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Es ist Nacht. Und alle Kinder schlafen. Bis auf zwei.



2      Diese zwei haben einander den Rü cken zugekehrt, tun, als schliefen sie fest, liegen aber mit offenen Augen da und starren vor sich hin.

3      Luise blickt bö se auf die silbernen Kringel, die der Mond auf ihr Bett malt. Plö tzlich spitzt sie die Ohren. Sie hö rt leises, krampfhaft unterdrü cktes Weinen.

4      Lotte presst die Hä nde auf den Mund. Was hatte ihr die Mutter beim Abschied gesagt: «Ich freu mich so, dass du ein paar Wochen mit vielen frö hlichen Kindern zusammen sein wirst! Du bist zu ernst fü r dein Alter, Lottchen! Viel zu ernst! Ich weiß, es liegt nicht an dir. Es liegt an mir. An meinem Beruf. Ich bin zu wenig zu Hause. Wenn ich heimkomme, bin ich mü de. Und du hast inzwischen nicht gespielt wie andere Kinder, sondern aufgewaschen, gekocht, den Tisch gedeckt. Komm bitte mit tausend Lachfalten zurü ck, mein Hausmü tterchen! » Und nun liegt sie hier in der Fremde, neben einem bö sen Mä dchen, das sie hasst, weil sie ihm ä hnlich sieht. Sie seufzt leise. Da soll man nun Lachfä ltchen kriegen! Lotte schluchzt vor sich hin.

5      Plö tzlich streicht eine kleine fremde Hand unbeholfen ü ber ihr Haar! Lottchen wird stocksteif vor Schreck. Vor Schreck? Luises Hand streichelt schü chtern weiter.

6      Der Mond schaut durchs groß e Schlafsaalfenster und staunt nicht schlecht. Da liegen zwei kleine Mä dchen nebeneinander, die sich nicht anzusehen wagen, und die eine, die eben weinte, tastet jetzt mit ihrer Hand ganz langsam nach der streichelnden Hand der anderen.

7      «Na gut», denkt der alte silberne Mond. «Da kann ich ja beruhigt untergehen! » Und das tut er denn auch.

Zweites Kapitel

 

Vom Unterschied zwischen Waffenstillstand und Frieden – Der Waschsaal als Frisiersalon – Das doppelte Lottchen – Trude kriegt eine Ohrfeige – Der Fotograf Eipeldauer und die Fö rstersfrau – Meine Mutti, unsere Mutti – Sogar Frä ulein Ulrike hat etwas geahnt

1      Besaß (имело ли: besitzen – владеть, обладать) der Waffenstillstand (перемирие; die Waffe – оружие) zwischen den zweien Wert (ценность, значение: der Wert) und Dauer (продолжительность: die Dauer) = (соблюдалось ли на самом деле)? Obwohl er ohne Verhandlungen (хотя оно без переговоров) und Worte (и речей) geschlossen worden war (было заключено: schließ en)? Ich mö cht’s schon glauben (думаю, да: «хотел бы это уж полагать»). Aber vom Waffenstillstand zum Frieden (до /полного/ мира: der Frieden) ist ein weiter Weg. Auch bei Kindern. Oder (или как /вы думаете/)?

2     Sie wagten einander nicht anzusehen, als sie am nä chsten Morgen aufwachten (проснулись), als sie dann in ihren weiß en langen Nachthemden in den Waschsaal liefen, als sie sich, Schrank an Schrank (шкаф возле шкафа = у соседних шкафчиков), anzogen (одевались: sich anziehen), als sie Stuhl an Stuhl, beim Milchfrü hstü ck saß en, und auch nicht, als sie nebeneinander, Lieder singend, am See entlangliefen und spä ter mit den Helferinnen Reigen tanzten (водили хоровод: der Reigen) und Blumenkrä nze flochten. Ein einziges Mal kreuzten sich ihre raschen, huschenden Blicke (скрестились = встретились их быстрые, скользящие /украдкой/ взгляды; huschen – промелькнуть, проскользнуть), doch dann waren sie auch schon wieder erschrocken (испуганно) voneinander weggeglitten (соскользнули: weggleiten; gleiten – скользить).

 

1      Besaß der Waffenstillstand zwischen den zweien Wert und Dauer? Obwohl er ohne Verhandlungen und Worte geschlossen worden war? Ich mö cht’s schon glauben. Aber vom Waffenstillstand zum Frieden ist ein weiter Weg. Auch bei Kindern. Oder?

