewahren – оберегать, сохранять; Gott bewahre! ), sondern ein vö llig erschö pftes (cовершенно изможденную) Hä ufchen Unglü ck («кучку, комочек несчастья»; der Haufen – куча, груда), ein leicht beschä digtes (поврежденное; der Schaden – вред), verwirrtes (сбитое с толку, запутанное; wirr – путаный, сумбурный), zerknittertes (смотрящее с отчаянием; zerknittern – комкать, мять) Etwas (нечто), aus dessen (из чьего) zum Weinen verzogenen Mund (для плача готового: «растянувшегося» рта: der Mund) es ihr entgegenklingt (ей навстречу звучит): «Schimpf nicht (не ругай, не ругайся), Mutti! Ich glaub, ich kann nicht mehr kochen! »

10   «Aber Lottchen, Kochen verlernt man doch nicht (готовить же нельзя разучиться)! » ruft die Mutter verwundert (вскрикивает удивленно). Doch zum Wundern ist wenig Zeit. Es gilt (нужно, необходимо: gelten – быть действительным, актуальным), Kinderträ nen zu trocknen (осушить; trocken – сухой), Bouillon abzuschmecken (попробовать), zerkochtes Fleisch (разваренное мясо) hineinzuwerfen, Teller und Bestecke (тарелки и приборы: der Teller; das Besteck) aus dem Schrank zu holen und vieles mehr.

11   Als sie endlich im Wohnzimmer unter der Lampe sitzen und Nudelsuppe lö ffeln (едят ложками), meint die Mutter trö stend (утешающе):

12   «Es schmeckt doch eigentlich sehr gut, nicht (а вкусно, правда)? »

13   «Ja? » Ein schü chternes Lä cheln stiehlt sich (прокрадывается; stehlen – красть) in das Kindergesicht. «Wirklich (правда: «действительно»)? »

14   Die Mutter nickt und lä chelt still zurü ck.

15   Luise atmet auf (вздыхает, переводит дух) und nun schmeckt es ihr selber mit einem Male so gut wie noch nie im Leben! Trotz Hotel Imperial und Eierkuchen. «Die nä chsten Tage werde ich selber kochen», sagt die Mutter. «Du wirst dabei schö n aufpassen (будешь при этом как следует наблюдать, внимательно следить). Dann kannst du’s bald wieder wie vor den Ferien.»

16   Die Kleine nickt eifrig. «Vielleicht sogar noch besser! » meint sie etwas vorlaut (нескромно, дерзко).

17   Nach dem Essen waschen sie gemeinsam das Geschirr ab (вместе моют посуду). Und Luise erzä hlt, wie schö n es im Ferienheim war. (Allerdings (однако, правда), von dem Mä dchen, das ihr zum Verwechseln ä hnlich war, erzä hlt sie kein Sterbenswort! )

 

1      Luise kocht. Sie hat eine Schü rze von Mutti umgebunden und rennt zwischen dem Gasherd, wo Tö pfe ü ber den Flammen stehen, und dem Tisch, auf dem das Kochbuch aufgeschlagen liegt, wie ein Kreisel hin und her. Dauernd hebt sie die Topfdeckel hoch. Wenn kochendes Wasser zischend ü berlä uft, zuckt sie zusammen. Wie viel Salz sollte ins Nudelwasser? «Ein halber Esslö ffel! » Wie viel Selleriesalz? «Eine Prise! » Wie viel, um alles in der Welt, ist eine Prise?

2      Und dann: «Muskatnuss reiben! » Wo steckt die Muskatnuss? Wo das Reibeisen?

3      Das kleine Mä dchen wü hlt in Schubfä chern, klettert auf Stü hle, schaut in alle Behä ltnisse, starrt auf die Uhr an der Wand, springt vom Stuhl herunter, ergreift eine Gabel, hebt einen Deckel auf, verbrennt sich die Finger, quiekt, sticht mit der Gabel in dem Rindfleisch herum – nein, es ist noch nicht weich!

4      Mit der Gabel in der Hand bleibt sie wie angewurzelt stehen. Was wollte sie eben noch suchen? Ach richtig! Die Muskatnuss und das Reibeisen! Nanu, was liegt denn da friedlich neben dem Kochbuch? Das Suppengrü n! Herrje, das muss doch geputzt und in die Bouillon getan werden! Also, Gabel weg, Messer her! Ob das Fleisch jetzt gar ist? Und wo sind die Reibnuss und das Muskateisen? Quatsch, das Reibeisen und die Muskatnuss? Suppengrü n muss man erst unter der Wasserleitung waschen. Und die Mö hre muss geschabt werden. Au, man darf sich dabei natü rlich nicht in den Finger schneiden! Und wenn das Fleisch weich ist, muss man es aus dem Topf herausnehmen. Und um spä ter die Knochen abzuschö pfen, braucht man ein Sieb! Und in einer halben Stunde kommt Mutti! Und zwanzig Minuten vorher muss man die Nudeln in kochendes Wasser werfen! Und wie es in der Kü che aussieht! Und die Muskatnuss! Und das Sieb! Und das Reibeisen! Und... Und... Und...

5      Luise sinkt auf dem Kü chenstuhl zusammen. Ach Lottchen! Es ist nicht leicht, deine Schwester zu sein! Hotel Imperial... Hofrat Strobl... Peperl... Herr Franz... Und Vati... Vati... Vati...

Und die Uhr tickt.

7      In neunundzwanzig Minuten kommt Mutti! – In achtundzwanzig und einer halben Minute! – In achtundzwanzig! Luise ballt vor Entschlossenheit die Fä uste und erhebt sich zu neuen Taten. Dabei knurrt sie: «Das wä r doch gelacht! »

8      Doch mit dem Kochen ist das eine eigene Sache. Entschlossenheit genü gt vielleicht, um von einem hohen Turm zu springen. Aber um Nudeln mit Rindfleisch zu kochen, dazu braucht’s mehr als Willenskraft.

9      Und als Frau Kö rner, mü de von des Tages Unrast, heimkehrt, findet sie kein lä chelndes Hausmü tterchen vor, bewahre, sondern ein vö llig erschö pftes Hä ufchen Unglü ck, ein leicht beschä digtes, verwirrtes, zerknittertes Etwas, aus dessen zum Weinen verzogenen Mund es ihr entgegenklingt: «Schimpf nicht, Mutti! Ich glaub, ich kann nicht mehr kochen! »

10    «Aber Lottchen, Kochen verlernt man doch nicht! » ruft die Mutter verwundert. Doch zum Wundern ist wenig Zeit. Es gilt, Kinderträ nen zu trocknen, Bouillon abzuschmecken, zerkochtes Fleisch hineinzuwerfen, Teller und Bestecke aus dem Schrank zu holen und vieles mehr.

11    Als sie endlich im Wohnzimmer unter der Lampe sitzen und Nudelsuppe lö ffeln, meint die Mutter trö stend:

Wir hatten Hunger, Mutti.»

20    «Hier habt ihr Brot! Ich konnte nicht frü her aus dem Verlag weg! » Sie umarmt ihre Kinder und will sie fortziehen. Doch da ö ffnet sich die Pralinentü r. Der Vater erscheint mit einer groß en Sä ge, wie Holzhauer sie haben, und ruft: «Lassen Sie die Kinder in Ruhe, Frau Kö rner! »

21    «Es sind meine Kinder, Herr Palfy! »

22   «Meine auch», schreit er zurü ck. Und wä hrend er sich nä hert, erklä rt er trocken: «Ich werde die Kinder halbieren! Mit der Sä ge! Ich kriege eine halbe Lotte und von Luise eine Hä lfte, und Sie auch, Frau Kö rner! »

Was wird’s denn werden? »

«Eine Kinderoper», hat er geantwortet.

1      In den Augen der Lehrerinnen hat sich also Luise verä ndert. In den Augen des Kindes haben sich Resi und Peperl verä ndert. In den Augen des Vaters hat sich die Rotenturmstraß e verä ndert. So etwas von Verä nderei (сколько же изменений, сплошные изменения)!

2     Und in Mü nchen hat sich natü rlich auch allerhand (всякое = многое) verä ndert. – Als die Mutter gemerkt hat, dass Lottchen nicht mehr so hä uslich (хозяйственная) und in der Schule nicht mehr so fleiß ig ist, dafü r aber quirliger und lustiger als frü her, da ist sie in sich gegangen (задумалась, погрузилась в себя) und hat zu sich selber also gesprochen: «Luiselotte, du hast aus einem fü gsamen kleinen Wesen (из послушного маленького существа) eine Haushä lterin gemacht, aber kein Kind! Kaum war sie ein paar Wochen mit Gleichaltrigen (с ровесниками: gleich – равный + das Alter – возраст) zusammen, im Gebirge, an einem See, – schon ist sie geworden, was sie immer hä tte sein sollen (чем она всегда должа была быть): ein lustiges, von deinen Sorgen wenig beschwertes (твоими заботами мало обеспокоенная: «нагруженная») kleines Mä dchen! Du bist viel zu egoistisch gewesen, pfui (ай-яй-яй /нехорошо/)! Freu dich, dass Lottchen heiter und glü cklich ist! Mag sie getrost beim Abwaschen einen Teller zerschmettern (и пусть себе расколотит тарелку, ничего страшного в этом нет: «может она спокойно: «утешенно» при мытье посуды расколотить тарелку»)! Mag sie sogar von der Lehrerin einen Brief heimbringen: ‘Lottes Aufmerksamkeit, Ordnungsliebe und Fleiß lassen neuerdings leider bedenklich zu wü nschen ü brig (оставляют, к сожалению, значительно желать лучшего; ü brig – излишний; ü briglassen – оставлять / излишек /). Die Mitschü lerin Anni Habersetzer hat von ihr gestern schon wieder vier heftige Watschen erhalten (получила четыре сильные пощечины: die Watsche / южно - нем./ = die Ohrfeige).’ Eine Mutter hat – und hä tte sie noch so viele Sorgen (сколько бы у нее ни было забот) – vor allem die Pflicht (прежде всего обязанность, долг), ihr Kind davor zu bewahren (защитить, предохранить от того), dass es zu frü h aus dem Paradies der Kindheit vertrieben wird (чтобы он не был слишком рано изгнан из рая детства: das Paradí es; vertreiben)! »

3     So und ä hnlich hat Frau Kö rner ernst zu sich selber gesprochen, und eines Tages schließ lich auch zu Frä ulein Linnekogel, Lottes Klassenlehrerin. «Mein Kind», hat sie gesagt, «soll ein Kind sein, kein zu klein geratener Erwachsener (а не маленьким взрослым: «взрослым, который получился маленьким»)! Es ist mir lieber, sie wird ein frö hlicher, leidenschaftlicher Racker (проказник, хулиган), als dass sie um jeden Preis Ihre beste Schü lerin bleibt! »

4     «Aber frü her hat Lotte doch beides recht gut zu vereinbaren gewusst (умела сочетать)», hat Frä ulein Linnekogel, leicht pikiert, erklä rt.

5     «Warum sie das jetzt nicht mehr kann, weiß ich nicht. Als berufstä tige Frau weiß man ü berhaupt zu wenig von seinem Kind. Irgendwie muss es mit den Sommerferien zusammenhä ngen (должно быть, это как-то связано с летними каникулами). Aber eines weiß und sehe ich: Dass sie’s nicht mehr kann! Und das ist entscheidend (решающее)! »

6     Frä ulein Linnekogel hat energisch an ihrer Brille gerü ckt (подвинула = поправила). «Mir, als Erzieherin und Lehrerin Ihrer Tochter, sind leider andere Ziele gesteckt (поставлены другие цели: das Ziel). Ich muss und werde versuchen, die innere Harmonie des Kindes wieder herzustellen (внутреннюю гармонию... восстановить)! »

7     «Finden Sie wirklich, dass ein bisschen Unaufmerksamkeit in der Rechenstunde und ein paar Tintenkleckse (несколько чернильных клякс: die Tinte – чернила + der Klecks – клякса, пятно) im Schreibheft –«

8     «Ein gutes Beispiel, Frau Kö rner! Das Schreibheft! Gerade (как раз) Lottes Schrift zeigt, wie sehr das Kind die, ich mö chte sagen, seelische Balance (душевное равновесие) verloren hat. Aber lassen wir die Schrift beiseite! Finden Sie es in Ordnung (Вы находите в порядке вещей), dass Lotte neuerdings Mitschü lerinnen prü gelt (избивает)? »

9     «Mitschü lerinnen? » Frau Kö rner hat die Endung absichtlich sehr betont gehabt (намеренно подчеркнула окончание; die Absicht – намерение). «Meines Wissens (насколько я знаю) hat sie nur die Anni Habersetzer geschlagen.»

«Nur? »

10   «Und diese Anni Habersetzer hat die Ohrfeigen redlich verdient (пощечины честно заслужила = получила по заслугам)! Von irgendwem muss sie sie ja schließ lich kriegen! »

«Aber Frau Kö rner! »

11   «Ein groß es, gefrä ß iges Ding (прожорливое существо), das seine Gehä ssigkeit (злобность) heimlich an den Kleinsten der Klasse auszulassen pflegt (имеет обыкновение тайно срывать на самых маленьких), sollte von der Lehrerin noch in Schutz genommen werden (и еще берется: «должна бы еще браться» под защиту учительницей).»

12   «Wie bitte? Wirklich? Davon weiß ich ja gar nichts (Что? На самом деле? Я об этом ничего не знаю)! »

13   «Dann fragen Sie nur die arme kleine Ilse Merck! Vielleicht erzä hlt die Ihnen einiges! »

14   «Und warum hat mir Lotte nichts gesagt, als ich sie bestraft habe (когда я ее наказала)? »

15   Da hat sich Frau Kö rner ein wenig in die Brust geworfen (осмелела, всхорохорилась, «выпятила грудь»; sich in die Brust werfen = sich brü sten – хвалиться, чваниться) und geantwortet: «Dazu fehlt es ihr wohl (для этого ей, видимо, не хватает) an der, um mit Ihnen zu sprechen (выражаясь Вашими словами: «чтобы говорить с Вами»), seelischen Balance! » Und dann ist sie in den Verlag gesaust (помчалась). Um zurechtzukommen (чтобы прибыть вовремя), hat sie ein Taxi nehmen mü ssen. Zwei Mark dreiß ig. Ach, das liebe Geld (плакали денежки)!

 

1      In den Augen der Lehrerinnen hat sich also Luise verä ndert. In den Augen des Kindes haben sich Resi und Peperl verä ndert. In den Augen des Vaters hat sich die Rotenturmstraß e verä ndert. So etwas von Verä nderei!

2      Und in Mü nchen hat sich natü rlich auch allerhand verä ndert. – Als die Mutter gemerkt hat, dass Lottchen nicht mehr so hä uslich und in der Schule nicht mehr so fleiß ig ist, dafü r aber quirliger und lustiger als frü her, da ist sie in sich gegangen und hat zu sich selber also gesprochen: «Luiselotte, du hast aus einem fü gsamen kleinen Wesen eine Haushä lterin gemacht, aber kein Kind! Kaum war sie ein paar Wochen mit Gleichaltrigen zusammen, im Gebirge, an einem See, – schon ist sie geworden, was sie immer hä tte sein sollen: ein lustiges, von deinen Sorgen wenig beschwertes kleines Mä dchen! Du bist viel zu egoistisch gewesen, pfui! Freu dich, dass Lottchen heiter und glü cklich ist! Mag sie getrost beim Abwaschen einen Teller zerschmettern! Mag sie sogar von der Lehrerin einen Brief heimbringen: ‘Lottes Aufmerksamkeit, Ordnungsliebe und Fleiß lassen neuerdings leider bedenklich zu wü nschen ü brig. Die Mitschü lerin Anni Habersetzer hat von ihr gestern schon wieder vier heftige Watschen erhalten.’ Eine Mutter hat – und hä tte sie noch so viele Sorgen – vor allem die Pflicht, ihr Kind davor zu bewahren, dass es zu frü h aus dem Paradies der Kindheit vertrieben wird! »

3      So und ä hnlich hat Frau Kö rner ernst zu sich selber gesprochen, und eines Tages schließ lich auch zu Frä ulein Linnekogel, Lottes Klassenlehrerin. «Mein Kind», hat sie gesagt, «soll ein Kind sein, kein zu klein geratener Erwachsener! Es ist mir lieber, sie wird ein frö hlicher, leidenschaftlicher Racker, als dass sie um jeden Preis Ihre beste Schü lerin bleibt! »

4      «Aber frü her hat Lotte doch beides recht gut zu vereinbaren gewusst», hat Frä ulein Linnekogel, leicht pikiert, erklä rt.

5      «Warum sie das jetzt nicht mehr kann, weiß ich nicht. Als berufstä tige Frau weiß man ü berhaupt zu wenig von seinem Kind. Irgendwie muss es mit den Sommerferien zusammenhä ngen. Aber eines weiß und sehe ich: Dass sie’s nicht mehr kann! Und das ist entscheidend! »

6      Frä ulein Linnekogel hat energisch an ihrer Brille gerü ckt. «Mir, als Erzieherin und Lehrerin Ihrer Tochter, sind leider andere Ziele gesteckt. Ich muss und werde versuchen, die innere Harmonie des Kindes wieder herzustellen! »

So teuer bist du? »

6      «Dreitausend Mark und elf Pfennige! Und die Mundharmonika nehm ich auch mit! »

7      Das wurde ein Wochenende, – wie lauter Himbeeren mit Schlagsahne! Von Garmisch wanderten sie ü ber Grainau an den Baadersee. Dann an den Eibsee. Mit Mundharmonika und lautem Gesang. Dann ging’s durch hohe Wä lder bergab. Ü ber Stock und Stein. Walderdbeeren fanden sie. Und schö ne, geheimnisvolle Blumen. Lilienhaften Tü rkenbund und vielblü tigen lilafarbenen Enzian. Und Moos mit kleinen spitzen Helmen auf dem Kopf. Und winzige Alpenweilchen, die so sü ß dufteten, dass man’s gar nicht fassen konnte!

8      Abends gerieten sie in ein Dorf namens Gries. Dort nahmen sie ein Zimmer mit einem Bett. Und als sie, in der Gaststube aus dem Rucksack futternd, mä chtig geabendbrotet haben, schliefen sie zusammen in dem Bett! Drauß en auf den Wiesen geigten die Grillen eine kleine Nachtmusik...

9      Am Sonntagmorgen zogen sie weiter. Nach Ehrwald. Und Lermoos. Die Zugspitze glä nzte silberweiß. Die Bauern kamen in ihren Trachten aus der Kirche. Kü he standen auf der Dorfstraß e, als hielten sie einen Kaffeeklatsch.

10    Ü bers Tö rl ging’s dann. Das war Gekraxel, sakra, sakra! Neben einer Pferdeweide, inmitten Millionen von Wiesenblumen, gab’s gekochte Eier und Kä sebrote. Und als Nachtisch einen kleinen Mittagsschlaf im Grase.

11    Spä ter stiegen sie zwischen Himbeersträ uchern und gaukelnden Schmetterlingen zum Eibsee hinunter. Kuhglocken lä uteten den Nachmittag ein. Die Zugspitzbahn sahen sie in den Himmel kriechen. Der See lag winzig im Talkessel.

12    «Als ob der liebe Gott bloß mal so hingespuckt hä tte», sagte Luise versonnen.

13    Im Eibsee wurde natü rlich gebadet. Auf der Hotelterasse spendierte Mutti Kaffee und Kuchen. Und dann wurde es hö chste Zeit, nach Garmisch zurü ckzumarschieren.

14    Vergnü gt und braungebrannt saß en sie im Zug. Und der nette Herr gegenü ber wollte unter keinen Umstä nden glauben, dass das junge Mä dchen neben Luise die Mutti und noch dazu eine berufstä tige Frau sei.

15    Zu Hause fielen sie wie die Plumpsä cke in ihre Betten. Das Letzte, was das Kind sagte, war: «Mutti, heute war es so schö n, – so schö n wie nichts auf der Welt! »

16    Die Mutti lag noch eine Weile wach. So viel leicht erreichbares Glü ck hatt sie bis jetzt ihrem kleinen Mä dchen vorenthalten! Nun, es war noch nicht zu spä t. Noch ließ sich alles nachholen!

17    Dann schlief auch Frau Kö rner ein. Auf ihrem Gesicht trä umte ein Lä cheln. Es huschte ü ber ihre Wangen, wie der Wind ü ber den Eibsee.

18    Das Kind hatte sich verä ndert. Und nun begann sich also auch die junge Frau zu verä ndern.

Achtes Kapitel

 

Herr Gabele hat zu kleine Fenster – Kaffeebesuch am Kä rntner Ring – Diplomatische Gesprä che – Vä ter mü ssen streng sein kö nnen – Ein Lied in c-Moll – Heiratsplä ne – Koblenzallee 43 – Frä ulein Gerlach ist ganz Ohr – Hofrat Strobl ist recht besorgt – Der Kapellmeister streichelt eine Puppe

1      Lottchens Klavierkü nste liegen brach («лежат под паром», невозделанные = заброшены, замерли). Ihre Schuld ist es nicht (и это не ее вина). Aber der Vater hat neuerdings nicht mehr viel Zeit fü rs Stundengeben ü brig (сейчас у него больше нет много лишнего времени = ему не хватает времени для давания уроков; ü brig – лишний, в излишке). Vielleicht hä ngt es mit der Arbeit an der Kinderoper zusammen (связано)? Das ist schon mö glich (вполне возможно). Oder? Nun, kleine Mä dchen spü ren, wenn etwas nicht stimmt (чувствуют, чуют, если что-то не так: «не соответствует»). Wenn Vä ter von Kinderopern reden und ü ber Frä ulein Gerlach schweigen, – sie wittern (чуют) wie kleine Tiere, woher Gefahr droht (откуда грозит опасность).

 

1      Lottchens Klavierkü nste liegen brach. Ihre Schuld ist es nicht. Aber der Vater hat neuerdings nicht mehr viel Zeit fü rs Stundengeben ü brig. Vielleicht hä ngt es mit der Arbeit an der Kinderoper zusammen? Das ist schon mö glich. Oder? Nun, kleine Mä dchen spü ren, wenn etwas nicht stimmt. Wenn Vä ter von Kinderopern reden und ü ber Frä ulein Gerlach schweigen, – sie wittern wie kleine Tiere, woher Gefahr droht.

1      Lotte tritt, in der Rotenturmstraß e, aus der Wohnung und klingelt an der gegenü berliegenden Tü r (в противоположную дверь). Dahinter haust (за ней проживает) ein Maler namens (по имени) Gabele, ein netter, freundlicher Herr (приятный, дружелюбный), der Lotte gern einmal zeichnen (нарисовать /карандашом, не красками/) mö chte, wenn sie Zeit hat.

2     Herr Gabele ö ffnet. «Oh, die Luise! »

3     «Heute hab’ ich Zeit», sagt sie.

4     «Einen Augenblick (минуточку: «мгновение»)», ruft er, rast in sein Arbeitszimmer, nimmt ein groß es Tuch (платок, кусок ткани) vom Sofa und hä ngt damit ein auf der Staffelei (на мольберте) stehendes Bild zu (завешивает: zuhä ngen). Er malt gerade an einer klassischen Szene aus der Antike (из античности: die Antí ke). Dergleichen (подобное) eignet sich nicht immer (не всегда подходит, годится) fü r Kinder.

5     Dann fü hrt er die Kleine herein, setzt sie in einen Sessel, nimmt einen Block (блокнот) zur Hand und beginnt zu skizzieren (делать набросок; die Skizze – набросок). «Du spielst ja gar nicht mehr so oft Klavier! » meint er dabei.

6     «Hat es Sie sehr gestö rt (вам оно /пианино/ очень мешало)? »

7     «Kein Gedanke (вовсе нет; der Gedanke – мысль)! Im Gegenteil! Es fehlt mir geradezu (мне его прямо-таки не хватает)! »

8     «Vati hat nicht mehr so viel Zeit», sagt sie ernst. «Er komponiert an einer Oper. Es wird eine Kinderoper.»

9     Das freut Herrn Gabele zu hö ren. Dann wird er ä rgerlich. «Diese Fenster! » schimpft er. «Rein gar nix kann man sehen (совсем ничего не видно: «начисто вовсе ничего нельзя видеть»). Ein Atelier mü sste man haben (нужно бы иметь)! »

10   «Warum mieten Sie sich denn dann keines (почему же вы тогда не снимете себе /ателье/), Herr Gabele? »

11   «Weil’s keine zu mieten gibt! Ateliers sind selten (редки)! »

12   Nach einer Pause sagt das Kind: «Vati hat ein Atelier. Mit groß en Fenstern. Und Licht von oben.»

13   Herr Gabele brummt (бормочет, бурчит: brummen – рычать, реветь).

14   «Am Kä rntner Ring», ergä nzt Lotte. Und nach einer neuen Pause: «Zum Komponieren braucht man doch gar nicht so viel Licht wie zum Malen, nicht? »

15   «Nein», antwortet Herr Gabele.

16   Lotte tastet sich nun noch einen Schritt weiter vor (зондирует почву дальше: «прощупывает для себя дорогу еще на шаг вперед»). Sie sagt nachdenklich (задумчиво, раздумывая): «Eigentlich kö nnte doch Vati mit Ihnen tauschen (собственно, папа мог бы с вами поменяться)! Dann hä tten Sie grö ß ere Fenster und mehr Licht zum Malen. Und Vati hä tte seine Wohnung zum Komponieren hier, gleich neben (прямо: «сразу» возле) der anderen Wohnung! » Der Gedanke scheint sie enorm zu freuen (эта мысль, кажется, ее невероятно: «колоссально» радует: scheinen – казаться; enó rm – чрезмерный, колоссальный ). «Wä re das nicht sehr praktisch (/разве/ это не было бы удобно)? »

17   Herr Gabele kö nnte allerlei (мог бы всякое = много чего) gegen Lottes Gedankengä nge (против ходов мысли = рассуждений) einwenden (возразить). Weil das aber nicht angeht (является неуместным), erklä rt er lä chelnd: «Das wä r in der Tat (и в самом деле) sehr praktisch. Es fragt sich nur (вопрос только в том), ob der Papa der gleichen Meinung ist (того же мнения).»