2      Sie wagten einander nicht anzusehen, als sie am nä chsten Morgen aufwachten, als sie dann in ihren weiß en langen Nachthemden in den Waschsaal liefen, als sie sich, Schrank an Schrank, anzogen, als sie Stuhl an Stuhl, beim Milchfrü hstü ck saß en, und auch nicht, als sie nebeneinander, Lieder singend, am See entlangliefen und spä ter mit den Helferinnen Reigen tanzten und Blumenkrä nze flochten. Ein einziges Mal kreuzten sich ihre raschen, huschenden Blicke, doch dann waren sie auch schon wieder erschrocken voneinander weggeglitten.

1      Jetzt sitzt Frä ulein Ulrike in der Wiese (на лугу) und liest einen wunderbaren Roman, in dem auf jeder Seite von Liebe die Rede ist. Manchmal lä sst sie das Buch sinken und denkt versonnen (мечтательно; sinnen – размышлять, быть погруженным в мысли о чем-то; мечтать, стремиться к чему-либо) an Herrn Rademacher, den Diplomingenieur, der bei ihrer Tante zur Untermiete wohnt (снимает жилье; die Miete – аренда; die Untermiete – субаренда): Rudolf heiß t er. Ach Rudolf!

2     Luise spielt indessen (тем временем) mit ihren Freundinnen Vö lkerball (в вышибалы). Aber sie ist nicht recht bei der Sache (но она не может как следует сосредоточиться, она рассеянна: «не при деле»). Oft schaut sie sich um (осматривается, оглядывается), als suche sie jemanden (как будто ищет кого-то) und kö nne ihn nicht finden.

3     Trude fragt: «Wann beiß t du denn nun endlich der Neuen die Nase ab, hm? »

4     «Sei nicht so blö d (не будь так глупа)! » sagt Luise.

5     Christine blickt sie ü berrascht an (смотрит на нее удивленно, пораженно; ü berraschen – поражать /о чем-то неожиданном/). «Nanu (ну и ну)! Ich denk, du hast eine Wut auf sie (я думаю, ты злишься на нее: die Wut – гнев, ярость)? »

6     «Ich kann doch nicht jedem, auf den ich eine Wut habe, die Nase abbeiß en», erklä rt Luise kü hl (спокойно, холодно: «прохладно»). Und sie setzt hinzu (добавляет: hinzusetzen): «Auß erdem hab ich gar keine Wut auf sie.»

7     «Aber gestern hattest du doch welche (но вчера у тебя же была /ярость/)! » beharrt Steffie.

8     «Und was fü r eine Wut! » ergä nzt Monika. «Beim Abendbrot hast du sie unterm Tisch so gegens Schienbein getreten, dass sie beinahe gebrü llt hä tte (что она чуть не заревела)! »

9     «Na also (ну и вот, ну так /что же/)», stellt Trude mit sichtlicher Genugtuung fest (констатирует с видимым удовлетворением).

10   Luises Gefieder strä ubt sich (оперение вздымается, топорщится; das Gefieder; die Feder – перо). «Wenn ihr nicht gleich aufhö rt», ruft sie zornig (гневно; der Zorn – гнев), «kriegt ihr eins vors Schienen (тогда вы /сами/ получите по голени)! » Damit wendet sie sich um (при этом она поворачивается) und rauscht davon (уносится, убегает /демонстративно, с шумом/; rauschen – шелестеть).

11   «Die weiß nicht, was sie will», meint Christine und zuckt die Achseln.

 

1      Jetzt sitzt Frä ulein Ulrike in der Wiese und liest einen wunderbaren Roman, in dem auf jeder Seite von Liebe die Rede ist. Manchmal lä sst sie das Buch sinken und denkt versonnen an Herrn Rademacher, den Diplomingenieur, der bei ihrer Tante zur Untermiete wohnt: Rudolf heiß t er. Ach Rudolf!

2      Luise spielt indessen mit ihren Freundinnen Vö lkerball. Aber sie ist nicht recht bei der Sache. Oft schaut sie sich um, als suche sie jemanden und kö nne ihn nicht finden.

3      Trude fragt: «Wann beiß t du denn nun endlich der Neuen die Nase ab, hm? »

4      «Sei nicht so blö d! » sagt Luise.

5      Christine blickt sie ü berrascht an. «Nanu! Ich denk, du hast eine Wut auf sie? »

6      «Ich kann doch nicht jedem, auf den ich eine Wut habe, die Nase abbeiß en», erklä rt Luise kü hl. Und sie setzt hinzu: «Auß erdem hab ich gar keine Wut auf sie.»

7      «Aber gestern hattest du doch welche! » beharrt Steffie.

8      «Und was fü r eine Wut! » ergä nzt Monika. «Beim Abendbrot hast du sie unterm Tisch so gegens Schienbein getreten, dass sie beinahe gebrü llt hä tte! »


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