18   Lotte nickt. «Ich werd ihn fragen! Gleich nachher (сразу после /встречи с вами/)! »

 

1      Lotte tritt, in der Rotenturmstraß e, aus der Wohnung und klingelt an der gegenü berliegenden Tü r. Dahinter haust ein Maler namens Gabele, ein netter, freundlicher Herr, der Lotte gern einmal zeichnen mö chte, wenn sie Zeit hat.

2      Herr Gabele ö ffnet. «Oh, die Luise! »

Herr Gabele brummt.

14    «Am Kä rntner Ring», ergä nzt Lotte. Und nach einer neuen Pause: «Zum Komponieren braucht man doch gar nicht so viel Licht wie zum Malen, nicht? »

Es klingelt.

6      Ludwig ö ffnet.

Und wer steht in der Tü r? Der ernste, scheue Fratz! Hat einen Strauß in der Hand, knickst und sagt: «Grü ß Gott, Vati! » Ich bring dir frische Blumen! » Dann spaziert sie ins Atelier, knickst kurz vor dem Besuch, nimmt eine Vase und verschwindet in der Kü che.

7      Irene lä chelt maliziö s. «Wenn man dich und deine Tochter sieht, hat man den Eindruck, dass du unter ihrem Pantoffel stehst.»

8      Der Herr Kapellmeister lacht verlegen. «Sie hat neuerdings eine so dezidierte Art zu handeln, und auß erdem ist das, was sie tut, so goldrichtig, – da kannst nix machen! »

9      Wä hrend Frä ulein Gerlach mit den schö nen Schultern zuckt, erscheint Lotte wieder auf der Bildflä che. Erst stellt sie die frischen Blumen auf den Tisch. Dann bringt sie Geschirr herbei und sagt, indessen sie die Tassen verteilt, zu Vati: «Ich koch nur rasch einen Kaffee. Wir mü ssen doch deinem Besuch etwas anbieten.»

10    Vati und sein Besuch schauen perplex hinter ihr drein. ‘Und ich hab dieses Kind fü r scheu gehalten! ’ denkt Frä ulein Gerlach. ‘Oje, war ich blö d! ’

11    Nach kurzer Zeit taucht Lotte mit Kaffee, Zucker und Sahne auf, schenkt – ganz Hausfrau – ein, fragt, ob Zucker gefä llig sei, schiebt dem Besuch die Sahne hin, setzt sich dann neben ihren Vati und meint freundlich lä chelnd: «Ich trinke zur Gesellschaft einen Schluck mit.»

Nein, eigentlich nicht.»

24    Das Kind holt tief Atem, blickt angestrengt auf seine Schü rze und fragt, als fiele ihm diese Frage eben erst ein: «Wenn du nun mit Herrn Gabele tauschtest, Vati? » Gott sei Dank, jetzt ist es heraus! Lotte blickt den Papa von schrä g unten an. Ihre Augen bitten furchtsam.

25    Der Vater schaut halb ä rgerlich, halb belustigt von dem kleinen Mä dchen zu der eleganten Dame, die gerade noch Zeit hat, ein sanft ironisches Lä cheln in ihr Gesicht zu zaubern.

26    «Dann hä tte der Herr Gabele ein Atelier», sagt das Kind, und die Stimme zittert ein wenig. «Mit so viel Licht, wie er braucht. Und du wohntest direkt neben uns. Neben Resi und mir.» Lottes Augen liegen, wenn man sich so ausdrü cken darf, vor des Vaters Blick auf den Knien. «Dann bist du allein, genau wie hier. Und wenn du nicht allein sein willst, kommst du bloß ü ber den Flur und bist da. Du brauchst nicht einmal einen Hut aufzusetzen. – Und mittags kö nnen wir daheim essen. – Wenn das Essen fertig ist, klingeln wir dreimal an deiner Tü r. – Wir kochen immer, was du willst. – Auch Geselchtes. – Und wenn du Klavier spielst, hö ren wir’s durch die Wand...» Die Kinderstimme klingt immer zö gernder. Sie erstirbt.

27    Frä ulein Gerlach steht abrupt auf. Sie muss schnellstens heim. Wie die Zeit vergeht! Es waren ja aber auch sooo interessante Gesprä che!

28    Herr Kapellmeister Palfy bringt seinen Gast hinaus. Er kü sst die duftende Frauenhand. «Auf heut Abend also», sagt er.

Wieso, Liebling? »

31    Sie lä chelt. «Vielleicht ziehst du gerade um! »

Er lacht.

33    «Lache nicht zu frü h! Wie ich deine Tochter kenne, hat sie bereits die Mö belpacker bestellt! » Wü tend rauscht die Dame treppab.

34    Als der Kapellmeister ins Atelier zurü ckkommt, ist Lotte schon dabei, das Kaffeegeschirr abzuwaschen. Er schlä gt ein paar Takte auf dem Flü gel an. Er geht mit groß en Schritten in dem Raum auf und ab. Er starrt auf die bekritzelten Partiturseiten.

35    Lotte gibt sich groß e Mü he, nicht mit den Tellern und Tassen zu klappern. – Als sie alles abgetrocknet und in den Schrank zurü ckgestellt hat, setzt sie ihr Hü tchen auf und geht leise ins Atelier hinü ber.

36    «Grü ß Gott, Vati...» «Grü ß Gott.»

Kommst du zum Abendsessen? »

Nein, heute nicht.»

39    Das Kind nickt langsam und hä lt ihm zum Abschied schü chtern die Hand hin.

40    «Hö r, Luise, – ich hab’s nicht gern, wenn sich andere Leute fü r mich den Kopf zerbrechen, auch meine Tochter nicht! Ich weiß selber, was fü r mich am besten ist.»

41    «Natü rlich, Vati», sagt sie ruhig und leise. Noch immer hä lt sie die Hand zum Abschied ausgestreckt.

42    Er drü ckt sie schließ lich doch und sieht dabei, dass dem Kind Trä nen in den Wimpern hä ngen. Ein Vater muss streng sein kö nnen. Also tut er, als sä he er nichts Auffä lliges, sondern nickt kurz und setzt sich an den Flü gel.

43    Lotte geht schnell zur Tü r, ö ffnet sie behutsam – und ist verschwunden.

44    Der Herr Kapellmeister fä hrt sich durchs Haar. Kinderträ nen, auch das noch! Dabei soll man nun eine Kinderoper komponieren! Es ist zum Teufelhaschen! Es ist nicht zum Ansehen, wenn so einem kleinen Geschö pf Trä nen in den Augen stehen! Sie hingen in den langen Wimpern wie Tautropfen an dü nnen Grashalmen...

45    Seine Hä nde schlagen einige Tö ne an. Er neigt lauschend den Kopf. Er spielt die Tonfolge noch einmal. Er wiederholt sie in der Sequenz. Es ist die Mollvariation eines frö hlichen Kinderliedes aus seiner Oper. Er ä ndert den Rhythmus. Er arbeitet.

46   Wozu doch Kinderträ nen gut sind! Ja, so ein Kü nstler ist fein heraus! Gleich wird er Notenpapier nehmen und Noten malen. Und zum Schluss wird er sich hochbefriedigt zurü cklehnen und die Hä nde reiben, weil ihm ein so wunderbar trauriges Lied in c-Moll gelungen ist. (Ist denn weit und breit kein Riese oder sonst jemand da, der ihm ab und zu die Hosen straffzieht? )

1      Wieder sind Wochen vergangen. Frä ulein Irene Gerlach hat den Auftritt (выступление; auftreten – выступать) im Atelier nicht vergessen. Sie hat den Vorschlag des Kindes, der Vater mö ge die Wohnung am Ring mit der des Malers Gabele tauschen, als das aufgefasst (восприняла), was es war: als Kampfansage (объявление войны; der Kampf – борьба; kä mpfen – бороться)! Eine richtige Frau – und Irene Gerlach ist, auch wenn Lotte sie nicht leiden mag, eine richtige Frau –, die lä sst sich nicht lange bitten (ее не надо долго упрашивать). Sie kennt ihre Waffen (свое оружие; die Waffe). Sie weiß, sie zu gebrauchen (умеет его: «их» использовать). Sie ist sich ihrer Wirkung bewusst (уверена в его действии; wirken – действовать, оказывать воздействие). Alle ihre Pfeile (стрелы: der Pfeil) hat sie auf die zuckende Zielscheibe (во вздрагивающую мишень), das Kü nstlerherz des Kapellmeisters, abgeschossen (выстрелила; schieß en – стрелять). Alle Pfeile haben ins Schwarze getroffen. Allesamt (все вместе) sitzen sie nun mit ihren Widerhaken (с крючками /затрудняющими вытаскивание/: wider – против + der Haken – крюк) im Herzen des Mannes, des geliebten Feindes (любимого врага), fest (сидят крепко: festsitzen). Er weiß sich keinen Rat mehr (не знает, что делать, в растерянности: «не знает больше совета»).

2     «Ich will, dass du meine Frau wirst», sagt er. Es klingt wie ein zorniger Befehl (звучит, как гневный приказ; der Zorn – гнев; befehlen – приказывать).

3     Sie streichelt sein Haar, lä chelt und meint spö ttisch (насмешливо; der Spott – насмешка): «Dann werde ich morgen mein bestes Kleid anziehen, Liebling, und bei deiner Tochter um deine Hand anhalten (попрошу твоей руки у твоей дочери).»

4     Wieder sitzt ein Pfeil in seinem Herzen. Und diesmal ist der Pfeil vergiftet (отравлена; das Gift – яд).

 

1      Wieder sind Wochen vergangen. Frä ulein Irene Gerlach hat den Auftritt im Atelier nicht vergessen. Sie hat den Vorschlag des Kindes, der Vater mö ge die Wohnung am Ring mit der des Malers Gabele tauschen, als das aufgefasst, was es war: als Kampfansage! Eine richtige Frau – und Irene Gerlach ist, auch wenn Lotte sie nicht leiden mag, eine richtige Frau –, die lä sst sich nicht lange bitten. Sie kennt ihre Waffen. Sie weiß, sie zu gebrauchen. Sie ist sich ihrer Wirkung bewusst. Alle ihre Pfeile hat sie auf die zuckende Zielscheibe, das Kü nstlerherz des Kapellmeisters, abgeschossen. Alle Pfeile haben ins Schwarze getroffen. Allesamt sitzen sie nun mit ihren Widerhaken im Herzen des Mannes, des geliebten Feindes, fest. Er weiß sich keinen Rat mehr.

Ganz still ist’s im Zimmer.

8      Eine Fliege versucht mit Gesumm, durch die geschlossene Fensterscheibe ins Freie zu fliegen. (Jeder Mensch kö nnte ihr erzä hlen, dass das vö llig aussichtslos ist und dass sie sich bloß ihren Insektenschä del einrennen wird! Die Fliegen sind eben dumm, aber die Menschen, die sind gescheit, was? )

9      «Ich habe mich entschlossen, wieder zu heiraten! »

10    «Nein! » sagt das Kind laut. Es klingt wie ein Schrei. Dann wiederholt es leise: «Bitte, nein, Vati, bitte nein, bitte, bitte nein! »

11    «Du kennst Frä ulein Gerlach bereits. Sie hat dich sehr gern. Und sie wird dir eine gute Mutter sein. Auf die Dauer wä re es sowieso schwierig und verfehlt, dich in einem frauenlosen Haushalt aufwachsen zu lassen.» (Ist es nicht rü hrend? Es fehlte nur noch, dass er behauptet, er wolle lediglich heiraten, damit das Kind endlich wieder eine Mutter hat! )

12    Lotte schü ttelt in einem fort den Kopf und bewegt dazu lautlos die Lippen. Wie ein Automat, der keine Ruhe findet. Es sieht beä ngstigend aus.

13    Deshalb blickt der Vater wieder weg und sagt: «Du wirst dich schneller, als du glaubst, in den neuen, ungewohnten Zustand finden. Bö se Stiefmü tter kommen nur noch in Mä rchen vor. Also, Luiserl, ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du bist der vernü nftigste kleine Kerl, den es gibt! » Er schaut auf die Uhr. «So. Jetzt muss ich gehen. Mit dem Luser den Rigoletto korrepetieren.» Und schon ist er aus der Tü r. Das Kind sitzt wie betä ubt.

14    Herr Palfy drü ckt sich an der Garderobe den Hut auf Kü nstlerhaupt. Da schreit es drin im Zimmer: «Vati! » Es klingt, als ob jemand erträ nke.

15    ‘In einem Wohnzimmer ertrinkt man nicht’, denkt Herr Palfy und entweicht. Er hat es sehr eilig. Denn er muss ja mit dem Kammersä nger Luser arbeiten!

1      Lotte ist aus ihrer Betä ubung erwacht (очнулась: «проснулась» из своего состояния одурманенности). Auch in der Verzweiflung (в отчаянии) bewahrt (охраняет) und bewä hrt sich (оправдывает себя) ihr praktischer Sinn (склад ума). Was ist zu tun (что следует делать)? Denn dass etwas getan werden muss (так как, что что-то должно быть сделано), steht fest (это бесспорно: «стоит крепко»). Niemals darf Vati eine andere Frau heiraten, niemals! Er hat ja eine Frau! Auch wenn (даже если) sie nicht mehr bei ihm ist. Niemals wird das Kind eine neue Mutter dulden (потерпит), niemals! Sie hat ja ihre Mutter, ihre ü ber alles geliebte Mutti!

2     Mutti kö nnte (могла бы) vielleicht helfen. Aber sie darf es nicht wissen. Sie darf das ganze groß e Geheimnis der beiden Kinder nicht wissen, und erst recht nicht (а тем более), dass der Vater dieses Frä ulein Gerlach zur Frau nehmen will!

3     So bleibt nur noch ein Weg. Und diesen Weg muss Lottchen selber gehen.

4     Sie holt das Telefonbuch. Sie blä ttert mit zittrigen Fingern (листает дрожащими пальцами; zittern – дрожать; der Finger). «Gerlach». Es gibt nicht sehr viele Gerlachs. «Gerlach, Stefan. Gen. Dir. der Wiener Gaststä tten GmbH (венских ресторанов ООО; GmbH = Gesellschaft mit beschrä nkter Haftung – общество с ограниченной отвественностью), Kobenzallee 43.» Vati hat neulich erzä hlt, dass Frä ulein Gerlachs Vater Restaurants und Hotels gehö ren, auch das Imperial, wo sie tä glich Mittag essen. «Kobenzallee 43.»

5     Nachdem Resi erklä rt hat, wie man zur Kobenzallee fahren muss, setzt sich das Kind den Hut auf, zieht den Mantel an und sagt: «Ich gehe weg (я ухожу).»

6     «Was willst du denn in der Kobenzallee? » fragt Resi neugierig.

7     «Ich muss wen sprechen (мне надо кое с кем поговорить).»

8     «Komm aber bald wieder! »

9     Das Kind nickt und macht sich auf den Weg (отправляется в путь).

 

1      Lotte ist aus ihrer Betä ubung erwacht. Auch in der Verzweiflung bewahrt und bewä hrt sich ihr praktischer Sinn. Was ist zu tun? Denn dass etwas getan werden muss, steht fest. Niemals darf Vati eine andere Frau heiraten, niemals! Er hat ja eine Frau! Auch wenn sie nicht mehr bei ihm ist. Niemals wird das Kind eine neue Mutter dulden, niemals! Sie hat ja ihre Mutter, ihre ü ber alles geliebte Mutti!

2     Mutti kö nnte vielleicht helfen. Aber sie darf es nicht wissen. Sie darf das ganze groß e Geheimnis der beiden Kinder nicht wissen, und erst recht nicht, dass der Vater dieses Frä ulein Gerlach zur Frau nehmen will!

Ich muss wen sprechen.»

8      «Komm aber bald wieder! »

Der Hofrat sitzt am Bett.

3      «Wie geht’s ihr denn? » fragt der Vater flü sternd.

4      «Nicht gut», antwortet der Hofrat. «Aber Sie kö nnen ruhig laut reden. Ich hab ihr eine Spritze gegeben.»

5      Lottchen liegt hochrot und schwer atmend in den Kissen. Sie hat das Gesicht schmerzlich verzogen, als tue ihr der kü nstliche Schlaf, zu dem sie der alte Arzt gezwungen hat, sehr weh.

Masern? »

Und was wollte sie? »

18    Frä ulein Gerlach lacht ä rgerlich. «Das lass dir nur auch von ihr erzä hlen! »

19    «Antworte bitte! »

20    Ein Glü ck, dass sie sein Gesicht nicht sehen kann!

21    «Wenn man’s genau nimmt, kam sie, um mir zu verbieten, deine Frau zu werden! » erwidert sie gereizt.

22    Er murmelt etwas und legt den Hö rer auf.

23    «Was fehlt ihr denn? » fragt Frä ulein Gerlach. Dann merkt sie, dass das Gesprä ch getrennt ist. «So ein kleines Biest», sagt sie halblaut. «Kä mpft mit allen Mitteln! Legt sich hin und spielt krank! »

1      Der Hofrat verabschiedet sich (прощается) und gibt noch einige Anweisungen (указания; weisen – указывать). Der Kapellmeister hä lt ihn an der Tü r zurü ck (удерживает). «Was fehlt dem Kind? »

2     «Nervenfieber. – Ich komme morgen in der Frü h wieder vorbei. Gute Nacht wü nsch ich.»

3     Der Kapellmeister geht ins Kinderzimmer, setzt sich neben das Bett und sagt zu Resi: «Ich brauche Sie nicht mehr. Schlafen Sie gut! »

4     «Aber es ist doch besser...»

5     Er schaut sie an (смотрит на нее).

6     Sie geht. Sie hat den Hut noch immer in der Hand.

7     Er streichelt das kleine heiß e Gesicht. Das Kind erschrickt im Fieberschlaf und wirft sich wild zur Seite.

8     Der Vater sieht sich im Zimmer um. Der Schulranzen liegt fertig gepackt auf dem Pultsitz. Daneben hockt Christl, die Puppe.

9     Er steht leise auf, holt die Puppe, lö scht das Licht aus (выключает, гасит: auslö schen) und setzt sich wieder ans Bett.

10   Nun sitzt er im Dunkeln und streichelt die Puppe, als wä re sie das Kind. Ein Kind, das vor seiner Hand nicht erschrickt.

 

1      Der Hofrat verabschiedet sich und gibt noch einige Anweisungen. Der Kapellmeister hä lt ihn an der Tü r zurü ck. «Was fehlt dem Kind? »

2      «Nervenfieber. – Ich komme morgen in der Frü h wieder vorbei. Gute Nacht wü nsch ich.»

3      Der Kapellmeister geht ins Kinderzimmer, setzt sich neben das Bett und sagt zu Resi: «Ich brauche Sie nicht mehr. Schlafen Sie gut! »

4      «Aber es ist doch besser...»

Er schaut sie an.

Nie.»

Der Besuch steht auf.

Und was werden Sie tun? »

19    «Wenn ich das wü sste! » sagt die junge Frau.

1      Luise steht vor einem Mü nchner Postschalter (перед окошечком почты; der Schalter – окошечко / кассы, банка, почты /). «Nein», sagt der Beamte fü r die postlagernden Sendungen (служащий, отвечающий за посылки /писем/ до востребования) bedauernd (с сожалением, сожалея). «Nein, Frä ulein Vergissmeinnicht, heut hä tten wir wieder nix.»

2     Luise blickt ihn unschlü ssig an (растерянно). «Was kann das nur bedeuten (что же это может значить, в чем же тут дело)? » murmelt sie bedrü ckt (удрученно; dr ü cken – давить, жать).

3     Der Beamte versucht zu scherzen (пытается шутить). «Vielleicht ist aus dem Vergissmeinnicht ein ‘Vergissmich’ geworden? »

4     «Das ganz gewiss nicht», sagt sie in sich gekehrt (погруженная: «повернутая» в себя). «Ich frag morgen wieder nach.»

5     «Wenn ich darum bitten darf (как вам будет угодно: «если я могу об этом попросить»)», erwidert er lä chelnd.

 

1      Luise steht vor einem Mü nchner Postschalter. «Nein», sagt der Beamte fü r die postlagernden Sendungen bedauernd. «Nein, Frä ulein Vergissmeinnicht, heut hä tten wir wieder nix.»

2      Luise blickt ihn unschlü ssig an. «Was kann das nur bedeuten? » murmelt sie bedrü ckt.

3      Der Beamte versucht zu scherzen. «Vielleicht ist aus dem Vergissmeinnicht ein ‘Vergissmich’ geworden? »

Die Mutter seufzt.

Die Mutter nickt.

10    «Und ich ja auch», gesteht das Kind. «Nach Lottchen und...»

Und deinem Vater, gelt? »

12    Luise nickt. Eifrig und schü chtern zugleich. «Und wenn ich bloß wü sste, warum Lottchen nicht mehr schreibt? »

Sie bleiben beide stehen.

Morgen kommt meine Frau.»

Ihre Frau? »

34    «Pst! Nicht so laut! Meine geschiedene Frau! Lottchens Mutter! »

«Lottchens? »

35    Er winkt lä chelnd ab. Woher soll sie’s denn wissen? «Das Luiserl kommt auch mit! »

36    «Das – wieso? Da liegt’s doch, das Luiserl! »

37    Er schü ttelt den Kopf. «Nein, das ist der Zwilling.»

38    «Zwilling? » Die Familienverhä ltnisse des Herrn Kapellmeister wachsen der armen Person ü ber den Kopf.

39    «Sorgen Sie dafü r, dass wir zu essen haben! Ü ber die Schlafgelegenheiten sprechen wir noch.»

40    «O du mei! » murmelt sie, wä hrend sie aus der Tü r schleicht.

41    Der Vater betrachtet das erschö pft schlummernde Kind, dessen Stirn feucht glä nzt. Mit einem Tuch tupft er sie behutsam trocken.

42    Das ist nun also die andere kleine Tochter! Sein Lottchen! Welche Tapferkeit und welche Willenskraft erfü llten dieses Kind, bevor es von Krankheit und Verzweiflung ü berwä ltigt wurde! Vom Vater hat es diesen Heldenmut wohl nicht. Von wem?

Von der Mutter?

44    Wieder lä utet das Telefon.

45    Resi steckt den Kopf ins Zimmer. «Frä ulein Gerlach! »

46    Herr Palfy schü ttelt, ohne sich umzuwenden, ablehnend den Kopf.

1      Frau Kö rner lä sst sich von Doktor Bernau wegen ‘dringender Familienangelegenheiten’ (по неотложным семейным обстоятельствам) Urlaub geben (дать ей отпуск). Sie telefoniert mit dem Flugplatz und bekommt fü r morgen frü h zwei Flugplä tze. Dann wird ein Koffer mit dem Notwendigsten gepackt (самым необходимым; notwendig – необходимый).

2     Die Nacht scheint endlos (кажется бесконечной), so kurz sie ist (как бы коротка она ни была). Aber auch endlos scheinende Nä chte vergehen.

 

1      Frau Kö rner lä sst sich von Doktor Bernau wegen ‘dringender Familienangelegenheiten’ Urlaub geben. Sie telefoniert mit dem Flugplatz und bekommt fü r morgen frü h zwei Flugplä tze. Dann wird ein Koffer mit dem Notwendigsten gepackt.

2      Die Nacht scheint endlos, so kurz sie ist. Aber auch endlos scheinende Nä chte vergehen.

1      Als am nä chsten Morgen der Herr Hofrat Strobl, von Peperl begleitet, vor dem Haus in der Rotenturmstraß e ankommt, fä hrt gerade ein Taxi vor (перед домом как раз останавливается такси).

2     Ein kleines Mä dchen steigt aus dem Auto – und schon springt Peperl wie besessen (как одержимый) an dem Kind hoch! Er bellt (лает), er dreht sich wie ein Kreisel, er wimmert vor Wonne (скулит, повизгивает от счаться: «блаженства»), er springt wieder hoch!

3     «Grü ß Gott, Peperl! Grü ß Gott, Herr Hofrat! »

4     Der Herr Hofrat vergisst vor Verblü ffung, den Gruß zu erwidern. Plö tzlich springt er, wenn auch nicht ganz so graziö s wie sein Peperl, auf das Kind zu und schreit:

5     «Bist du denn vö llig ü berg’schnappt (совсем с ума сошла; schnappen – защелкнуться, захлопнуться на замок)? Scher dich ins Bett (марш: «убирайся» в кровать)! »

6     Luise und der Hund sausen (мчатся) ins Haustor.

7     Eine junge Dame entsteigt dem Auto (выходит из машины).

8     «Den Tod wird sich’s holen, das Kind! » schreit der Herr Hofrat empö rt (возмущенно).

9     «Es ist nicht das Kind, das Sie meinen», sagt die junge Dame freundlich. «Es ist die Schwester.»

 

1      Als am nä chsten Morgen der Herr Hofrat Strobl, von Peperl begleitet, vor dem Haus in der Rotenturmstraß e ankommt, fä hrt gerade ein Taxi vor.

2      Ein kleines Mä dchen steigt aus dem Auto – und schon springt Peperl wie besessen an dem Kind hoch! Er bellt, er dreht sich wie ein Kreisel, er wimmert vor Wonne, er springt wieder hoch!

3      «Grü ß Gott, Peperl! Grü ß Gott, Herr Hofrat! »

4      Der Herr Hofrat vergisst vor Verblü ffung, den Gruß zu erwidern. Plö tzlich springt er, wenn auch nicht ganz so graziö s wie sein Peperl, auf das Kind zu und schreit:

5      «Bist du denn vö llig ü berg’schnappt? Scher dich ins Bett! »

Er nickt. «Gute Nacht.»

Gute Nacht.»

8      Wä hrend er langsam die Treppe hinabsteigt, ruft sie leise: «Ludwig! » Er dreht sich fragend um.

9      «Kommst du morgen zum Frü hstü ck? »

10    «Ich komme! »

11    Als sie die Tü r verschlossen und die Kette vorgehä ngt hat, bleibt sie noch eine Weile sinnend stehen. Er ist wirklich ä lter geworden. Fast sieht er schon wie ein richtiger Mann aus, ihr ehemaliger Mann!

12    Dann wirft sie den Kopf zurü ck und geht, den Schlaf ihrer und seiner Kinder mü tterlich zu bewachen.

1      Eine Stunde spä ter steigt, vor einem Haus am Kä rntner Ring, eine junge, elegante Dame aus einem Auto und verhandelt mit dem mü rrischen Portier (ведет переговоры с ворчливым портье).

2     «Der Herr Kapellmeister? » brummt er. «I woaß net (= ich weiß nicht), ob er droben ist (наверху ли = у себя ли он)! »

3     «Im Atelier ist Licht», sagt sie. «Also ist er da! Hier! »

4     Sie drü ckt ihm Geld in die Hand und eilt, an ihm vorbei (мимо него), zur Stiege (к лестнице /южно-нем./; steigen – подниматься; die Stiege – / узкая, крутая / лестница).

5     Er betrachtet den Geldschein (рассматривает купюру) und schlurft (плетется, шаркая) in seine Wohnung zurü ck.

6     «Du? » fragt Ludwig Palfy oben an der Tü r.

7     «Erraten (угадал)! » bemerkt Irene Gerlach bissig (ехидно; beiß en – кусать) und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zü ndet sich eine Zigarette an (зажигает: anzü nden) und mustert den Mann abwartend.

8     Er sagt nichts.

9     «Warum lä sst du dich am Telefon verleugnen (почему ты приказал говорить по телефону, что тебя нет дома; verleugnen – отрицать, отрекаться)? » fragt sie. «Findest du das sehr geschmackvoll (со вкусом = остроумно; der Geschmack – вкус)? »

10   «Ich hab mich nicht verleugnen lassen.»

11   «Sondern (а /что же ты сделал/)? »

12   «Ich war nicht fä hig (не в состоянии; f ä hig – способный /что-либо сделать/), mit dir zu sprechen. Mir war nicht danach zumute (не был к этому расположен, не до этого мне было). Das Kind war schwer krank.»

13   «Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wä rst du doch in der Rotenturmstraß e.»

14   Er nickt. «Ja, es geht ihm besser. Auß erdem ist meine Frau drü ben.»

15   «Wer? »

16   «Meine Frau. Meine geschiedene Frau. Sie kam heute Morgen mit dem anderen Kind.»

17   «Mit dem anderen Kind? » echot (повторила, как эхо; das Echo) die junge, elegante Frau.

18   «Ja, es sind Zwillinge. Erst war das Luiserl bei mir. Seit Ferienschluss dann das andere. Doch das hab ich gar nicht gemerkt. Ich weiß es erst seit gestern.»

19   Die Dame lacht bö se. «Raffiniert eingefä delt von deiner Geschiedenen (утонченно проделанно твоей бывшей: «разведенной»; der Faden – нитка; einfä deln – вдевать нитку; затевать)! » «Sie weiß es auch erst seit gestern», meint er ungeduldig (нетерпеливо = раздраженно).

20   Irene Gerlach verzieht ironisch die schö n gemalten Lippen. «Die Situation ist nicht unpikant, gelt (не правда ли)? In der einen Wohnung sitzt eine Frau, mit der du nicht mehr, und in der anderen eine, mit der du noch nicht verheiratet bist! »

21   Ihn packt der Ä rger (охватывает гнев, раздражение: der Ä rger). «Es gibt noch viel mehr Wohnungen, wo Frauen sitzen, mit denen ich noch nicht verheiratet bin! »

22   «Oh! » Sie erhebt sich. «Witzig (остроумным) kannst du auch sein? »

23   «Entschuldige, Irene, ich bin nervö s! »

24   «Entschuldige, Ludwig, ich auch! »

25   Bums! Die Tü r ist zu (захлопнулась: «закрыта, захлопнута»), und Frä ulein Gerlach ist gegangen!

26   Nachdem Herr Palfy einige Zeit auf die Tü r gestarrt hat, wandert er zum Bö sendorfer Flü gel hinü ber, blä ttert in den Noten zu seiner Kinderoper und setzt sich, ein Notenblatt herausgreifend (выхватив), vor die Tasten.

27   Eine Zeitlang (некоторое время) spielt er vom Blatt. Einen strengen, schlichten (простой, скромный, незатейливый) Kanon, in einer der alten Kirchentonarten. Dann moduliert er. Von Dorisch nach c-Moll. Von c-Moll nach Es-Dur. Und langsam, ganz langsam schä lt sich aus der Paraphrase (рождается: «вышелушивается»; die Schale – скорлупа, кожура, шелуха) eine neue Melodie heraus. Eine Melodie, so einfach und herzgewinnend (покоряющая, проникающая в сердце; gewinnen – побеждать; привлекать), als ob zwei kleine Mä dchen mit ihren hellen, reinen Kinderstimmen sie sä ngen. Auf einer Sommerwiese. An einem kü hlen Gebirgssee, in dem sich der blaue Himmel spiegelt. Jener Himmel, der hö her ist als aller Verstand (чем всякий, любой разум), und dessen Sonne die Kreaturen (существа, твари: die Kreatú r) wä rmt und bescheint, ohne zwischen den Guten, den Bö sen und den Lauen einen Unterschied zu machen (не делая различия между добрыми, злыми и «чуть теплыми» = не особенно добрыми и не особенно злыми, безразличными).

 

1      Eine Stunde spä ter steigt, vor einem Haus am Kä rntner Ring, eine junge, elegante Dame aus einem Auto und verhandelt mit dem mü rrischen Portier.

2      «Der Herr Kapellmeister? » brummt er. «I woaß net, ob er droben ist! »

3      «Im Atelier ist Licht», sagt sie. «Also ist er da! Hier! »

4      Sie drü ckt ihm Geld in die Hand und eilt, an ihm vorbei, zur Stiege.

5      Er betrachtet den Geldschein und schlurft in seine Wohnung zurü ck.

6      «Du? » fragt Ludwig Palfy oben an der Tü r.

7      «Erraten! » bemerkt Irene Gerlach bissig und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zü ndet sich eine Zigarette an und mustert den Mann abwartend.

Er sagt nichts.

9      «Warum lä sst du dich am Telefon verleugnen? » fragt sie. «Findest du das sehr geschmackvoll? »

Sondern? »

12    «Ich war nicht fä hig, mit dir zu sprechen. Mir war nicht danach zumute. Das Kind war schwer krank.»

13    «Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wä rst du doch in der Rotenturmstraß e.»

14    Er nickt. «Ja, es geht ihm besser. Auß erdem ist meine Frau drü ben.»

Wer? »

Elftes Kapitel

 

Ein doppelter Geburtstag und ein einziger Geburtstagswunsch – Die Eltern ziehen sich zur Beratung zurü ck – Daumen halten! – Gedrä nge am Schlü sselloch – Missverstä ndnisse und Einverstä ndnis

1      Die Zeit, die, wie man weiß, Wunden heilt (исцеляет раны: die Wunde), heilt auch Krankheiten. Lottchen ist wieder gesund. Sie trä gt auch wieder ihre Zö pfe und Zopfschleifen. Und Luise hat wie einst ihre Locken und schü ttelt sie nach Herzenslust (сколько угодно: «по желанию сердца»: das Herz + die Lust).

2     Sie helfen der Mutti und der Resi beim Einkaufen und in der Kü che. Sie spielen gemeinsam im Kinderzimmer. Sie singen zusammen, wä hrend Lottchen oder gar Vati (даже папа) am Klavier sitzt. Sie besuchen Herrn Gabele in der Nachbarwohnung. Oder sie fü hren Peperl aus, wenn der Herr Hofrat Sprechstunde hat (прием /посетителей/). Der Hund hat sich mit dem zwiefachen Luiserl abgefunden (примирился с, привык к двойной Луизочке), indem (тем способом, что) er seine Fä higkeit (способность; zu etwas fä hig sein – быть способным на что - либо), kleine Mä dchen gern zu haben (любить маленьких девочек), zunä chst verdoppelt (сначала удвоил) und dann diese Zuneigung halbiert hat (а потом эту склонность разделил надвое). Man muss sich zu helfen wissen (нужно же уметь помочь себе = находить выход из положения; каждый спасается, как может).

3     Und manchmal, ja, da schauen sich die Schwestern ä ngstlich in die Augen. Was wird werden (что же будет, что же /нас всех/ ждет)?

 

1      Die Zeit, die, wie man weiß, Wunden heilt, heilt auch Krankheiten. Lottchen ist wieder gesund. Sie trä gt auch wieder ihre Zö pfe und Zopfschleifen. Und Luise hat wie einst ihre Locken und schü ttelt sie nach Herzenslust.

2      Sie helfen der Mutti und der Resi beim Einkaufen und in der Kü che. Sie spielen gemeinsam im Kinderzimmer. Sie singen zusammen, wä hrend Lottchen oder gar Vati am Klavier sitzt. Sie besuchen Herrn Gabele in der Nachbarwohnung. Oder sie fü hren Peperl aus, wenn der Herr Hofrat Sprechstunde hat. Der Hund hat sich mit dem zwiefachen Luiserl abgefunden, indem er seine Fä higkeit, kleine Mä dchen gern zu haben, zunä chst verdoppelt und dann diese Zuneigung halbiert hat. Man muss sich zu helfen wissen.

3      Und manchmal, ja, da schauen sich die Schwestern ä ngstlich in die Augen. Was wird werden?

1      Am 14. Oktober haben die beiden Mä dchen Geburtstag. Sie sitzen mit den Eltern im Kinderzimmer. Zwei Kerzenbä ume brennen (зажжены: «горят» две елки; die Kerze – свеча), jeder mit zehn Lichtern. Selbstgebackenes (выпечка: «самоиспеченное», испеченное своими руками; backen – печь, выпекать) und dampfende Schokolade hat’s gegeben.

2     Vati hat einen wunderschö nen «Geburtstagsmarsch fü r Zwillinge» gespielt. Nun dreht er sich auf dem Klavierschemel herum und fragt: «Warum haben wir euch eigentlich nichts schenken dü rfen? »

3     Lottchen holt tief Atem und sagt: «Weil wir uns etwas wü nschen wollen, was man nicht kaufen kann! »

4     «Was wü nscht ihr euch denn (что же вы желаете, хотите)? » fragt die Mutti.

5     Nun ist Luise an der Reihe (на очереди = теперь ее очередь), tief Luft zu holen. Dann erklä rt sie, zapplig (непоседливая, суетливая = крутящаяся; zappeln – барахтаться; биться, трепетать; сучить ногами, размахивать, двигать руками) vor Aufregung (от волнения; sich aufregen – разволноваться): «Lotte und ich wü nschen uns von euch zum Geburtstag, dass wir von jetzt ab (начиная с этого момента) immer zusammenbleiben dü rfen! » Endlich ist es heraus!

6     Die Eltern schweigen.

7     Lotte sagt ganz leise: «Dann braucht ihr uns auch nie im Leben wieder etwas zu schenken! Zu keinem Geburtstag mehr. Und zu keinem Weihnachtsfest (на Рождество: das Weihnachten – Рождество + das Fest – праздник; weihen – освящать) auf der ganzen Welt! »

8     Die Eltern schweigen noch immer.

9     «Ihr kö nnt es doch wenigstens versuchen (хотя бы попробовать)! » Luise hat Trä nen in den Augen. «Wir werden bestimmt gut folgen (слушаться: «следовать»). Noch viel mehr als jetzt. Und es wird ü berhaupt alles viel, viel schö ner werden! »

10   Lotte nickt. «Das versprechen wir euch (обещаем)! »

11   «Mit groß em Ehrenwort und allem («с большим честным словом и тому подобным»; die Ehre – честь)», fü gt Luise hastig hinzu (торопливо добавляет).

12   Der Vater steht vom Klaviersessel auf. «Ist es dir recht (тебе будет удобно, как насчет того), Luiselotte, wenn wir nebenan (возле = в соседней комнате) ein paar Worte miteinander sprechen? »

13   «Ja, Ludwig», erwidert seine geschiedene Frau. Und nun gehen die zwei ins Nebenzimmer. Die Tü r schließ t sich hinter ihnen.

14   «Daumen halten (держать большой палец /на счастье/ = ни пуха ни пера)! » flü stert Luise aufgeregt. Vier kleine Daumen werden von vier kleinen Hä nden umklammert (обхватываются) und gedrü ckt (сжимаются). Lotte bewegt tonlos die Lippen (шевелит: «двигает» беззвучно губами).

15   «Betest du (молишься)? » fragt Luise.

16   Lotte nickt.

17   Da fä ngt auch Luise an, die Lippen zu bewegen. «Komm, Herr Jesus, sei unser Gast (будь нашим гостем), und segne (благослови), was du uns bescheret hast (то, что ты нам подарил, чем нас наделил /молитва перед едой/)! » murmelt sie, halblaut (вполголоса).

18   Lotte schü ttelt unwillig (недовольно) die Zö pfe.

19   «Es passt nicht (/это/ не подходит)», flü stert Luise entmutigt (обескураженно). «Aber mir fä llt nichts anderes ein (но мне не приходит ничего другого в голову: einfallen). –Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne...»

20   «Wenn wir einmal von uns beiden gä nzlich absehen (если вовсе не говорить о нас, если исключить нас /из данных соображений/)», sagt gerade Herr Palfy nebenan und schaut unentwegt (неуклонно = неотрывно, упорно) auf den Fuß boden, «so wä re es zweifellos das Beste (было бы, несомненно, самым лучшим; der Zweifel – сомнение; zweifeln – сомневаться), die Kinder wü rden nicht wieder getrennt (если бы дети не были снова разделены, разлучены).»

21   «Bestimmt», meint die junge Frau. «Wir hä tten sie nie auseinanderreiß en sollen (мы вовсе: «никогда» не должны были отрывать их друг от друга).»

22   Er schaut noch immer auf den Fuß boden. «Wir haben vieles gutzumachen (нам нужно /еще/ многое загладить).» Er rä uspert sich (откашливается). «Ich bin also damit einverstanden (итак, поэтому я согласен с тем), dass du – dass du beide Kinder zu dir nach Mü nchen nimmst.»

23   Sie greift sich ans Herz (хватается за сердце).

24   «Vielleicht», fä hrt er fort (продолжает), «erlaubst du (разрешишь, позволишь), dass sie mich im Jahr vier Wochen besuchen? » Als sie nichts erwidert, meint er: «Oder drei Wochen? Oder vierzehn Tage wenigstens? Denn, obwohl du es am Ende nicht glauben wirst, ich hab die beiden sehr lieb (очень люблю).»

25   «Warum soll ich dir das denn nicht glauben? » hö rt er sie erwidern.

26   Er zuckt die Achseln. «Ich hab es zu wenig bewiesen (слишком мало доказал, доказывал: beweisen)! »

27   «Doch (да нет же, напротив)! An Lottchens Krankenbett! » sagt sie. «Und woher willst du wissen (и почему ты так уверен), dass die beiden so glü cklich wü rden, wie wir’s ihnen wü nschen, wenn sie ohne Vater aufwachsen (вырастут)? »

28   «Ohne dich ginge es doch erst recht nicht (уж точно бы не вышло, не получилось)! »

29   «Ach, Ludwig, hast du wirklich nicht gemerkt (действительно не заметил), wonach sich die Kinder sehnen (к чему стремятся, чего страстно желают; sich nach etwas sehnen – тосковать по чему - либо, страстно желать чего - либо), und was sie nur nicht auszusprechen gewagt haben (и что они только высказать не решились, не осмелились)? »

30   «Natü rlich hab ich’s gemerkt! » Er tritt ans Fenster. «Natü rlich weiß ich, was sie wollen! » Ungeduldig zerrt er an dem Fensterwirbel (дергает оконную ручку; der Fensterwirbel = der Fenstergriff). «Sie wollen, dass auch du und ich zusammenbleiben! »

31   «Vater und Mutter wollen sie haben, unsere Kinder! Ist das unbescheiden (нескромно = нескромное желание, хотят слишко многого)? » fragt die junge Frau forschend (испытующе; forschen – исследовать).

32   «Nein! Aber es gibt auch bescheidene Wü nsche, die nicht erfü llbar sind (неисполнимы; erfü llen – исполнять; fü llen – наполнять)! »

33   Er steht am Fenster wie ein Junge, der in die Ecke gestellt wurde (который был поставлен в угол = которого поставили в угол) und der aus Trotz (из упрямства: der Trotz) nicht wieder hervorkommen will (не хочет выйти /вперед/).

34   «Warum nicht erfü llbar? »

35   Ü berrascht wendet er sich um (удивленно оборачивается; ü berraschen – захватить врасплох, сделать сюрприз)! «Das fragst du mich? Nach allem, was war? »

36   Sie schaut ihn ernst an und nickt, kaum merklich (едва заметно). Dann sagt sie: «Ja! Nach allem, was gewesen ist! »

37   Luise steht an der Tü r und presst ein Auge ans Schlü sselloch (прижимает глаз к замочной скважине: der Schlü ssel – ключ + das Loch – дырка). Lotte steht daneben und hä lt beide kleinen Fä uste (кулачки: die Faust), die Daumen kneifend (крепко зажав большие пальцы: kneifen – щипать; поджимать; врезываться), weit von sich (далеко от себя /разведя руки/).

38   «Oh, oh, oh! » murmelt Luise. «Vati gibt Mutti einen Kuss! »

39   Lottchen schiebt, ganz gegen ihre Gewohnheit (совершенно вопреки своему обыкновению), die Schwester unsanft beiseite (отталкивает бесцеремонно в сторону; sanft – нежно, тихо) und starrt (смотрит, уставившись, неподвижно) nun ihrerseits (теперь в свою очередь: «со своей стороны») durchs Schlü sselloch.

40   «Nun (ну /и как/)? » fragt Luise. «Noch immer (все еще)? »

41   «Nein», flü stert Lottchen und richtet sich strahlend hoch (выпрямляется, сияя: sich hochrichten; der Strahl – луч). «Jetzt gibt Mutti Vati einen Kuss! »

42   Da fallen sich die Zwillinge jauchzend in die Arme (бросаются, ликуя, обрадованно крича, в объятия)!

 

1      Am 14. Oktober haben die beiden Mä dchen Geburtstag. Sie sitzen mit den Eltern im Kinderzimmer. Zwei Kerzenbä ume brennen, jeder mit zehn Lichtern. Selbstgebackenes und dampfende Schokolade hat’s gegeben.

2      Vati hat einen wunderschö nen «Geburtstagsmarsch fü r Zwillinge» gespielt. Nun dreht er sich auf dem Klavierschemel herum und fragt: «Warum haben wir euch eigentlich nichts schenken dü rfen? »

3      Lottchen holt tief Atem und sagt: «Weil wir uns etwas wü nschen wollen, was man nicht kaufen kann! »

4      «Was wü nscht ihr euch denn? » fragt die Mutti.

5      Nun ist Luise an der Reihe, tief Luft zu holen. Dann erklä rt sie, zapplig vor Aufregung: «Lotte und ich wü nschen uns von euch zum Geburtstag, dass wir von jetzt ab immer zusammenbleiben dü rfen! » Endlich ist es heraus!

Die Eltern schweigen.

7      Lotte sagt ganz leise: «Dann braucht ihr uns auch nie im Leben wieder etwas zu schenken! Zu keinem Geburtstag mehr. Und zu keinem Weihnachtsfest auf der ganzen Welt! »

Betest du? » fragt Luise.

Lotte nickt.

17    Da fä ngt auch Luise an, die Lippen zu bewegen. «Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast! » murmelt sie, halblaut.

18    Lotte schü ttelt unwillig die Zö pfe.

19    «Es passt nicht», flü stert Luise entmutigt. «Aber mir fä llt nichts anderes ein. –Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne...»

20    «Wenn wir einmal von uns beiden gä nzlich absehen», sagt gerade Herr Palfy nebenan und schaut unentwegt auf den Fuß boden, «so wä re es zweifellos das Beste, die Kinder wü rden nicht wieder getrennt.»

21    «Bestimmt», meint die junge Frau. «Wir hä tten sie nie auseinanderreiß en sollen.»

22    Er schaut noch immer auf den Fuß boden. «Wir haben vieles gutzumachen.» Er rä uspert sich. «Ich bin also damit einverstanden, dass du – dass du beide Kinder zu dir nach Mü nchen nimmst.»

Sie greift sich ans Herz.

24    «Vielleicht», fä hrt er fort, «erlaubst du, dass sie mich im Jahr vier Wochen besuchen? » Als sie nichts erwidert, meint er: «Oder drei Wochen? Oder vierzehn Tage wenigstens? Denn, obwohl du es am Ende nicht glauben wirst, ich hab die beiden sehr lieb.»

25    «Warum soll ich dir das denn nicht glauben? » hö rt er sie erwidern.

26    Er zuckt die Achseln. «Ich hab es zu wenig bewiesen! »

27    «Doch! An Lottchens Krankenbett! » sagt sie. «Und woher willst du wissen, dass die beiden so glü cklich wü rden, wie wir’s ihnen wü nschen, wenn sie ohne Vater aufwachsen? »

28    «Ohne dich ginge es doch erst recht nicht! »

Wo? »

6      «Rechts! Die mit dem groß en Hut! Und mit der Zeitung in der Hand! » Luise schielt zu der eleganten Dame hinü ber. Am liebsten mö chte sie ihr triumphierend die Zunge herausstrecken.

Sie nickt.

4      «Es war schon lange Lottchens Wunsch, bevor’s auch der meinige wurde», erzä hlt er zö gernd. «Gabele hat den Feldzugsplan bis ins kleinste ausgearbeitet und die Schlacht der Mö belwagen eingeleitet.»

Was? »

13    «Dass man verlorenes Glü ck nachholen kann wie eine versä umte Schulstunde.»

14    Er deutet auf ein Bild an der Wand. Aus dem Rahmen schaut, von Gabele gezeichnet, ein kleines, ernstes Kindergesicht auf die Eltern herab. «Jede Sekunde unseres neuen Glü cks», sagt er, «verdanken wir unseren Kindern.»

1      Luise steht, mit einer Kü chenschü rze geschmü ckt (украшенная кухонным фартуком = наряженная в...), auf einem Stuhl und heftet mit Reiß zwecken (прикрепляет кнопками: die Reiß zwecke) die Titelseite der Mü nchner Illustrierten an die Wand.

2     «Schö n», sagt Resi andä chtig.

3     Lottchen, gleichfalls (также) in einer Kü chenschü rze, werkelt eifrig am Herd (что-то там колдует усердно, энергично у плиты; werken – работать, мастерить; werkeln – поделывать, возиться с чем - то / непрофессионально /; der Herd).

4     Resi tupft sich eine Trä ne aus dem Augenwinkel (вытирает: «промокает» /кончиком платка или фартука/ «слезу из уголка глаза»; der Winkel – угол), schnü ffelt (сопит носом) leise und fragt dann, noch immer vor der Fotografie stehend: «Welche von euch beiden ist denn nun eigentlich welche? »

5     Die kleinen Mä dchen schauen einander betroffen an.

Dann starren sie auf die angezweckte Fotografie. Dann blicken sie erneut einander an.

6     «Also...», sagt Lottchen unschlü ssig.

7     «Ich saß, als uns der Herr Eipeldauer knipste, glaub ich, links», meint Luise nachdenklich.

8     Lotte schü ttelt zaudernd den Kopf. «Nein, ich saß links. Oder? »

9     Die zwei recken die Hä lse zu ihrem Konterfei empor (вытягивают шеи вверх к своему изображению: das Konterfei – изображение, портрет / устар., здесь – шутливо /; от франц. contrefait – скопированный, изображенный).

10   «Ja, wenn ihr’s selber nicht wisst, welche welche ist! » schreit die Resi auß er sich (вне себя) und beginnt zu lachen.

11   «Nein, wir wissen’s wirklich selber nicht! » ruft Luise begeistert. Und nun lachen alle drei, dass ihr Gelä chter bis in die Nebenwohnung hinü berdringt (проникает).

12   Dort drü ben fragt die Frau, fast erschrocken: «Wirst du denn bei solchem Lä rm arbeiten kö nnen? »

13   Er geht an den Flü gel und sagt, wä hrend er den Deckel ö ffnet: «Nur bei solchem Lä rm! » Und indes (в то время как, между тем как) nebenan das Gelä chter einschlä ft, spielt er seiner Frau aus der Kinderoper das Duett in Es-Dur vor, das bis in die Kü che der Nachbarwohnung dringt. Die drei hantieren (хлопочут, возятся) so leise wie mö glich, um sich auch ja keinen Ton entgehen zu lassen (чтобы не упустить; entgehen – ускользать).

14   Als das Lied verklungen ist (отзвучала: verklingen; klingen – звучать), fragt Lottchen verlegen:

15   «Wie ist das eigentlich, Resi? Wo nun Vati und Mutti wieder mit uns zusammen sind, kö nnen Luise und ich doch noch Geschwister bekommen? »

16   «Ja freilich! » erklä rt Resi zuversichtlich (уверенно; die Zuversicht – уверенность, глубокое убеждение). «Wollt ihr denn welche haben (хотите /братьев и сестер/ иметь)? »

17   «Natü rlich», meint Luise energisch.

18   «Buben oder Mä del (das Mä del / южно - нем./ = das Mä dchen)? » erkundigt sich Resi (осведомляется, справляется) angelegentlich (входя в детали, настоятельно; die Angelegenheit – дело, вопрос).

19   «Buben und Mä del! » sagt Lotte.

20   Luise aber ruft aus Herzensgrund (от всей души: «из глубины сердца»): «Und lauter Zwillinge (и сплошные близнецы, и только чтобы были близнецы)! »

 

1      Luise steht, mit einer Kü chenschü rze geschmü ckt, auf einem Stuhl und heftet mit Reiß zwecken die Titelseite der Mü nchner Illustrierten an die Wand.

2      «Schö n», sagt Resi andä chtig.

3      Lottchen, gleichfalls in einer Kü chenschü rze, werkelt eifrig am Herd.

4      Resi tupft sich eine Trä ne aus dem Augenwinkel, schnü ffelt leise und fragt dann, noch immer vor der Fotografie stehend: «Welche von euch beiden ist denn nun eigentlich welche? »

5      Die kleinen Mä dchen schauen einander betroffen an.

Erstes Kapitel

 

Seebü hl am Bü hlsee – Kinderheime sind wie Bienenstö cke – Ein Autobus mit zwanzig Neuen – Locken und Zö pfe – Darf ein Kind dem anderen die Nase abbeiß en? – Der englische Kö nig und sein astrologischer Zwilling – Ü ber die Schwierigkeit, Lachfä ltchen zu kriegen

1      Kennt ihr eigentlich (собственно говоря) Seebü hl? Das Gebirgsdorf (горную деревню; das Gebirge – горы, горная местность) Seebü hl? Seebü hl am Bü hlsee (на озере Бюль, на Бюльзее; der See – озеро)? Nein? Nicht? Merkwü rdig (странно) – keiner, den man fragt, kennt Seebü hl! Womö glich gehö rt (возможно, относится) Seebü hl am Bü hlsee zu den Ortschaften (к тем населенным пунктам), die ausgerechnet (как раз) nur jene (те) Leute kennen, die man nicht fragt? Wundern wü rde mich’s nicht (это бы меня не удивило). So etwas gibt’s (такое бывает).

2     Nun, wenn ihr Seebü hl am Bü hlsee nicht kennt, kö nnt ihr natü rlich auch das Kinderheim (детский дом /отдыха/) in Seebü hl am Bü hlsee nicht kennen, das bekannte Ferienheim fü r kleine Mä dchen. Aber es macht nichts (но не беда). Kinderheime ä hneln einander (похожи друг на друга) wie Vierpfundbrote (как двухкилограммовые: «четырехфунтовые» буханки хлеба) oder Hundsveilchen (собачьи фиалки); wer eines kennt, kennt sie alle. Und wer an ihnen vorü berspaziert (мимо них прогуливается, проходит), kö nnte (мог бы) denken, es seien riesengroß e Bienenstö cke (что это громадные пчелиные ульи; die Biene – пчела). Es summt (жужжит) von Gelä chter, Geschrei (от смеха, крика), Getuschel (шушуканья; tuscheln – шушукаться, шептаться) und Gekicher (и хихиканья; kichern – хихикать). Solche Ferienheime sind Bienenstö cke des Kinderglü cks und Frohsinns (радости: der Frohsinn). Und so viele es geben mag (и сколько бы их не было: «могло быть»), wird es doch nie genug davon geben kö nnen (их никогда не будет достаточно).

3     Freilich (правда, однако) abends, da setzt sich zuweilen (подчас) der graue Zwerg (серый гном) Heimweh (тоски по дому: die Heimweh) an die Betten im Schlafsaal, zieht sein graues Rechenheft (счетную тетрадь) und den grauen Bleistift aus der Tasche und zä hlt ernsten Gesichts (с серьезным лицом: das Gesicht) die Kinderträ nen (детские слезы; die Tr ä ne) ringsum (вокруг) zusammen (zusammenz ä hlen – подсчитывать), die geweinten und die ungeweinten (выплаканные и невыплаканные; weinen – плакать).

4     Aber am Morgen ist er, hast du nicht gesehen, verschwunden (исчез: verschwinden)! Dann klappern (стучат) die Milchtassen, dann plappern die kleinen Mä uler (болтают маленькие мордочки: das Maul) wieder um die Wette (наперебой: «наперегонки»). Dann rennen wieder die Bademä tze (der Matz – малыш) rudelweise (стаями; das Rudel – стая, стадо) in den kü hlen, flaschengrü nen See hinein, planschen (плещутся, шлепают по воде), kreischen (визжат), jauchzen (вскрикивают), krä hen (кричат: «кукарекают»), schwimmen oder tun doch wenigstens (делают хотя бы, по меньшей мере вид), als schwö mmen sie (как будто плавают: schwimmen).

5     So ist’s auch in Seebü hl am Bü hlsee, wo die Geschichte anfä ngt, die ich euch erzä hlen will. Eine etwas verzwickte Geschichte (несколько запутанная история). Und ihr werdet manchmal hö llisch aufpassen mü ssen (вам придется подчас быть предельно: «адски» внимательными; die Hö lle – ад), damit ihr alles haargenau und grü ndlich (точнейше: «точно до волосинки» и основательно) versteht. Zu Beginn geht es allerdings noch ganz gemü tlich zu (в начале все еще будет происходить, однако, совершенно спокойно: «душевно, уютно»). Verwickelt (запутанным) wird’s erst in den spä teren Kapiteln. Verwickelt und ziemlich spannend (напряженно, увлекательно).

6     Vorlä ufig (пока, временно) baden sie alle im See, und am wildesten treibt es, wie immer, ein kleines neunjä hriges Mä dchen, das den Kopf voller Locken und Einfä lle hat (у которой голова вся в локонах и полна придумок, идей; einfallen – приходить на ум; der Einfall – идея) und Luise heiß t, Luise Palfy. Aus Wien.

7     Da ertö nt (звучит) vom Hause her ein Gongschlag (удар в гонг). Noch einer und ein dritter. Die Kinder und die Helferinnen, die noch baden, klettern ans Ufer (карабкаются, забираются на берег).

8     «Der Gong gilt fü r alle (обязателен: «действителен» для всех = это сигнал для всех, без исключений)! » ruft Frä ulein Ulrike. «Sogar fü r Luise! »

9     «Ich komme ja schon! » schreit Luise. «Ein alter Mann ist doch kein Schnellzug! » Und dann kommt sie tatsä chlich.

10   Frä ulein Ulrike treibt ihre schnatternde Herde (неугомонное: «гогочущее, болтающее» стадо) vollzä hlig (в полном составе; die Zahl – число) in den Stall (в хлев), ach nein, ins Haus. Zwö lf Uhr, auf den Punkt (ровно), wird zu Mittag gegessen. Und dann wird neugierig auf den Nachmittag gelauert (поджидают /с нетерпением/: lauern – поджидать, подкарауливать). Warum?

11   Am Nachmittag werden zwanzig «Neue» erwartet (ждут новичков). Zwanzig kleine Mä dchen aus Sü ddeutschland. Werden ein paar Zieraffen (несколько франтих, недотрог; zieren – украшать; sich zieren – жеманиться, церемониться; der Affe – обезьяна) dabei (среди них: «при них») sein? Ein paar Klatschbasen (сплетниц, болтушек; klatschen – хлопать, шлепать; сплетничать, судачить; die Base – кузина; кумушка)? Womö glich uralte (древние) Damen von dreizehn oder gar vierzehn Jahren? Werden sie interessante Spielsachen mitbringen? Hoffentlich (будем надеяться, хорошо бы) ist ein groß er Gummiball drunter (резиновый мяч среди них)! Trudes Ball hat keine Luft mehr. Und Brigitte rü ckt ihren nicht heraus (не дает: «не выкладывает»; rü cken – двигать). Sie hat ihn im Schrank eingeschlossen (заперла: einschließ en). Ganz fest. Damit ihm nichts passiert. Das gibt’s auch.

1      Kennt ihr eigentlich Seebü hl? Das Gebirgsdorf Seebü hl? Seebü hl am Bü hlsee? Nein? Nicht? Merkwü rdig – keiner, den man fragt, kennt Seebü hl! Womö glich gehö rt Seebü hl am Bü hlsee zu den Ortschaften, die ausgerechnet nur jene Leute kennen, die man nicht fragt? Wundern wü rde mich’s nicht. So etwas gibt’s.

2      Nun, wenn ihr Seebü hl am Bü hlsee nicht kennt, kö nnt ihr natü rlich auch das Kinderheim in Seebü hl am Bü hlsee nicht kennen, das bekannte Ferienheim fü r kleine Mä dchen. Aber es macht nichts. Kinderheime ä hneln einander wie Vierpfundbrote oder Hundsveilchen; wer eines kennt, kennt sie alle. Und wer an ihnen vorü berspaziert, kö nnte denken, es seien riesengroß e Bienenstö cke. Es summt von Gelä chter, Geschrei, Getuschel und Gekicher. Solche Ferienheime sind Bienenstö cke des Kinderglü cks und Frohsinns. Und so viele es geben mag, wird es doch nie genug davon geben kö nnen.

3      Freilich abends, da setzt sich zuweilen der graue Zwerg Heimweh an die Betten im Schlafsaal, zieht sein graues Rechenheft und den grauen Bleistift aus der Tasche und zä hlt ernsten Gesichts die Kinderträ nen ringsum zusammen, die geweinten und die ungeweinten.

4      Aber am Morgen ist er, hast du nicht gesehen, verschwunden! Dann klappern die Milchtassen, dann plappern die kleinen Mä uler wieder um die Wette. Dann rennen wieder die Bademä tze rudelweise in den kü hlen, flaschengrü nen See hinein, planschen, kreischen, jauchzen, krä hen, schwimmen oder tun doch wenigstens, als schwö mmen sie.

5      So ist’s auch in Seebü hl am Bü hlsee, wo die Geschichte anfä ngt, die ich euch erzä hlen will. Eine etwas verzwickte Geschichte. Und ihr werdet manchmal hö llisch aufpassen mü ssen, damit ihr alles haargenau und grü ndlich versteht. Zu Beginn geht es allerdings noch ganz gemü tlich zu. Verwickelt wird’s erst in den spä teren Kapiteln. Verwickelt und ziemlich spannend.

6      Vorlä ufig baden sie alle im See, und am wildesten treibt es, wie immer, ein kleines neunjä hriges Mä dchen, das den Kopf voller Locken und Einfä lle hat und Luise heiß t, Luise Palfy. Aus Wien.

7      Da ertö nt vom Hause her ein Gongschlag. Noch einer und ein dritter. Die Kinder und die Helferinnen, die noch baden, klettern ans Ufer.

8      «Der Gong gilt fü r alle! » ruft Frä ulein Ulrike. «Sogar fü r Luise! »

9      «Ich komme ja schon! » schreit Luise. «Ein alter Mann ist doch kein Schnellzug! » Und dann kommt sie tatsä chlich.

10    Frä ulein Ulrike treibt ihre schnatternde Herde vollzä hlig in den Stall, ach nein, ins Haus. Zwö lf Uhr, auf den Punkt, wird zu Mittag gegessen. Und dann wird neugierig auf den Nachmittag gelauert. Warum?

11    Am Nachmittag werden zwanzig «Neue» erwartet. Zwanzig kleine Mä dchen aus Sü ddeutschland. Werden ein paar Zieraffen dabei sein? Ein paar Klatschbasen? Womö glich uralte Damen von dreizehn oder gar vierzehn Jahren? Werden sie interessante Spielsachen mitbringen? Hoffentlich ist ein groß er Gummiball drunter! Trudes Ball hat keine Luft mehr. Und Brigitte rü ckt ihren nicht heraus. Sie hat ihn im Schrank eingeschlossen. Ganz fest. Damit ihm nichts passiert. Das gibt’s auch.

1      Nun, am Nachmittag stehen also Luise, Trude, Brigitte und die anderen Kinder an dem groß en, weitgeö ffneten eisernen Tor (у широко открытых железных ворот: das Tor) und warten gespannt (c интересом, нетерпением: «напряженно»; spannen – натягивать, напрягать) auf den Autobus, der die Neuen von der nä chsten Bahnstation abholen (забрать, привезти) soll. Wenn der Zug pü nktlich eingetroffen ist (прибыл вовремя), mü ssten sie eigentlich (они бы, собственно, /уже/ должны)...

2     Da hupt es (гудит /клаксон/)! «Sie kommen! » Der Omnibus rollt (катится) die Straß e entlang, biegt vorsichtig in die Einfahrt (сворачивает осторожно в ворота: «въезд») und hä lt. Der Chauffeur steigt aus und hebt (поднимает) fleiß ig ein kleines Mä dchen nach dem anderen aus dem Wagen. Doch nicht nur Mä dchen, sondern auch Koffer und Taschen und Puppen und Kö rbe (корзины; der Korb) und Tü ten (свертки, пакеты) und Stoffhunde (плюшевые собаки; der Stoff – ткань, матери я) und Roller (самокаты: der Roller) und Schirmchen und Thermosflaschen und Regenmä ntel und Rucksä cke und gerollte Wolldecken (скатанные шерстяные одеяла: die Wolle + die Decke) und Bilderbü cher und Botanisiertrommeln (жестяные коробочки для гербариев: botanisieren – собирать гербарий + die Trommel – барабан) und Schmetterlingsnetze (сачки для бабочек: der Schmetterling – бабочка + das Netz – сеть), eine kunterbunte Fracht (пестрый, разнообразный, беспорядочный груз).

3     Zum Schluss taucht, mit seinen Habseligkeiten (со своими вещами, пожитками), im Rahmen der Wagentü r das zwanzigste Mä dchen auf (появляется: auftauchen; tauchen – нырять). Ein ernst dreinschauendes Ding (серьезно смотрящее /на всех, на все/ существо). Der Chauffeur streckt bereitwillig (охотно, с готовностью) die Arme hoch (протягивает вверх: hochstrecken).

4     Die Kleine schü ttelt den Kopf (качает /отрицательно/ головой), dass beide Zö pfe schlenkern (косы болтаются: der Zopf). «Danke nein (спасибо, нет)! » sagt sie hö flich und bestimmt (категорично, уверенно; bestimmen – определять; решать) und klettert (карабкается, лезет), ruhig und sicher, das Trittbrett herab (с подножки вниз = слезает с подножки). Unten blickt sie verlegen lä chelnd (смущенно улыбаясь) in die Runde (/оглядывается/ вокруг). Plö tzlich macht sie groß e, erstaunte Augen. Sie starrt Luise an (уставилась, глазеет; starr – неподвижный; пристальный; окоченевший; жесткий)! Nun reiß t auch Luise die Augen auf (широко раскрывает: «распахивает» глаза; reiß en – рвать). Erschrocken blickt sie der Neuen ins Gesicht!

5     Die anderen Kinder und Frä ulein Ulrike schauen perplex (сбитые с толку; perplé x) von einer zur anderen. Der Chauffeur schiebt die Mü tze nach hinten (сдвигает шапку назад), kratzt sich am Kopf (чешет затылок) und kriegt den Mund nicht wieder zu (не может, не в состоянии снова закрыть рот). Weswegen denn (почему же)?

6     Luise und die Neue sehen einander zum Verwechseln ä hnlich (похожи до того, что можно спутать; verwechseln – спутать)! Zwar (правда), eine hat lange Locken (локоны: die Locke) und die andere streng geflochtene Zö pfe (аккуратно: «строго» заплетенные; flechten – плести) – aber das ist auch wirklich der einzige Unterschied (это единственное отличие)!

7     Da dreht sich Luise um und rennt, als werde sie von Lö wen und Tigern verfolgt (как будто ее предследуют), in den Garten.

8     «Luise! » ruft Frä ulein Ulrike. «Luise! » Dann zuckt sie die Achseln (пожимает плечами) und bringt erst einmal die zwanzig Neulinge ins Haus. Als Letzte, zö gernd (медля, нерешительно) und unendlich verwundert (бесконечно = крайне удивленная), spaziert das kleine Zopfmä dchen.

 

1      Nun, am Nachmittag stehen also Luise, Trude, Brigitte und die anderen Kinder an dem groß en, weitgeö ffneten eisernen Tor und warten gespannt auf den Autobus, der die Neuen von der nä chsten Bahnstation abholen soll. Wenn der Zug pü nktlich eingetroffen ist, mü ssten sie eigentlich...

2      Da hupt es! «Sie kommen! » Der Omnibus rollt die Straß e entlang, biegt vorsichtig in die Einfahrt und hä lt. Der Chauffeur steigt aus und hebt fleiß ig ein kleines Mä dchen nach dem anderen aus dem Wagen. Doch nicht nur Mä dchen, sondern auch Koffer und Taschen und Puppen und Kö rbe und Tü ten und Stoffhunde und Roller und Schirmchen und Thermosflaschen und Regenmä ntel und Rucksä cke und gerollte Wolldecken und Bilderbü cher und Botanisiertrommeln und Schmetterlingsnetze, eine kunterbunte Fracht.

3      Zum Schluss taucht, mit seinen Habseligkeiten, im Rahmen der Wagentü r das zwanzigste Mä dchen auf. Ein ernst dreinschauendes Ding. Der Chauffeur streckt bereitwillig die Arme hoch.

4      Die Kleine schü ttelt den Kopf, dass beide Zö pfe schlenkern. «Danke nein! » sagt sie hö flich und bestimmt und klettert, ruhig und sicher, das Trittbrett herab. Unten blickt sie verlegen lä chelnd in die Runde. Plö tzlich macht sie groß e, erstaunte Augen. Sie starrt Luise an! Nun reiß t auch Luise die Augen auf. Erschrocken blickt sie der Neuen ins Gesicht!

5      Die anderen Kinder und Frä ulein Ulrike schauen perplex von einer zur anderen. Der Chauffeur schiebt die Mü tze nach hinten, kratzt sich am Kopf und kriegt den Mund nicht wieder zu. Weswegen denn?

6      Luise und die Neue sehen einander zum Verwechseln ä hnlich! Zwar, eine hat lange Locken und die andere streng geflochtene Zö pfe – aber das ist auch wirklich der einzige Unterschied!

7      Da dreht sich Luise um und rennt, als werde sie von Lö wen und Tigern verfolgt, in den Garten.

8      «Luise! » ruft Frä ulein Ulrike. «Luise! » Dann zuckt sie die Achseln und bringt erst einmal die zwanzig Neulinge ins Haus. Als Letzte, zö gernd und unendlich verwundert, spaziert das kleine Zopfmä dchen.

1      Frau Muthesius, die Leiterin (руководительница; leiten – вести; руководить) des Kinderheims, sitzt im Bü ro und berä t (обсуждает, советуется: beraten) mit der alten, resoluten (решительной, самоуверенной) Kö chin den Speisezettel (меню: die Speise – пища + der Zettel – записка) fü r die nä chsten Tage.

2     Da klopft es. Frä ulein Ulrike tritt ein (входит: eintreten) und meldet (докладывает), dass die Neuen gesund, munter (бодрые; gesund und munter – в добром здравии) und vollzä hlig eingetroffen seien (прибыли: eintreffen).

3     «Freut mich (это меня радует). Danke schö n! »

4     «Dann wä re noch eins (еще кое-что /я хотела бы сообщить/)...»

5     «Ja? » Die vielbeschä ftigte Heimleiterin blickt kurz hoch (на короткое время поднимает глаза, голову).

6     «Es handelt sich um (речь идет о...; handeln – действовать) Luise Palfy», beginnt Frä ulein Ulrike nicht ohne Zö gern. «Sie wartet drauß en vor der Tü r...»

7     «Herein mit der Fratz (давайте-ка сюда эту баловницу)! » Frau Muthesius muss lä cheln. «Was hat sie denn wieder ausgefressen (что она натворила на сей раз)? »

8     «Diesmal nichts», sagt die Helferin. «Es ist bloß...»

Sie ö ffnet behutsam die Tü r und ruft: «Kommt herein, ihr beiden (входите обе)! Nur keine Angst (только не бойтесь)! »

9     Nun treten die zwei kleinen Mä dchen ins Zimmer. Weit voneinander entfernt bleiben sie stehen.

10   «Da brat mir einer einen Storch (пусть тут кто-нибудь зажарит мне аиста = ну и ну, ну и дела)! » murmelt (бормочет) die Kö chin.

11   Wä hrend Frau Muthesius erstaunt auf die Kinder schaut, sagt Frä ulein Ulrike: «Die Neue heiß t Lotte Kö rner und kommt aus Mü nchen.»

12   «Seid ihr miteinander verwandt (вы родственники: «родственны друг с другом»)? »

13   Die zwei Mä dchen schü tteln unmerklich (незаметно; merken – замечать), aber ü berzeugt (убежденно) die Kö pfe.

14   «Sie haben einander bis zum heutigen Tage noch nie gesehen! » meint Frä ulein Ulrike. «Seltsam (странно), nicht? »

15   «Wieso seltsam? » fragt die Kö chin. «Wie kö nnen’s einander denn g’sehn ham (= Wie kö nnen sie einander denn gesehn haben)? Wo doch die eine aus Mü nchen stammt (родом из: «происходит из» Мюнхена) und die andere aus Wien? »

16   Frau Muthesius sagt freundlich: «Zwei Mä dchen, die einander so ä hnlich schauen, werden sicher gute Freundinnen werden. Steht nicht so fremd beieinand’ (= beieinander), Kinder! Kommt, gebt euch die Hand! »

17   «Nein! » ruft Luise und verschrä nkt die Arme hinter dem Rü cken (складывает руки за спиной: der Rü cken).

18   Frau Muthesius zuckt die Achseln, denkt nach und sagt abschließ end (в заключение; abschließ en – завершать): «Ihr kö nnt gehen.»

19   Luise rennt zur Tü r, reiß t sie auf und stü rmt hinaus (выскакивает наружу). Lotte macht einen Knicks (книксен /поклон с приседанием/) und will langsam das Zimmer verlassen.

20   «Noch einen Augenblick (еще минуточку: «мгновение»), Lottchen», meint die Leiterin. Sie schlä gt ein groß es Buch auf (раскрывает: aufschlagen). «Ich kann gleich deinen Namen eintragen (внести, вписать). Und wann und wo du geboren bist. Und wie deine Eltern heiß en.»

21   «Ich hab nur noch eine Mutti», flü stert Lotte.

22   Frau Muthesius taucht den Federhalter ins Tintenfass (макает ручку в чернильницу: die Tinte – чернила + das Fass – бочка).

23   «Zuerst also den Geburtstag! »

 

1      Frau Muthesius, die Leiterin des Kinderheims, sitzt im Bü ro und berä t mit der alten, resoluten Kö chin den Speisezettel fü r die nä chsten Tage.

Da klopft es. Frä ulein Ulrike tritt ein und meldet, dass die Neuen gesund, munter und vollzä hlig eingetroffen seien.

2      «Freut mich. Danke schö n! »

3      «Dann wä re noch eins...»

4      «Ja? » Die vielbeschä ftigte Heimleiterin blickt kurz hoch.

5      «Es handelt sich um Luise Palfy», beginnt Frä ulein Ulrike nicht ohne Zö gern. «Sie wartet drauß en vor der Tü r...»

6      «Herein mit der Fratz! » Frau Muthesius muss lä cheln. «Was hat sie denn wieder ausgefressen? »

7      «Diesmal nichts», sagt die Helferin. «Es ist bloß...»

8      Sie ö ffnet behutsam die Tü r und ruft: «Kommt herein, ihr beiden! Nur keine Angst! »

9      Nun treten die zwei kleinen Mä dchen ins Zimmer. Weit voneinander entfernt bleiben sie stehen.

10    «Da brat mir einer einen Storch! » murmelt die Kö chin.

11    Wä hrend Frau Muthesius erstaunt auf die Kinder schaut, sagt Frä ulein Ulrike: «Die Neue heiß t Lotte Kö rner und kommt aus Mü nchen.»

Seid ihr miteinander verwandt? »

13    Die zwei Mä dchen schü tteln unmerklich, aber ü berzeugt die Kö pfe.

14    «Sie haben einander bis zum heutigen Tage noch nie gesehen! » meint Frä ulein Ulrike. «Seltsam, nicht? »

15    «Wieso seltsam? » fragt die Kö chin. «Wie kö nnen’s einander denn g’sehn ham? Wo doch die eine aus Mü nchen stammt und die andere aus Wien? »

16    Frau Muthesius sagt freundlich: «Zwei Mä dchen, die einander so ä hnlich schauen, werden sicher gute Freundinnen werden. Steht nicht so fremd beieinand’, Kinder! Kommt, gebt euch die Hand! »

17    «Nein! » ruft Luise und verschrä nkt die Arme hinter dem Rü cken.

18    Frau Muthesius zuckt die Achseln, denkt nach und sagt abschließ end: «Ihr kö nnt gehen.»

19    Luise rennt zur Tü r, reiß t sie auf und stü rmt hinaus. Lotte macht einen Knicks und will langsam das Zimmer verlassen.

20    «Noch einen Augenblick, Lottchen», meint die Leiterin. Sie schlä gt ein groß es Buch auf. «Ich kann gleich deinen Namen eintragen. Und wann und wo du geboren bist. Und wie deine Eltern heiß en.»

21    «Ich hab nur noch eine Mutti», flü stert Lotte.


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